Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 105. Die Zeugenpflicht. pflicht von Seiten eines ordnungsmäßig geladenen Zeugenhat folgende Wirkungen: a) der ausgebliebene Zeuge ist in die durch das Ausbleiben Diese Strafen haben den Charakter der Ordnungsstrafen zwar entweder auf Anordnung des Vorsitzenden des Gerichtes oder aus eigener Entschließung. Strafproc.O. §§. 213. 220. 221 Abs. 2; und dem Angeklagten steht das Recht zu, Personen auch unmittelbar laden zu lassen, indem er den Gerichtsvollzieher mit der Ladung beauftragt. ebendas. §§. 219. 38. Im Civil- proceß wird die Ladung der Zeugen von dem Gerichtsschreiber unter Bezug- nahme auf den Beweisbeschluß ausgefertigt und von Amtswegen zugestellt. Civilproz.Ordn. §. 342. Die Ladung einer dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Person des Soldatenstandes erfolgt durch Ersuchen der Militärbehörde. Strafproc.O. §. 48 Abs. 2. Civilproc.O. §. 343. Vgl. hierzu die "Feststellung des Begriffs Militärbehörde" im Centralbl. des D. R.1880 S. 480. 1) Dagegen ist eine öftere als zweimalige Bestrafung des Zeugen in dem- selben Prozeß oder wegen desselben Gegenstandes der Befragung ausgeschlossen. In den Kommentaren zur Strafproz.O. wird öfters der "wiederholten" Ladung die "neue Ladung" gegenübergestellt, so daß z. B. ein Zeuge erst zur Vor- untersuchung, dann zur Hauptverhandlung u. s. w. immer von Neuem und jedesmal wiederholt geladen und für sein Ausbleiben bestraft werden könnte. Dadurch würde die Absicht des Gesetzes, die Ungehorsamsfolgen auf ein Ma- ximum zu begränzen, vereitelt werden. Der prozessualische Begriff der Ladung und die Sylbenstecherei, ob eine Ladung eine "neue" oder eine "wiederholte" sei, kann nicht allein entscheiden; es kommt auch auf den Gesichtspunkt an, daß die Zeugenpflicht eine öffentliche Last ist, deren Schwere sich durch die Folgen ihrer Nichterfüllung wesentlich mit bemißt, so daß diese Folgen nicht in das Unbegränzte ausgedehnt werden dürfen. Vgl. Voitus Kontro- versen II. S. 19 ff.. woselbst die Aeußerungen der Kommentatoren mitgetheilt sind. Die richtige Ansicht wird vertreten besonders von Geyer in Holtzen- dorff's Handbuch I. S. 271 und von Bindung Grundriß S. 115, indeß hat der erstere seine Meinung geändert. (Lehrbuch des Strafprozeßrechts S. 513.) 2) Strafproz.Ordn. §. 50 Abs. 1 u. 2. Civilpr.O. §§. 345. 346.
§. 105. Die Zeugenpflicht. pflicht von Seiten eines ordnungsmäßig geladenen Zeugenhat folgende Wirkungen: a) der ausgebliebene Zeuge iſt in die durch das Ausbleiben Dieſe Strafen haben den Charakter der Ordnungsſtrafen zwar entweder auf Anordnung des Vorſitzenden des Gerichtes oder aus eigener Entſchließung. Strafproc.O. §§. 213. 220. 221 Abſ. 2; und dem Angeklagten ſteht das Recht zu, Perſonen auch unmittelbar laden zu laſſen, indem er den Gerichtsvollzieher mit der Ladung beauftragt. ebendaſ. §§. 219. 38. Im Civil- proceß wird die Ladung der Zeugen von dem Gerichtsſchreiber unter Bezug- nahme auf den Beweisbeſchluß ausgefertigt und von Amtswegen zugeſtellt. Civilproz.Ordn. §. 342. Die Ladung einer dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Perſon des Soldatenſtandes erfolgt durch Erſuchen der Militärbehörde. Strafproc.O. §. 48 Abſ. 2. Civilproc.O. §. 343. Vgl. hierzu die „Feſtſtellung des Begriffs Militärbehörde“ im Centralbl. des D. R.1880 S. 480. 1) Dagegen iſt eine öftere als zweimalige Beſtrafung des Zeugen in dem- ſelben Prozeß oder wegen deſſelben Gegenſtandes der Befragung ausgeſchloſſen. In den Kommentaren zur Strafproz.O. wird öfters der „wiederholten“ Ladung die „neue Ladung“ gegenübergeſtellt, ſo daß z. B. ein Zeuge erſt zur Vor- unterſuchung, dann zur Hauptverhandlung u. ſ. w. immer von Neuem und jedesmal wiederholt geladen und für ſein Ausbleiben beſtraft werden könnte. Dadurch würde die Abſicht des Geſetzes, die Ungehorſamsfolgen auf ein Ma- ximum zu begränzen, vereitelt werden. Der prozeſſualiſche Begriff der Ladung und die Sylbenſtecherei, ob eine Ladung eine „neue“ oder eine „wiederholte“ ſei, kann nicht allein entſcheiden; es kommt auch auf den Geſichtspunkt an, daß die Zeugenpflicht eine öffentliche Laſt iſt, deren Schwere ſich durch die Folgen ihrer Nichterfüllung weſentlich mit bemißt, ſo daß dieſe Folgen nicht in das Unbegränzte ausgedehnt werden dürfen. Vgl. Voitus Kontro- verſen II. S. 19 ff.. woſelbſt die Aeußerungen der Kommentatoren mitgetheilt ſind. Die richtige Anſicht wird vertreten beſonders von Geyer in Holtzen- dorff’s Handbuch I. S. 271 und von Bindung Grundriß S. 115, indeß hat der erſtere ſeine Meinung geändert. (Lehrbuch des Strafprozeßrechts S. 513.) 2) Strafproz.Ordn. §. 50 Abſ. 1 u. 2. Civilpr.O. §§. 345. 346.
