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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 96. Einleitung.
richt demselben Bundesstaate oder ob sie verschiedenen Bundes-
staaten angehören 1); daß das Ersuchen direct von Gericht zu Ge-
richt ergeht 2); daß die in einem Bundesstaate ergangenen rechts-
kräftigen Erkenntnisse im ganzen Bundesgebiete vollstreckbar sind 3)
und daß das in einem Bundesstaate eröffnete Konkursverfahren in
Bezug auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen und in Be-
treff der Beschränkungen der Verfügungs- und Verwaltungsrechte
des Gemeinschuldners seine Wirkung in dem gesammten Bundes-
gebiete äußert 4). Aber auch in Strafsachen wurde im Prinzip
die Verpflichtung zur Rechtshülfe unter allen Gerichten des Bundes
anerkannt 5), eine sehr ausgedehnte Pflicht zur Auslieferung ein-
geführt, die sich auch auf die eigenen Angehörigen des ersuchten
Staates erstreckt 6), die Nacheile der Sicherheitsbeamten in be-
nachbarte Staatsgebiete gestattet 7), ja sogar den Gerichten die
Pflicht zur Vollstreckung der in einem anderen Bundesstaate er-
lassenen Strafurtheile in nicht unerheblichem Umfange auferlegt 8).

Nachdem im Wege des Vertrages die Anwendung dieses Ge-
setzes auf Baden und Südhessen ausgedehnt worden war 9), er-
folgte bei der Gründung des Reiches die Erklärung desselben zum
Reichsgesetz. Im Deutschen Reich waren daher von Anfang an
die Einzelstaaten in Betreff der Ausübung der Gerichtsbarkeit in
eine viel innigere Wechselbeziehung zu einander gesetzt als bei
Gründung des Norddeutschen Bundes; sie waren reichsgesetzlich
verpflichtet, ihre Hoheitsrechte behufs Durchführung des Rechts-
schutzes einander zur Verfügung zu stellen und in weitreichendem
Umfange die gerichtlichen Beschlüsse, Entscheidungen und Urteile
gegenseitig anzuerkennen und zu vollstrecken. War formell auch
die Gerichtsbarkeit ein Recht der Bundesstaaten und als solches
in seiner Ausübung auf das Gebiet des einzelnen Staates be-

1) Rechtshülfe-Ges. §. 1.
2) §. 2 das.
3) §. 7 ff. das.
4) §. 13 das.
5) §. 20 das.
6) §. 21 ff. das.
7) §. 30 das.
8) §. 33 das.
9) Bundes-Ges. Bl. 1870 S. 67 ff. 607 ff.

§. 96. Einleitung.
richt demſelben Bundesſtaate oder ob ſie verſchiedenen Bundes-
ſtaaten angehören 1); daß das Erſuchen direct von Gericht zu Ge-
richt ergeht 2); daß die in einem Bundesſtaate ergangenen rechts-
kräftigen Erkenntniſſe im ganzen Bundesgebiete vollſtreckbar ſind 3)
und daß das in einem Bundesſtaate eröffnete Konkursverfahren in
Bezug auf das zur Konkursmaſſe gehörige Vermögen und in Be-
treff der Beſchränkungen der Verfügungs- und Verwaltungsrechte
des Gemeinſchuldners ſeine Wirkung in dem geſammten Bundes-
gebiete äußert 4). Aber auch in Strafſachen wurde im Prinzip
die Verpflichtung zur Rechtshülfe unter allen Gerichten des Bundes
anerkannt 5), eine ſehr ausgedehnte Pflicht zur Auslieferung ein-
geführt, die ſich auch auf die eigenen Angehörigen des erſuchten
Staates erſtreckt 6), die Nacheile der Sicherheitsbeamten in be-
nachbarte Staatsgebiete geſtattet 7), ja ſogar den Gerichten die
Pflicht zur Vollſtreckung der in einem anderen Bundesſtaate er-
laſſenen Strafurtheile in nicht unerheblichem Umfange auferlegt 8).

