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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 123. Bedeutung und Feststellung des Haushalts-Etats-Gesetzes.
rechtliche Verpflichtung zu Einnahmen oder zu Ausgaben, sondern
er setzt diese rechtlichen Verpflichtungen voraus und stellt ihre
finanziellen Resultate lediglich zusammen.

Jede größere Wirthschaft erfordert einen Wirthschaftsplan und
eine Rechnungslegung in gewissen regelmäßigen Zeitabschnitten;
die Aufstellung eines Voranschlages gehört demgemäß zu den un-
erläßlichen Erfordernissen einer geordneten Staatswirthschaft. Die
Nothwendigkeit der Budget-Aufstellung ist nicht die Folge irgend
einer Verfassungsform, ist nichts Charakteristisches der constitu-
tionellen Monarchie, ist keine Errungenschaft der neueren politischen
Entwicklung, sondern sie ergiebt sich aus der Größe und dem Um-
fang der Staatswirthschaft. Sowie es zu der Sorgfalt jedes
ordentlichen Wirthes gehört, für ein Unternehmen, welches bedeu-
tende Aufwendungen erfordert, einen Voranschlag zu machen, so
hat man auch lange vor Einführung der konstitutionellen Staats-
form ebensowohl die Aufstellung eines Staatshaushalts-Etats als
Voranschlag für die Kosten der Verwaltung, wie die nachträgliche
Ablegung und Prüfung der Rechnungen als unerläßliche Erforder-
nisse einer geordneten Staatsverwaltung anerkannt 1).

Weder die Aufstellung des Etats für einen zukünftigen, noch
die Kontrole der Rechnungen über einen vergangenen Zeitraum
hat daher etwas zu schaffen mit der Gesetzgebung als der staat-
lichen Regelung der Rechtsordnung, sondern gehört lediglich zur
Verwaltung und das Recht, welches die Volksvertretung in
beiden Beziehungen verfassungsmäßig hat, indem ihr der Etat zur
Genehmigung, die Staatsrechnungen zur Decharge vorgelegt wer-
den müssen, charakterisirt sich als ein sehr wesentlicher Antheil an
der Verwaltung und als eine ausgedehnte Kontrole derselben; durch
dieselbe wird die Lehre von der Theilung der Gewalten auf das
Entschiedenste widerlegt und praktisch auf einem großen und wich-
tigen Gebiete beseitigt.

Wenn demnach Art. 69 der R.V. den Satz enthält, "der Reichs-
haushalts-Etat wird durch ein Gesetz festgestellt", so ist
der Sinn desselben der: "der Reichshaushalts-Etat wird ebenso
wie ein Gesetz oder im Wege der Gesetzgebung festgestellt".
Die praktische Bedeutung des Satzes liegt also in der Anordnung,

1) Gneist Gesetz und Budget S. 162. Schulze Lehrb. I. S. 683.

§. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes.
rechtliche Verpflichtung zu Einnahmen oder zu Ausgaben, ſondern
er ſetzt dieſe rechtlichen Verpflichtungen voraus und ſtellt ihre
finanziellen Reſultate lediglich zuſammen.

Jede größere Wirthſchaft erfordert einen Wirthſchaftsplan und
eine Rechnungslegung in gewiſſen regelmäßigen Zeitabſchnitten;
die Aufſtellung eines Voranſchlages gehört demgemäß zu den un-
erläßlichen Erforderniſſen einer geordneten Staatswirthſchaft. Die
Nothwendigkeit der Budget-Aufſtellung iſt nicht die Folge irgend
einer Verfaſſungsform, iſt nichts Charakteriſtiſches der conſtitu-
tionellen Monarchie, iſt keine Errungenſchaft der neueren politiſchen
Entwicklung, ſondern ſie ergiebt ſich aus der Größe und dem Um-
fang der Staatswirthſchaft. Sowie es zu der Sorgfalt jedes
ordentlichen Wirthes gehört, für ein Unternehmen, welches bedeu-
tende Aufwendungen erfordert, einen Voranſchlag zu machen, ſo
hat man auch lange vor Einführung der konſtitutionellen Staats-
form ebenſowohl die Aufſtellung eines Staatshaushalts-Etats als
Voranſchlag für die Koſten der Verwaltung, wie die nachträgliche
Ablegung und Prüfung der Rechnungen als unerläßliche Erforder-
niſſe einer geordneten Staatsverwaltung anerkannt 1).

