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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 109. Die Reichsschulden.
zu einem bestimmten Maximalbetrage auszugeben. Die Nothwen-
digkeit dieser vorübergehenden Creditbenutzungen beruht vorzugs-
weise darauf, daß in den Wintermonaten die Ausgaben für das
Militärwesen sehr erheblich den monatlichen Durchschnittsbetrag
übersteigen, während sie in den Sommermonaten unter demselben
zurückbleiben, daß dagegen die Einnahmen aus den Zöllen und
Verbrauchssteuern gerade in den ersten Monaten des Jahres hinter
dem monatlichen Durchschnitt zurückbleiben 1). Sollen daher nicht
die Einzelstaaten der Reichsverwaltung Vorschüsse leisten, so muß
die Reichskasse in die Lage versetzt werden, den zeitweiligen Mehr-
bedarf der Militärverwaltung über die effektiven Einnahmen durch
Anlehen auf kurze Frist zu decken, indem in den Sommermonaten
der reichlichere Eingang der Zölle und Verbrauchssteuern verbun-
den mit dem Minderbedarf der Militärverwaltung der Reichskasse
die Rückzahlung dieser Anleihe ermöglicht.

In ähnlicher Weise ist für die Durchführung des Münzwesens,
für die Vorausanschaffung der Reichseisenbahn-Verwaltungen, für
den Postanweisungs-Verkehr, für den Centralkassen-Verkehr des
Reichs vorübergehend das Bedürfniß nach baaren Betriebsmitteln
in einem höheren Grade als zu anderen Zeiten des Etatsjahres
vorhanden 2). Es wäre unzweckmäßig, die Reichskasse mit einem,
auch für die Zeit des größten Bedürfnisses genügenden Betriebs-
fonds auszustatten, da derselbe das ganze Jahr hindurch Zinsen
kosten würde, während der Schatzanweisungscredit nach dem Maße
des Bedürfnisses in Anspruch genommen werden kann.

Die Schatzanweisungen haben in finanzieller Beziehung recht
eigentlich den Charakter der Verwaltungsschuld und sind geeignet,
den Gegensatz der Verwaltungs- und Finanzschulden sowie die
Tragweite des Art. 73 der R.V. zu veranschaulichen. Alle Aus-
gaben, zu deren Bestreitung diese Schulden contrahirt werden,
finden durch die etatsmäßigen Einnahmen Deckung; könnten alle
Einnahmen und Ausgaben des ganzen Jahres an Einem Tage
erfolgen, so wäre keinerlei Creditoperation erforderlich. Der Vor-
schuß, dessen die Reichskasse bedarf, hat nicht den Charakter eines

1) In den 6 Wintermonaten vom November bis April verbraucht die
Militärverwaltung 5/8 , in den 6 Sommer-Monaten 3/8 ihres Etats.
2) Vgl. die Denkschrift zu dem Entwurf des Etatsgesetzes für 1872, sowie
die Denkschrift zu dem Entwurf des Etatsgesetzes für 1882/83 S. 52 fg.

§. 109. Die Reichsſchulden.
zu einem beſtimmten Maximalbetrage auszugeben. Die Nothwen-
digkeit dieſer vorübergehenden Creditbenutzungen beruht vorzugs-
weiſe darauf, daß in den Wintermonaten die Ausgaben für das
Militärweſen ſehr erheblich den monatlichen Durchſchnittsbetrag
überſteigen, während ſie in den Sommermonaten unter demſelben
zurückbleiben, daß dagegen die Einnahmen aus den Zöllen und
Verbrauchsſteuern gerade in den erſten Monaten des Jahres hinter
dem monatlichen Durchſchnitt zurückbleiben 1). Sollen daher nicht
die Einzelſtaaten der Reichsverwaltung Vorſchüſſe leiſten, ſo muß
die Reichskaſſe in die Lage verſetzt werden, den zeitweiligen Mehr-
bedarf der Militärverwaltung über die effektiven Einnahmen durch
Anlehen auf kurze Friſt zu decken, indem in den Sommermonaten
der reichlichere Eingang der Zölle und Verbrauchsſteuern verbun-
den mit dem Minderbedarf der Militärverwaltung der Reichskaſſe
die Rückzahlung dieſer Anleihe ermöglicht.

In ähnlicher Weiſe iſt für die Durchführung des Münzweſens,
für die Vorausanſchaffung der Reichseiſenbahn-Verwaltungen, für
den Poſtanweiſungs-Verkehr, für den Centralkaſſen-Verkehr des
Reichs vorübergehend das Bedürfniß nach baaren Betriebsmitteln
in einem höheren Grade als zu anderen Zeiten des Etatsjahres
vorhanden 2). Es wäre unzweckmäßig, die Reichskaſſe mit einem,
auch für die Zeit des größten Bedürfniſſes genügenden Betriebs-
fonds auszuſtatten, da derſelbe das ganze Jahr hindurch Zinſen
koſten würde, während der Schatzanweiſungscredit nach dem Maße
des Bedürfniſſes in Anſpruch genommen werden kann.

