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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 109. Die Reichsschulden.
Deficits, sondern eines bloßen Kassenvorschusses, einer Diskonti-
rung der im Laufe des Jahres zu erwartenden Einnahmen. Da
aber die Beschaffung dieses Vorschusses in der Form der An-
leihe
erfolgt, so findet der Art. 73 der R.V. Anwendung und
ist alljährlich die gesetzliche Ermächtigung des Reichskanzlers zur
Ausgabe von Schatzscheinen staatsrechtlich nothwendig.

II. Die Reichsanleihen. Da das Deutsche Reich der
Rechtsnachfolger des Norddeutschen Bundes und vermögensrecht-
lich mit ihm identisch ist, so sind alle Schulden des Norddeutschen
Bundes ipso jure auf das Reich übergegangen 1). Die Franzö-
sische Kriegskosten-Entschädigung bot jedoch die Mittel, sowohl die
vom Norddeutschen Bunde zur Bestreitung der Ausgaben für die
Kriegsmarine und die Küstenvertheidigung aufgenommene Anleihe
als auch die Kriegsanleihen des Norddeutschen Bundes vollständig
zu tilgen 2). Nachdem aber die Kriegskosten-Entschädigung aufge-
braucht war, hat das Reich im Wege des Credits fast alljährlich
bedeutende Summen aufgenommen und zwar sowohl in der Form
der Schatzanweisungen mit fester Umlaufszeit als in der Form
der verzinslichen Schuldverschreibungen ohne bestimmten Fälligkeits-
termin 3).

Was die Rechtsgrundsätze über die Reichsanleihen anlangt,
so sind dreierlei Kategorien zu unterscheiden, unter welche die in
den einzelnen Anleihegesetzen des Reiches enthaltenen Bestimmungen
zu bringen sind. Man kann sie einander gegenüberstellen als die
verfassungsrechtlichen, die privatrechtlichen und die verwaltungs-
rechtlichen; die ersteren betreffen die rechtlichen Voraussetzungen,
unter welchen die Reichsregierung eine Anleihe aufnehmen darf;
die zweiten beziehen sich auf das Verhältniß des Reichsfiskus zu den
Darlehnsgläubigern; die dritten haben die Verwaltung der Reichs-

1) Vgl. die vom Präsidenten des Reichskanzleramtes in
der Sitzung des Reichstages v. 7. Dezember 1870 (Stenogr. Berichte S. 132)
abgegebene Erklärung.
2) Reichsges. v. 8. Juli 1872 Art. VI. (R.G.Bl. S. 292) und Reichsges.
v. 28. Oktob. 1871 (R.G.Bl. S. 343). Vgl. Annalen a. a. O. S. 438.
3) Die letztere Form wird in der Terminologie der Reichsgesetzgebung
und im Verkehr speziell mit dem Namen "Reichsanleihe" bezeichnet. Die in
dieser Form aufgenommene Reichsschuld berechnet sich, nach den Erläuterungen
in der Anlage X zum Etatsgesetz für 1882/83, am 1. Oktober 1882 auf etwa
350 Millionen Mark.

§. 109. Die Reichsſchulden.
Deficits, ſondern eines bloßen Kaſſenvorſchuſſes, einer Diskonti-
rung der im Laufe des Jahres zu erwartenden Einnahmen. Da
aber die Beſchaffung dieſes Vorſchuſſes in der Form der An-
leihe
erfolgt, ſo findet der Art. 73 der R.V. Anwendung und
iſt alljährlich die geſetzliche Ermächtigung des Reichskanzlers zur
Ausgabe von Schatzſcheinen ſtaatsrechtlich nothwendig.

II. Die Reichsanleihen. Da das Deutſche Reich der
Rechtsnachfolger des Norddeutſchen Bundes und vermögensrecht-
lich mit ihm identiſch iſt, ſo ſind alle Schulden des Norddeutſchen
Bundes ipso jure auf das Reich übergegangen 1). Die Franzö-
ſiſche Kriegskoſten-Entſchädigung bot jedoch die Mittel, ſowohl die
vom Norddeutſchen Bunde zur Beſtreitung der Ausgaben für die
Kriegsmarine und die Küſtenvertheidigung aufgenommene Anleihe
als auch die Kriegsanleihen des Norddeutſchen Bundes vollſtändig
zu tilgen 2). Nachdem aber die Kriegskoſten-Entſchädigung aufge-
braucht war, hat das Reich im Wege des Credits faſt alljährlich
bedeutende Summen aufgenommen und zwar ſowohl in der Form
der Schatzanweiſungen mit feſter Umlaufszeit als in der Form
der verzinslichen Schuldverſchreibungen ohne beſtimmten Fälligkeits-
termin 3).