Nachdem im Wege des Vertrages die Anwendung dieſes Ge-
ſetzes auf Baden und Südheſſen ausgedehnt worden war 9), er-
folgte bei der Gründung des Reiches die Erklärung deſſelben zum
Reichsgeſetz. Im Deutſchen Reich waren daher von Anfang an
die Einzelſtaaten in Betreff der Ausübung der Gerichtsbarkeit in
eine viel innigere Wechſelbeziehung zu einander geſetzt als bei
Gründung des Norddeutſchen Bundes; ſie waren reichsgeſetzlich
verpflichtet, ihre Hoheitsrechte behufs Durchführung des Rechts-
ſchutzes einander zur Verfügung zu ſtellen und in weitreichendem
Umfange die gerichtlichen Beſchlüſſe, Entſcheidungen und Urteile
gegenſeitig anzuerkennen und zu vollſtrecken. War formell auch
die Gerichtsbarkeit ein Recht der Bundesſtaaten und als ſolches
in ſeiner Ausübung auf das Gebiet des einzelnen Staates be-

1) Rechtshülfe-Geſ. §. 1.
2) §. 2 daſ.
3) §. 7 ff. daſ.
4) §. 13 daſ.
5) §. 20 daſ.
6) §. 21 ff. daſ.
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[6/0016] §. 96. Einleitung. richt demſelben Bundesſtaate oder ob ſie verſchiedenen Bundes- ſtaaten angehören 1); daß das Erſuchen direct von Gericht zu Ge- richt ergeht 2); daß die in einem Bundesſtaate ergangenen rechts- kräftigen Erkenntniſſe im ganzen Bundesgebiete vollſtreckbar ſind 3) und daß das in einem Bundesſtaate eröffnete Konkursverfahren in Bezug auf das zur Konkursmaſſe gehörige Vermögen und in Be- treff der Beſchränkungen der Verfügungs- und Verwaltungsrechte des Gemeinſchuldners ſeine Wirkung in dem geſammten Bundes- gebiete äußert 4). Aber auch in Strafſachen wurde im Prinzip die Verpflichtung zur Rechtshülfe unter allen Gerichten des Bundes anerkannt 5), eine ſehr ausgedehnte Pflicht zur Auslieferung ein- geführt, die ſich auch auf die eigenen Angehörigen des erſuchten Staates erſtreckt 6), die Nacheile der Sicherheitsbeamten in be- nachbarte Staatsgebiete geſtattet 7), ja ſogar den Gerichten die Pflicht zur Vollſtreckung der in einem anderen Bundesſtaate er- laſſenen Strafurtheile in nicht unerheblichem Umfange auferlegt 8). Nachdem im Wege des Vertrages die Anwendung dieſes Ge- ſetzes auf Baden und Südheſſen ausgedehnt worden war 9), er- folgte bei der Gründung des Reiches die Erklärung deſſelben zum Reichsgeſetz. Im Deutſchen Reich waren daher von Anfang an die Einzelſtaaten in Betreff der Ausübung der Gerichtsbarkeit in eine viel innigere Wechſelbeziehung zu einander geſetzt als bei Gründung des Norddeutſchen Bundes; ſie waren reichsgeſetzlich verpflichtet, ihre Hoheitsrechte behufs Durchführung des Rechts- ſchutzes einander zur Verfügung zu ſtellen und in weitreichendem Umfange die gerichtlichen Beſchlüſſe, Entſcheidungen und Urteile gegenſeitig anzuerkennen und zu vollſtrecken. War formell auch die Gerichtsbarkeit ein Recht der Bundesſtaaten und als ſolches in ſeiner Ausübung auf das Gebiet des einzelnen Staates be- 1) Rechtshülfe-Geſ. §. 1. 2) §. 2 daſ. 3) §. 7 ff. daſ. 4) §. 13 daſ. 5) §. 20 daſ. 6) §. 21 ff. daſ. 7) §. 30 daſ. 8) §. 33 daſ. 9) Bundes-Geſ. Bl. 1870 S. 67 ff. 607 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/16>, abgerufen am 22.11.2024.