Die Schatzanweiſungen haben in finanzieller Beziehung recht
eigentlich den Charakter der Verwaltungsſchuld und ſind geeignet,
den Gegenſatz der Verwaltungs- und Finanzſchulden ſowie die
Tragweite des Art. 73 der R.V. zu veranſchaulichen. Alle Aus-
gaben, zu deren Beſtreitung dieſe Schulden contrahirt werden,
finden durch die etatsmäßigen Einnahmen Deckung; könnten alle
Einnahmen und Ausgaben des ganzen Jahres an Einem Tage
erfolgen, ſo wäre keinerlei Creditoperation erforderlich. Der Vor-
ſchuß, deſſen die Reichskaſſe bedarf, hat nicht den Charakter eines

1) In den 6 Wintermonaten vom November bis April verbraucht die
Militärverwaltung ⅝, in den 6 Sommer-Monaten ⅜ ihres Etats.
2) Vgl. die Denkſchrift zu dem Entwurf des Etatsgeſetzes für 1872, ſowie
die Denkſchrift zu dem Entwurf des Etatsgeſetzes für 1882/83 S. 52 fg.
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[231/0241] §. 109. Die Reichsſchulden. zu einem beſtimmten Maximalbetrage auszugeben. Die Nothwen- digkeit dieſer vorübergehenden Creditbenutzungen beruht vorzugs- weiſe darauf, daß in den Wintermonaten die Ausgaben für das Militärweſen ſehr erheblich den monatlichen Durchſchnittsbetrag überſteigen, während ſie in den Sommermonaten unter demſelben zurückbleiben, daß dagegen die Einnahmen aus den Zöllen und Verbrauchsſteuern gerade in den erſten Monaten des Jahres hinter dem monatlichen Durchſchnitt zurückbleiben 1). Sollen daher nicht die Einzelſtaaten der Reichsverwaltung Vorſchüſſe leiſten, ſo muß die Reichskaſſe in die Lage verſetzt werden, den zeitweiligen Mehr- bedarf der Militärverwaltung über die effektiven Einnahmen durch Anlehen auf kurze Friſt zu decken, indem in den Sommermonaten der reichlichere Eingang der Zölle und Verbrauchsſteuern verbun- den mit dem Minderbedarf der Militärverwaltung der Reichskaſſe die Rückzahlung dieſer Anleihe ermöglicht. In ähnlicher Weiſe iſt für die Durchführung des Münzweſens, für die Vorausanſchaffung der Reichseiſenbahn-Verwaltungen, für den Poſtanweiſungs-Verkehr, für den Centralkaſſen-Verkehr des Reichs vorübergehend das Bedürfniß nach baaren Betriebsmitteln in einem höheren Grade als zu anderen Zeiten des Etatsjahres vorhanden 2). Es wäre unzweckmäßig, die Reichskaſſe mit einem, auch für die Zeit des größten Bedürfniſſes genügenden Betriebs- fonds auszuſtatten, da derſelbe das ganze Jahr hindurch Zinſen koſten würde, während der Schatzanweiſungscredit nach dem Maße des Bedürfniſſes in Anſpruch genommen werden kann. Die Schatzanweiſungen haben in finanzieller Beziehung recht eigentlich den Charakter der Verwaltungsſchuld und ſind geeignet, den Gegenſatz der Verwaltungs- und Finanzſchulden ſowie die Tragweite des Art. 73 der R.V. zu veranſchaulichen. Alle Aus- gaben, zu deren Beſtreitung dieſe Schulden contrahirt werden, finden durch die etatsmäßigen Einnahmen Deckung; könnten alle Einnahmen und Ausgaben des ganzen Jahres an Einem Tage erfolgen, ſo wäre keinerlei Creditoperation erforderlich. Der Vor- ſchuß, deſſen die Reichskaſſe bedarf, hat nicht den Charakter eines 1) In den 6 Wintermonaten vom November bis April verbraucht die Militärverwaltung ⅝, in den 6 Sommer-Monaten ⅜ ihres Etats. 2) Vgl. die Denkſchrift zu dem Entwurf des Etatsgeſetzes für 1872, ſowie die Denkſchrift zu dem Entwurf des Etatsgeſetzes für 1882/83 S. 52 fg.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/241>, abgerufen am 22.11.2024.