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§. 105. Die Zeugenpflicht.
pflicht von Seiten eines ordnungsmäßig geladenen Zeugen
hat folgende Wirkungen:
a) der ausgebliebene Zeuge iſt in die durch das Ausbleiben
verurſachten Koſten, ſowie zu einer Geldſtrafe bis zu 300 Mark
und für den Fall, daß dieſe nicht beigetrieben werden kann, zur
Strafe der Haft bis zu 6 Wochen zu verurtheilen. Im Falle
wiederholten Ausbleibens kann die Strafe noch einmal erkannt
werden 1). Eines Antrages auf Verhängung der Strafe bedarf
es auch in Civilprozeſſen nicht. Iſt das Ausbleiben des Zeugen
genügend entſchuldigt, ſo unterbleibt die Verurtheilung in Strafe
und Koſten; erfolgt nachträglich genügende Entſchuldigung, ſo wer-
den die gegen den Zeugen getroffenenen Anordnungen wieder auf-
gehoben 2).
Dieſe Strafen haben den Charakter der Ordnungsſtrafen
4)
1) Dagegen iſt eine öftere als zweimalige Beſtrafung des Zeugen in dem-
ſelben Prozeß oder wegen deſſelben Gegenſtandes der Befragung ausgeſchloſſen.
In den Kommentaren zur Strafproz.O. wird öfters der „wiederholten“ Ladung
die „neue Ladung“ gegenübergeſtellt, ſo daß z. B. ein Zeuge erſt zur Vor-
unterſuchung, dann zur Hauptverhandlung u. ſ. w. immer von Neuem und
jedesmal wiederholt geladen und für ſein Ausbleiben beſtraft werden könnte.
Dadurch würde die Abſicht des Geſetzes, die Ungehorſamsfolgen auf ein Ma-
ximum zu begränzen, vereitelt werden. Der prozeſſualiſche Begriff der Ladung
und die Sylbenſtecherei, ob eine Ladung eine „neue“ oder eine „wiederholte“
ſei, kann nicht allein entſcheiden; es kommt auch auf den Geſichtspunkt an,
daß die Zeugenpflicht eine öffentliche Laſt iſt, deren Schwere ſich durch
die Folgen ihrer Nichterfüllung weſentlich mit bemißt, ſo daß dieſe Folgen
nicht in das Unbegränzte ausgedehnt werden dürfen. Vgl. Voitus Kontro-
verſen II. S. 19 ff.. woſelbſt die Aeußerungen der Kommentatoren mitgetheilt
ſind. Die richtige Anſicht wird vertreten beſonders von Geyer in Holtzen-
dorff’s Handbuch I. S. 271 und von Bindung Grundriß S. 115, indeß hat
der erſtere ſeine Meinung geändert. (Lehrbuch des Strafprozeßrechts S. 513.)
2) Strafproz.Ordn. §. 50 Abſ. 1 u. 2. Civilpr.O. §§. 345. 346.
4) zwar entweder auf Anordnung des Vorſitzenden des Gerichtes oder aus eigener
Entſchließung. Strafproc.O. §§. 213. 220. 221 Abſ. 2; und dem Angeklagten
ſteht das Recht zu, Perſonen auch unmittelbar laden zu laſſen, indem er den
Gerichtsvollzieher mit der Ladung beauftragt. ebendaſ. §§. 219. 38. Im Civil-
proceß wird die Ladung der Zeugen von dem Gerichtsſchreiber unter Bezug-
nahme auf den Beweisbeſchluß ausgefertigt und von Amtswegen zugeſtellt.
Civilproz.Ordn. §. 342. Die Ladung einer dem aktiven Heere oder der aktiven
Marine angehörenden Perſon des Soldatenſtandes erfolgt durch Erſuchen der
Militärbehörde. Strafproc.O. §. 48 Abſ. 2. Civilproc.O. §. 343. Vgl. hierzu
die „Feſtſtellung des Begriffs Militärbehörde“ im Centralbl. des D. R.1880 S. 480.
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