Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 105. Die Zeugenpflicht. a) Die Einzelstaaten sind hinsichtlich des Disciplinarrechts b) Für das Reichsstaatsrecht kömmt ausschließlich das 1) wol aber möglicher Weise durch die landesgesetzlich ausgesprochene gänzliche Aufhebung der älteren Gesetze. 2) Vgl. für Preußen: v. Lilienthal a. a. O. S. 1429, dessen Erörte-
rung auf dem richtigen Prinzip beruht. §. 105. Die Zeugenpflicht. a) Die Einzelſtaaten ſind hinſichtlich des Disciplinarrechts b) Für das Reichsſtaatsrecht kömmt ausſchließlich das 1) wol aber möglicher Weiſe durch die landesgeſetzlich ausgeſprochene gänzliche Aufhebung der älteren Geſetze. 2) Vgl. für Preußen: v. Lilienthal a. a. O. S. 1429, deſſen Erörte-
rung auf dem richtigen Prinzip beruht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0174" n="164"/> <fw place="top" type="header">§. 105. Die Zeugenpflicht.</fw><lb/> <p><hi rendition="#aq">a</hi>) Die <hi rendition="#g">Einzelſtaaten</hi> ſind hinſichtlich des Disciplinarrechts<lb/> völlig autonom und von Reichswegen ungehindert, die Zeugen-<lb/> pflicht für Zwecke der Disciplin einzuführen. Soweit durch ältere<lb/> Geſetze eine Zeugenpflicht und ein Zeugenzwang im Discplinar-<lb/> verfahren begründet war, iſt durch Einführung der Strafprozeß-<lb/> Ordnung Nichts daran geändert worden <note place="foot" n="1)">wol aber möglicher Weiſe durch die landesgeſetzlich ausgeſprochene<lb/><hi rendition="#g">gänzliche</hi> Aufhebung der älteren Geſetze.</note>. Auch ſteht es den<lb/> Einzelſtaaten völlig frei, die Beſtimmungen der Strafproz.-Ordnung<lb/> über die Zeugenpflicht auf das Disciplinarverfahren mit oder ohne<lb/> Veränderungen für anwendbar zu erklären. Ein näheres Eingehen<lb/> auf den Rechtszuſtand, der in dieſer Hinſicht zur Zeit in den ein-<lb/> zelnen Bundesſtaaten beſteht, liegt nicht in unſerer Aufgabe; es<lb/> genügt die Darlegung des Prinzips <note place="foot" n="2)">Vgl. für Preußen: v. <hi rendition="#g">Lilienthal</hi> a. a. O. S. 1429, deſſen Erörte-<lb/> rung auf dem richtigen Prinzip beruht.</note>.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">b</hi>) Für das <hi rendition="#g">Reichsſtaatsrecht</hi> kömmt ausſchließlich das<lb/> Reichsbeamten-Geſetz v. 31. März 1873 in Betracht. Daſſelbe<lb/> enthält zwar keine Vorſchrift, welche ausdrücklich und zweifellos<lb/> die Zeugenpflicht im Disciplinarverfahren ſanctionirt, aus dem<lb/> Zuſammenhange ſeiner Beſtimmungen ergibt ſich dies aber als<lb/> der Wille des Geſetzgebers. Zunächſt iſt ein contradiktoriſches<lb/> Verfahren mit Beweiserhebungen gerade in Disciplinarſachen ohne<lb/> den Zeugenzwang nur ſchwer durchführbar, da es einem wegen<lb/> Verletzung der Dienſtpflicht zur Verantwortung gezogenen Beamten<lb/> verhältnißmäßig leicht gelingen wird, die Belaſtungszeugen zur<lb/> Verweigerung der Ausſage zu beſtimmen, wenn dies von ihrem<lb/> freien Belieben abhängig iſt. Der Geſetzgeber kann daher ver-<lb/> nünftiger Weiſe nicht ein beſtimmt geartetes Disciplinarverfahren<lb/> anordnen, zugleich aber die zur Durchführung deſſelben unentbehr-<lb/> lichen Machtmittel verſagen wollen. Das Reichsbeamten-Geſetz<lb/> enthält ferner mehrfache Beſtimmungen, welche das Recht zum<lb/> Zeugenzwang ſtillſchweigend vorausſetzen. Nach §. 94 werden die<lb/> Zeugen in der Vorunterſuchung vernommen und nach Befinden<lb/> vereidigt; nach §. 96 kann die Staatsanwaltſchaft eine Ergänzung<lb/> der Vorunterſuchung, alſo auch die Vernehmung weiterer Zeugen<lb/> beantragen; nach §. 106 <hi rendition="#g">muß</hi> die Vernehmung der Zeugen auf<lb/> Antrag der Staatsanwaltſchaft oder des Angeſchuldigten in der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0174]
§. 105. Die Zeugenpflicht.
