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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 105. Die Zeugenpflicht.
kannt und hinsichtlich ihres Umfanges und der Art und Weise
ihrer Geltendmachung geregelt worden. Die Einzelstaaten können
in dieser Beziehung das Maß der Zeugenpflicht weder einschränken
noch ausdehnen, da dies eine Abänderung reichsgesetzlicher Anord-
nungen sein würde, wozu die Einzelstaaten außer Stande sind.
Dagegen ist für alle anderen Angelegenheiten, mögen sie zum Ge-
biet der Gerichtsbarkeit gehören oder zu dem der Verwaltung,
mögen sie der Kompetenz der ordentlichen Gerichte zugewiesen oder
anderen Behörden übertragen sein, die Zeugenpflicht der autonomen
Regelung der Einzelstaaten überlassen. Soweit aber nicht durch
Landesgesetze in diesen Sachen eine Zeugenpflicht begründet ist,
besteht eine solche nicht; die Vorschriften der Strafprozeß- und
Civilprozeß-Ordnung finden außerhalb des Gebietes der ordent-
lichen streitigen Gerichtsbarkeit an und für sich 1) keine Anwen-
dung. In allen von den erwähnten Reichsgesetzen nicht berührten
Fällen ist daher lediglich nach dem Partikularrecht der Einzelstaaten
zu beurtheilen, wer zeugenpflichtig ist, in welchen Angelegenheiten
und gegen welche Behörden die Pflicht zur Ablegung des Zeug-
nisses erfüllt werden muß und welche Rechtsfolgen die Nichter-
füllung hat 2).

Da uns hier nur eine Darstellung des Reichsstaatsrechts
obliegt, so fällt dieser ganze Theil der Lehre von der Zeugen-
pflicht, für den es an reichsgesetzlichen Vorschriften gänzlich man-
gelt, außerhalb unserer Aufgabe; wir beschränken uns im Folgen-
den ausschließlich auf die Darstellung der reichsgesetzlich geordneten
Zeugenpflicht.

II. Das Recht auf Erfüllung der Zeugenpflicht.
Es handelt sich hier um die Frage, welche Behörden können die
Ablegung eines Zeugnisses verlangen und in welchen Angelegen-
heiten? Auch hier ist die scharfe Trennung der prozessualischen
und der staatsrechtlichen Seite an die Spitze zu stellen. Der Satz,
daß ein Beamter zur Vernehmung von Zeugen befugt ist, kann
einen doppelten Sinn haben; einen prozessualischen d. h.

1) d. h. wenn sie nicht durch besondere landesgesetzliche Anord-
nung
auch auf andere Angelegenheiten für anwendbar erklärt worden sind.
2) Uebereinstimmend Löwe Note 6 zu §. 51 und Note 1 zu §. 69 der
Strafproz.Ordn. u. v. Lilienthal a. a. O. S. 1428.

§. 105. Die Zeugenpflicht.
kannt und hinſichtlich ihres Umfanges und der Art und Weiſe
ihrer Geltendmachung geregelt worden. Die Einzelſtaaten können
in dieſer Beziehung das Maß der Zeugenpflicht weder einſchränken
noch ausdehnen, da dies eine Abänderung reichsgeſetzlicher Anord-
nungen ſein würde, wozu die Einzelſtaaten außer Stande ſind.
Dagegen iſt für alle anderen Angelegenheiten, mögen ſie zum Ge-
biet der Gerichtsbarkeit gehören oder zu dem der Verwaltung,
mögen ſie der Kompetenz der ordentlichen Gerichte zugewieſen oder
anderen Behörden übertragen ſein, die Zeugenpflicht der autonomen
Regelung der Einzelſtaaten überlaſſen. Soweit aber nicht durch
Landesgeſetze in dieſen Sachen eine Zeugenpflicht begründet iſt,
beſteht eine ſolche nicht; die Vorſchriften der Strafprozeß- und
Civilprozeß-Ordnung finden außerhalb des Gebietes der ordent-
lichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit an und für ſich 1) keine Anwen-
dung. In allen von den erwähnten Reichsgeſetzen nicht berührten
Fällen iſt daher lediglich nach dem Partikularrecht der Einzelſtaaten
zu beurtheilen, wer zeugenpflichtig iſt, in welchen Angelegenheiten
und gegen welche Behörden die Pflicht zur Ablegung des Zeug-
niſſes erfüllt werden muß und welche Rechtsfolgen die Nichter-
füllung hat 2).

