Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 109. Die Reichsschulden. schuld, ihre Kontrole, Rechnungslegung u. s. w. zum Gegenstande 1).1. Die verfassungsrechtlichen Grundsätze. Die 1) Der Ausdruck "Anleihegesetz" kann daher sehr Verschiedenes bedeuten, je nachdem man an die eine oder andere Kategorie von Bestimmungen denkt. Die bisherige deutsche Literatur ist auch hier weit entfernt davon, die Rechts- begriffe zu fixiren und zu unterscheiden. Dies gilt z. B. von den Bemer- kungen in dem Aufsatz von v. Martitz (in der Zeitschrift f. die gesammte Staatswissensch. 36. Bd. 1880 S. 207 ff.) hinsichtlich der Anleihegesetze (S. 232). Vgl. G. Meyer in Grünhut's Zeitschrift Bd. VIII. S. 22. 2) Sie bildet in dieser Hinsicht den Gegensatz zur Contribution; die sogenannte Zwangsanleihe ist eine Unterart der letzteren; ihre Be- zeichnung als "Zwangsanleihe", die in sich selbst einen Widerspruch enthält, ist eine scherzhafte oder sarkastische. 3) Vgl. Bd. II. S. 59 ff. 209 ff.
§. 109. Die Reichsſchulden. ſchuld, ihre Kontrole, Rechnungslegung u. ſ. w. zum Gegenſtande 1).1. Die verfaſſungsrechtlichen Grundſätze. Die 1) Der Ausdruck „Anleihegeſetz“ kann daher ſehr Verſchiedenes bedeuten, je nachdem man an die eine oder andere Kategorie von Beſtimmungen denkt. Die bisherige deutſche Literatur iſt auch hier weit entfernt davon, die Rechts- begriffe zu fixiren und zu unterſcheiden. Dies gilt z. B. von den Bemer- kungen in dem Aufſatz von v. Martitz (in der Zeitſchrift f. die geſammte Staatswiſſenſch. 36. Bd. 1880 S. 207 ff.) hinſichtlich der Anleihegeſetze (S. 232). Vgl. G. Meyer in Grünhut’s Zeitſchrift Bd. VIII. S. 22. 2) Sie bildet in dieſer Hinſicht den Gegenſatz zur Contribution; die ſogenannte Zwangsanleihe iſt eine Unterart der letzteren; ihre Be- zeichnung als „Zwangsanleihe“, die in ſich ſelbſt einen Widerſpruch enthält, iſt eine ſcherzhafte oder ſarkaſtiſche. 3) Vgl. Bd. II. S. 59 ff. 209 ff.
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§. 109. Die Reichsſchulden.
ſchuld, ihre Kontrole, Rechnungslegung u. ſ. w. zum Gegenſtande 1).
1. Die verfaſſungsrechtlichen Grundſätze. Die
Aufnahme einer Anleihe iſt der Abſchluß eines privatrechtlichen
Geſchäfts, alſo ein Verwaltungsakt; ſie kann niemals, nach
keiner Verfaſſung und unter keinen Umſtänden ein Akt der Geſetz-
gebung ſein, weil es ſich gar nicht um einen einſeitigen Willensakt
des Staates, ſondern um einen Vertrag des Fiskus mit Dritten
handelt. Eine Anleihe „beruht“ daher niemals auf einem Geſetz,
ſie wird niemals „durch ein Geſetz“ oder „im Wege eines Geſetzes“
aufgenommen, ſondern ſtets im Wege der Verwaltung und in der
Form des bürgerlichen Rechtsverkehrs 2). Demgemäß drückt ſich
der Art. 73 der R.V. nicht correct aus, wenn er beſtimmt:
„In Fällen eines außerordentlichen Bedürfniſſes kann
im Wege der Reichsgeſetzgebung die Aufnahme
einer Anleihe . . . . zu Laſten des Reichs erfolgen“.
Der „Weg der Reichsgeſetzgebung“ führt niemals bis zur Auf-
nahme einer Anleihe, weil er nicht bis zu den Creditgebern führt,
ſondern ein Stück vorher aufhört. Der ſelbſtverſtändliche und
zweifelloſe Sinn des Artikels iſt vielmehr, daß die Regierung für
den Verwaltungsakt der Creditbeſchaffung die im Wege der Geſetz-
gebung zu ertheilende Zuſtimmung des Bundesrathes und Reichs-
tages bedarf. Ein „Anleihegeſetz“ (in dieſem Sinne) hat daher
auch niemals einen materiellen Rechtsinhalt, ſtellt keine Rechts-
regel weder des öffentlichen noch des privaten Rechts auf, ſondern
es enthält lediglich die Ermächtigung der Reichsregierung zum
Abſchluß eines beſtimmten einzelnen Rechtsgeſchäftes; es iſt ein for-
melles Geſetz, deſſen Inhalt eine Verwaltungsmaßregel betrifft 3).
1) Der Ausdruck „Anleihegeſetz“ kann daher ſehr Verſchiedenes bedeuten,
je nachdem man an die eine oder andere Kategorie von Beſtimmungen denkt.
Die bisherige deutſche Literatur iſt auch hier weit entfernt davon, die Rechts-
begriffe zu fixiren und zu unterſcheiden. Dies gilt z. B. von den Bemer-
kungen in dem Aufſatz von v. Martitz (in der Zeitſchrift f. die geſammte
Staatswiſſenſch. 36. Bd. 1880 S. 207 ff.) hinſichtlich der Anleihegeſetze (S. 232).
Vgl. G. Meyer in Grünhut’s Zeitſchrift Bd. VIII. S. 22.
2) Sie bildet in dieſer Hinſicht den Gegenſatz zur Contribution;
die ſogenannte Zwangsanleihe iſt eine Unterart der letzteren; ihre Be-
zeichnung als „Zwangsanleihe“, die in ſich ſelbſt einen Widerſpruch enthält,
iſt eine ſcherzhafte oder ſarkaſtiſche.
3) Vgl. Bd. II. S. 59 ff. 209 ff.
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