a) Die Einzelſtaaten ſind hinſichtlich des Disciplinarrechts
völlig autonom und von Reichswegen ungehindert, die Zeugen-
pflicht für Zwecke der Disciplin einzuführen. Soweit durch ältere
Geſetze eine Zeugenpflicht und ein Zeugenzwang im Discplinar-
verfahren begründet war, iſt durch Einführung der Strafprozeß-
Ordnung Nichts daran geändert worden 1). Auch ſteht es den
Einzelſtaaten völlig frei, die Beſtimmungen der Strafproz.-Ordnung
über die Zeugenpflicht auf das Disciplinarverfahren mit oder ohne
Veränderungen für anwendbar zu erklären. Ein näheres Eingehen
auf den Rechtszuſtand, der in dieſer Hinſicht zur Zeit in den ein-
zelnen Bundesſtaaten beſteht, liegt nicht in unſerer Aufgabe; es
genügt die Darlegung des Prinzips 2).
b) Für das Reichsſtaatsrecht kömmt ausſchließlich das
Reichsbeamten-Geſetz v. 31. März 1873 in Betracht. Daſſelbe
enthält zwar keine Vorſchrift, welche ausdrücklich und zweifellos
die Zeugenpflicht im Disciplinarverfahren ſanctionirt, aus dem
Zuſammenhange ſeiner Beſtimmungen ergibt ſich dies aber als
der Wille des Geſetzgebers. Zunächſt iſt ein contradiktoriſches
Verfahren mit Beweiserhebungen gerade in Disciplinarſachen ohne
den Zeugenzwang nur ſchwer durchführbar, da es einem wegen
Verletzung der Dienſtpflicht zur Verantwortung gezogenen Beamten
verhältnißmäßig leicht gelingen wird, die Belaſtungszeugen zur
Verweigerung der Ausſage zu beſtimmen, wenn dies von ihrem
freien Belieben abhängig iſt. Der Geſetzgeber kann daher ver-
nünftiger Weiſe nicht ein beſtimmt geartetes Disciplinarverfahren
anordnen, zugleich aber die zur Durchführung deſſelben unentbehr-
lichen Machtmittel verſagen wollen. Das Reichsbeamten-Geſetz
enthält ferner mehrfache Beſtimmungen, welche das Recht zum
Zeugenzwang ſtillſchweigend vorausſetzen. Nach §. 94 werden die
Zeugen in der Vorunterſuchung vernommen und nach Befinden
vereidigt; nach §. 96 kann die Staatsanwaltſchaft eine Ergänzung
der Vorunterſuchung, alſo auch die Vernehmung weiterer Zeugen
beantragen; nach §. 106 muß die Vernehmung der Zeugen auf
Antrag der Staatsanwaltſchaft oder des Angeſchuldigten in der
1) wol aber möglicher Weiſe durch die landesgeſetzlich ausgeſprochene
gänzliche Aufhebung der älteren Geſetze.
2) Vgl. für Preußen: v. Lilienthal a. a. O. S. 1429, deſſen Erörte-
rung auf dem richtigen Prinzip beruht.
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