Was die Rechtsgrundſätze über die Reichsanleihen anlangt,
ſo ſind dreierlei Kategorien zu unterſcheiden, unter welche die in
den einzelnen Anleihegeſetzen des Reiches enthaltenen Beſtimmungen
zu bringen ſind. Man kann ſie einander gegenüberſtellen als die
verfaſſungsrechtlichen, die privatrechtlichen und die verwaltungs-
rechtlichen; die erſteren betreffen die rechtlichen Vorausſetzungen,
unter welchen die Reichsregierung eine Anleihe aufnehmen darf;
die zweiten beziehen ſich auf das Verhältniß des Reichsfiskus zu den
Darlehnsgläubigern; die dritten haben die Verwaltung der Reichs-

1) Vgl. die vom Präſidenten des Reichskanzleramtes in
der Sitzung des Reichstages v. 7. Dezember 1870 (Stenogr. Berichte S. 132)
abgegebene Erklärung.
2) Reichsgeſ. v. 8. Juli 1872 Art. VI. (R.G.Bl. S. 292) und Reichsgeſ.
v. 28. Oktob. 1871 (R.G.Bl. S. 343). Vgl. Annalen a. a. O. S. 438.
3) Die letztere Form wird in der Terminologie der Reichsgeſetzgebung
und im Verkehr ſpeziell mit dem Namen „Reichsanleihe“ bezeichnet. Die in
dieſer Form aufgenommene Reichsſchuld berechnet ſich, nach den Erläuterungen
in der Anlage X zum Etatsgeſetz für 1882/83, am 1. Oktober 1882 auf etwa
350 Millionen Mark.
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[232/0242] §. 109. Die Reichsſchulden. Deficits, ſondern eines bloßen Kaſſenvorſchuſſes, einer Diskonti- rung der im Laufe des Jahres zu erwartenden Einnahmen. Da aber die Beſchaffung dieſes Vorſchuſſes in der Form der An- leihe erfolgt, ſo findet der Art. 73 der R.V. Anwendung und iſt alljährlich die geſetzliche Ermächtigung des Reichskanzlers zur Ausgabe von Schatzſcheinen ſtaatsrechtlich nothwendig. II. Die Reichsanleihen. Da das Deutſche Reich der Rechtsnachfolger des Norddeutſchen Bundes und vermögensrecht- lich mit ihm identiſch iſt, ſo ſind alle Schulden des Norddeutſchen Bundes ipso jure auf das Reich übergegangen 1). Die Franzö- ſiſche Kriegskoſten-Entſchädigung bot jedoch die Mittel, ſowohl die vom Norddeutſchen Bunde zur Beſtreitung der Ausgaben für die Kriegsmarine und die Küſtenvertheidigung aufgenommene Anleihe als auch die Kriegsanleihen des Norddeutſchen Bundes vollſtändig zu tilgen 2). Nachdem aber die Kriegskoſten-Entſchädigung aufge- braucht war, hat das Reich im Wege des Credits faſt alljährlich bedeutende Summen aufgenommen und zwar ſowohl in der Form der Schatzanweiſungen mit feſter Umlaufszeit als in der Form der verzinslichen Schuldverſchreibungen ohne beſtimmten Fälligkeits- termin 3). Was die Rechtsgrundſätze über die Reichsanleihen anlangt, ſo ſind dreierlei Kategorien zu unterſcheiden, unter welche die in den einzelnen Anleihegeſetzen des Reiches enthaltenen Beſtimmungen zu bringen ſind. Man kann ſie einander gegenüberſtellen als die verfaſſungsrechtlichen, die privatrechtlichen und die verwaltungs- rechtlichen; die erſteren betreffen die rechtlichen Vorausſetzungen, unter welchen die Reichsregierung eine Anleihe aufnehmen darf; die zweiten beziehen ſich auf das Verhältniß des Reichsfiskus zu den Darlehnsgläubigern; die dritten haben die Verwaltung der Reichs- 1) Vgl. die vom Präſidenten des Reichskanzleramtes in der Sitzung des Reichstages v. 7. Dezember 1870 (Stenogr. Berichte S. 132) abgegebene Erklärung. 2) Reichsgeſ. v. 8. Juli 1872 Art. VI. (R.G.Bl. S. 292) und Reichsgeſ. v. 28. Oktob. 1871 (R.G.Bl. S. 343). Vgl. Annalen a. a. O. S. 438. 3) Die letztere Form wird in der Terminologie der Reichsgeſetzgebung und im Verkehr ſpeziell mit dem Namen „Reichsanleihe“ bezeichnet. Die in dieſer Form aufgenommene Reichsſchuld berechnet ſich, nach den Erläuterungen in der Anlage X zum Etatsgeſetz für 1882/83, am 1. Oktober 1882 auf etwa 350 Millionen Mark.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/242>, abgerufen am 22.11.2024.