Da uns hier nur eine Darſtellung des Reichsſtaatsrechts
obliegt, ſo fällt dieſer ganze Theil der Lehre von der Zeugen-
pflicht, für den es an reichsgeſetzlichen Vorſchriften gänzlich man-
gelt, außerhalb unſerer Aufgabe; wir beſchränken uns im Folgen-
den ausſchließlich auf die Darſtellung der reichsgeſetzlich geordneten
Zeugenpflicht.

II. Das Recht auf Erfüllung der Zeugenpflicht.
Es handelt ſich hier um die Frage, welche Behörden können die
Ablegung eines Zeugniſſes verlangen und in welchen Angelegen-
heiten? Auch hier iſt die ſcharfe Trennung der prozeſſualiſchen
und der ſtaatsrechtlichen Seite an die Spitze zu ſtellen. Der Satz,
daß ein Beamter zur Vernehmung von Zeugen befugt iſt, kann
einen doppelten Sinn haben; einen prozeſſualiſchen d. h.

1) d. h. wenn ſie nicht durch beſondere landesgeſetzliche Anord-
nung
auch auf andere Angelegenheiten für anwendbar erklärt worden ſind.
2) Uebereinſtimmend Löwe Note 6 zu §. 51 und Note 1 zu §. 69 der
Strafproz.Ordn. u. v. Lilienthal a. a. O. S. 1428.
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[157/0167] §. 105. Die Zeugenpflicht. kannt und hinſichtlich ihres Umfanges und der Art und Weiſe ihrer Geltendmachung geregelt worden. Die Einzelſtaaten können in dieſer Beziehung das Maß der Zeugenpflicht weder einſchränken noch ausdehnen, da dies eine Abänderung reichsgeſetzlicher Anord- nungen ſein würde, wozu die Einzelſtaaten außer Stande ſind. Dagegen iſt für alle anderen Angelegenheiten, mögen ſie zum Ge- biet der Gerichtsbarkeit gehören oder zu dem der Verwaltung, mögen ſie der Kompetenz der ordentlichen Gerichte zugewieſen oder anderen Behörden übertragen ſein, die Zeugenpflicht der autonomen Regelung der Einzelſtaaten überlaſſen. Soweit aber nicht durch Landesgeſetze in dieſen Sachen eine Zeugenpflicht begründet iſt, beſteht eine ſolche nicht; die Vorſchriften der Strafprozeß- und Civilprozeß-Ordnung finden außerhalb des Gebietes der ordent- lichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit an und für ſich 1) keine Anwen- dung. In allen von den erwähnten Reichsgeſetzen nicht berührten Fällen iſt daher lediglich nach dem Partikularrecht der Einzelſtaaten zu beurtheilen, wer zeugenpflichtig iſt, in welchen Angelegenheiten und gegen welche Behörden die Pflicht zur Ablegung des Zeug- niſſes erfüllt werden muß und welche Rechtsfolgen die Nichter- füllung hat 2). Da uns hier nur eine Darſtellung des Reichsſtaatsrechts obliegt, ſo fällt dieſer ganze Theil der Lehre von der Zeugen- pflicht, für den es an reichsgeſetzlichen Vorſchriften gänzlich man- gelt, außerhalb unſerer Aufgabe; wir beſchränken uns im Folgen- den ausſchließlich auf die Darſtellung der reichsgeſetzlich geordneten Zeugenpflicht. II. Das Recht auf Erfüllung der Zeugenpflicht. Es handelt ſich hier um die Frage, welche Behörden können die Ablegung eines Zeugniſſes verlangen und in welchen Angelegen- heiten? Auch hier iſt die ſcharfe Trennung der prozeſſualiſchen und der ſtaatsrechtlichen Seite an die Spitze zu ſtellen. Der Satz, daß ein Beamter zur Vernehmung von Zeugen befugt iſt, kann einen doppelten Sinn haben; einen prozeſſualiſchen d. h. 1) d. h. wenn ſie nicht durch beſondere landesgeſetzliche Anord- nung auch auf andere Angelegenheiten für anwendbar erklärt worden ſind. 2) Uebereinſtimmend Löwe Note 6 zu §. 51 und Note 1 zu §. 69 der Strafproz.Ordn. u. v. Lilienthal a. a. O. S. 1428.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/167>, abgerufen am 21.11.2024.