Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 97. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. fanden 1). Allein ein incorrecter Sprachgebrauch verallgemeinertedie Bedeutung des Wortes "Austräge", so daß statt des positiven Sinnes "Schiedsgericht" darunter jeder Ausschluß der landesherr- lichen Gerichtsbarkeit verstanden wurde und das "Recht auf Aus- träge" gleichbedeutend mit Befreiung von der Gerichtsbarkeit wurde. In diesem incorrecten Sinne wurde das Wort verwendet von der Rheinbundsacte Art. 28, welche den Mediatisirten in Kriminalsachen Pairsgerichte zusicherte und dies in folgender Art ausdrückte: En matiere criminelle les princes et comtes actuellement regnans et leurs heritiers jouiront des droits d'austregues c'est a dire d'etre juges par leurs pairs etc. Dem entsprechend bestimmt die Kgl. Baierische De- claration v. 1807 A. Ziff. 11: "In peinlichen Fällen, mit Ausnahme von Militair-Ver- Da die Deutsche Bundesacte von 1815 Art. XIV. 1) Vgl. die Darstellung von Hermann Schulze. Einleitung in das Deutsche Staatsrecht §. 86. 2) Vgl. die Nachweisungen bei Zachariä, Deutsches Staats- u. Bundes-
recht. I. §. 98 Note 7 (3. Aufl. S. 526). §. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit. fanden 1). Allein ein incorrecter Sprachgebrauch verallgemeinertedie Bedeutung des Wortes „Austräge“, ſo daß ſtatt des poſitiven Sinnes „Schiedsgericht“ darunter jeder Ausſchluß der landesherr- lichen Gerichtsbarkeit verſtanden wurde und das „Recht auf Aus- träge“ gleichbedeutend mit Befreiung von der Gerichtsbarkeit wurde. In dieſem incorrecten Sinne wurde das Wort verwendet von der Rheinbundsacte Art. 28, welche den Mediatiſirten in Kriminalſachen Pairsgerichte zuſicherte und dies in folgender Art ausdrückte: En matière criminelle les princes et comtes actuellement régnans et leurs héritiers jouiront des droits d’austrègues c’est à dire d’être jugés par leurs pairs etc. Dem entſprechend beſtimmt die Kgl. Baieriſche De- claration v. 1807 A. Ziff. 11: „In peinlichen Fällen, mit Ausnahme von Militair-Ver- Da die Deutſche Bundesacte von 1815 Art. XIV. 1) Vgl. die Darſtellung von Hermann Schulze. Einleitung in das Deutſche Staatsrecht §. 86. 2) Vgl. die Nachweiſungen bei Zachariä, Deutſches Staats- u. Bundes-
recht. I. §. 98 Note 7 (3. Aufl. S. 526). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0053" n="43"/><fw place="top" type="header">§. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit.</fw><lb/><hi rendition="#g">fanden</hi><note place="foot" n="1)">Vgl. die Darſtellung von Hermann <hi rendition="#g">Schulze</hi>. Einleitung in das<lb/> Deutſche Staatsrecht §. 86.</note>. Allein ein incorrecter Sprachgebrauch verallgemeinerte<lb/> die Bedeutung des Wortes „Austräge“, ſo daß ſtatt des poſitiven<lb/> Sinnes „Schiedsgericht“ darunter jeder Ausſchluß der landesherr-<lb/> lichen Gerichtsbarkeit verſtanden wurde und das „Recht auf Aus-<lb/> träge“ gleichbedeutend mit Befreiung von der Gerichtsbarkeit wurde.<lb/> In dieſem <hi rendition="#g">incorrecten</hi> Sinne wurde das Wort verwendet von<lb/> der <hi rendition="#g">Rheinbundsacte</hi> Art. 28, welche den Mediatiſirten in<lb/><hi rendition="#g">Kriminalſ</hi>achen <hi rendition="#g">Pairsg</hi>erichte zuſicherte und dies in folgender<lb/> Art ausdrückte: <hi rendition="#aq">En matière criminelle les princes et comtes<lb/> actuellement régnans et leurs héritiers jouiront des <hi rendition="#g">droits<lb/> d’austrègues c’est à dire d’être jugés par leurs<lb/> pairs</hi> etc.</hi> Dem entſprechend beſtimmt die Kgl. <hi rendition="#g">Baieriſche De-<lb/> claration</hi> v. 1807 <hi rendition="#aq">A.</hi> Ziff. 11:</p><lb/> <p>„In <hi rendition="#g">peinlichen</hi> Fällen, mit Ausnahme von Militair-Ver-<lb/> brechen, genießen die ſubjicirten Fürſten und Grafen und ihre Erben<lb/><hi rendition="#g">das Recht einer Auſträgal-Inſtanz, nämlich durch<lb/> Richter ihres Standes gerichtet zu werden</hi>.