Weder die Aufſtellung des Etats für einen zukünftigen, noch
die Kontrole der Rechnungen über einen vergangenen Zeitraum
hat daher etwas zu ſchaffen mit der Geſetzgebung als der ſtaat-
lichen Regelung der Rechtsordnung, ſondern gehört lediglich zur
Verwaltung und das Recht, welches die Volksvertretung in
beiden Beziehungen verfaſſungsmäßig hat, indem ihr der Etat zur
Genehmigung, die Staatsrechnungen zur Decharge vorgelegt wer-
den müſſen, charakteriſirt ſich als ein ſehr weſentlicher Antheil an
der Verwaltung und als eine ausgedehnte Kontrole derſelben; durch
dieſelbe wird die Lehre von der Theilung der Gewalten auf das
Entſchiedenſte widerlegt und praktiſch auf einem großen und wich-
tigen Gebiete beſeitigt.

Wenn demnach Art. 69 der R.V. den Satz enthält, „der Reichs-
haushalts-Etat wird durch ein Geſetz feſtgeſtellt“, ſo iſt
der Sinn deſſelben der: „der Reichshaushalts-Etat wird ebenſo
wie ein Geſetz oder im Wege der Geſetzgebung feſtgeſtellt“.
Die praktiſche Bedeutung des Satzes liegt alſo in der Anordnung,

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[340/0350] §. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes. rechtliche Verpflichtung zu Einnahmen oder zu Ausgaben, ſondern er ſetzt dieſe rechtlichen Verpflichtungen voraus und ſtellt ihre finanziellen Reſultate lediglich zuſammen. Jede größere Wirthſchaft erfordert einen Wirthſchaftsplan und eine Rechnungslegung in gewiſſen regelmäßigen Zeitabſchnitten; die Aufſtellung eines Voranſchlages gehört demgemäß zu den un- erläßlichen Erforderniſſen einer geordneten Staatswirthſchaft. Die Nothwendigkeit der Budget-Aufſtellung iſt nicht die Folge irgend einer Verfaſſungsform, iſt nichts Charakteriſtiſches der conſtitu- tionellen Monarchie, iſt keine Errungenſchaft der neueren politiſchen Entwicklung, ſondern ſie ergiebt ſich aus der Größe und dem Um- fang der Staatswirthſchaft. Sowie es zu der Sorgfalt jedes ordentlichen Wirthes gehört, für ein Unternehmen, welches bedeu- tende Aufwendungen erfordert, einen Voranſchlag zu machen, ſo hat man auch lange vor Einführung der konſtitutionellen Staats- form ebenſowohl die Aufſtellung eines Staatshaushalts-Etats als Voranſchlag für die Koſten der Verwaltung, wie die nachträgliche Ablegung und Prüfung der Rechnungen als unerläßliche Erforder- niſſe einer geordneten Staatsverwaltung anerkannt 1). Weder die Aufſtellung des Etats für einen zukünftigen, noch die Kontrole der Rechnungen über einen vergangenen Zeitraum hat daher etwas zu ſchaffen mit der Geſetzgebung als der ſtaat- lichen Regelung der Rechtsordnung, ſondern gehört lediglich zur Verwaltung und das Recht, welches die Volksvertretung in beiden Beziehungen verfaſſungsmäßig hat, indem ihr der Etat zur Genehmigung, die Staatsrechnungen zur Decharge vorgelegt wer- den müſſen, charakteriſirt ſich als ein ſehr weſentlicher Antheil an der Verwaltung und als eine ausgedehnte Kontrole derſelben; durch dieſelbe wird die Lehre von der Theilung der Gewalten auf das Entſchiedenſte widerlegt und praktiſch auf einem großen und wich- tigen Gebiete beſeitigt. Wenn demnach Art. 69 der R.V. den Satz enthält, „der Reichs- haushalts-Etat wird durch ein Geſetz feſtgeſtellt“, ſo iſt der Sinn deſſelben der: „der Reichshaushalts-Etat wird ebenſo wie ein Geſetz oder im Wege der Geſetzgebung feſtgeſtellt“. Die praktiſche Bedeutung des Satzes liegt alſo in der Anordnung, 1) Gneiſt Geſetz und Budget S. 162. Schulze Lehrb. I. S. 683.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/350>, abgerufen am 25.11.2024.