</p><lb/> <p>Da die <hi rendition="#g">Deutſche Bundesacte</hi> von 1815 Art. <hi rendition="#aq">XIV.</hi><lb/> beſtimmte, daß dieſe Baieriſche Verordn. v. 1807 in allen deutſchen<lb/> Bundesſtaaten als Baſis und Norm bei Feſtſtellung des Rechts-<lb/> zuſtandes der mittelbar gewordenen Fürſten, Grafen und Herren<lb/> untergelegt werden ſollte, ſo wurde in mehreren deutſchen Staaten<lb/> den Standesherren in Strafſachen ein Gericht von Standesgenoſſen<lb/> gewährt <note place="foot" n="2)">Vgl. die Nachweiſungen bei <hi rendition="#g">Zachariä</hi>, Deutſches Staats- u. Bundes-<lb/> recht. <hi rendition="#aq">I.</hi> §. 98 Note 7 (3. Aufl. S. 526).</note> und hierauf mißbräuchlich der Ausdruck <hi rendition="#g">Auſträgal</hi>-<lb/> Inſtanz angewendet. So beſtimmt z. B. der durch die Preußiſche Ver-<lb/> ordnung vom 12. Nov. 1855 §. 3 in Kraft erhaltene §. 17 der Inſtr.<lb/> vom 30. Mai 1820: „In <hi rendition="#g">peinlichen</hi> Sachen, mit Ausnahme der<lb/> im Kgl. Dienſte begangenen Verbrechen, genießen die <hi rendition="#g">Häupter</hi><lb/> der ſtandesherrlichen Familien, ſofern ſie nicht den Gerichtsſtand<lb/> eines Obergerichtes vorziehen, einen privilegirten Gerichtsſtand <hi rendition="#g">vor<lb/> Austrägen</hi>.“ Auf <hi rendition="#g">dieſen</hi> „beſonderen Gerichtsſtand vor Aus-<lb/> trägen in Strafſachen“ nehmen die Motive des Regierungs-Entw.<lb/> zum Einführungsgeſ. zum Gerichtsverfaſſungsgeſ. S. 212 (<hi rendition="#g">Hahn</hi> <hi rendition="#aq">I</hi><lb/> S. 185) Bezug und in dieſem Sinne iſt §. 7 cit. zum Geſetz er-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0053]
§. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit.
fanden 1). Allein ein incorrecter Sprachgebrauch verallgemeinerte
die Bedeutung des Wortes „Austräge“, ſo daß ſtatt des poſitiven
Sinnes „Schiedsgericht“ darunter jeder Ausſchluß der landesherr-
lichen Gerichtsbarkeit verſtanden wurde und das „Recht auf Aus-
träge“ gleichbedeutend mit Befreiung von der Gerichtsbarkeit wurde.
In dieſem incorrecten Sinne wurde das Wort verwendet von
der Rheinbundsacte Art. 28, welche den Mediatiſirten in
Kriminalſachen Pairsgerichte zuſicherte und dies in folgender
Art ausdrückte: En matière criminelle les princes et comtes
actuellement régnans et leurs héritiers jouiront des droits
d’austrègues c’est à dire d’être jugés par leurs
pairs etc. Dem entſprechend beſtimmt die Kgl. Baieriſche De-
claration v. 1807 A. Ziff. 11:
„In peinlichen Fällen, mit Ausnahme von Militair-Ver-
brechen, genießen die ſubjicirten Fürſten und Grafen und ihre Erben
das Recht einer Auſträgal-Inſtanz, nämlich durch
Richter ihres Standes gerichtet zu werden.
Da die Deutſche Bundesacte von 1815 Art. XIV.
beſtimmte, daß dieſe Baieriſche Verordn. v. 1807 in allen deutſchen
Bundesſtaaten als Baſis und Norm bei Feſtſtellung des Rechts-
zuſtandes der mittelbar gewordenen Fürſten, Grafen und Herren
untergelegt werden ſollte, ſo wurde in mehreren deutſchen Staaten
den Standesherren in Strafſachen ein Gericht von Standesgenoſſen
gewährt 2) und hierauf mißbräuchlich der Ausdruck Auſträgal-
Inſtanz angewendet. So beſtimmt z. B. der durch die Preußiſche Ver-
ordnung vom 12. Nov. 1855 §. 3 in Kraft erhaltene §. 17 der Inſtr.
vom 30. Mai 1820: „In peinlichen Sachen, mit Ausnahme der
im Kgl. Dienſte begangenen Verbrechen, genießen die Häupter
der ſtandesherrlichen Familien, ſofern ſie nicht den Gerichtsſtand
eines Obergerichtes vorziehen, einen privilegirten Gerichtsſtand vor
Austrägen.“ Auf dieſen „beſonderen Gerichtsſtand vor Aus-
trägen in Strafſachen“ nehmen die Motive des Regierungs-Entw.
zum Einführungsgeſ. zum Gerichtsverfaſſungsgeſ. S. 212 (Hahn I
S. 185) Bezug und in dieſem Sinne iſt §. 7 cit. zum Geſetz er-
1) Vgl. die Darſtellung von Hermann Schulze. Einleitung in das
Deutſche Staatsrecht §. 86.
2) Vgl. die Nachweiſungen bei Zachariä, Deutſches Staats- u. Bundes-
recht. I. §. 98 Note 7 (3. Aufl. S. 526).
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