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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 104. Der Gerichtsdienst.
den, wenn nachträglich genügende Entschuldigung stattfindet 1). Dem
Verurtheilten steht das Rechtsmittel der Beschwerde nach den Vor-
schriften der Strafprozeß-Ordnung zu 2).

b) Die Vorspiegelung unwahrer Thatsachen als Ent-
schuldigung um sich dem Dienst als Geschworener oder Schöffe zu
entziehen, bildet den Thatbestand eines Vergehens und ist mit
Gefängniß bis zu zwei Monaten bedroht 3). Die Zuständigkeit
des Gerichts und das Verfahren bestimmen sich nach den Vor-
schriften der Strafprozeß-Ordnung.

II. Der berufsmäßige Justizdienst.

Die Regeln, welche im Allgemeinen für das Staatsbeamten-
Verhältniß gelten, finden auch auf die Justizbeamten Anwendung;
die im Reichsdienst angestellten Justizbeamten stehen daher unter
den Vorschriften des Gesetzes v. 31. März 1873, die Landesjustiz-
beamten unter den partikulären Gesetzen über die Rechtsverhält-
nisse der Staatsdiener. Das Reich hat in dieser Beziehung die
Autonomie der Einzelstaaten nicht beschränkt und die fortdauernde
Vielgestaltigkeit der Dienstverhältnisse der Justizbeamten im Reich
zugelassen. Es ist dies ein staatsrechtlich sehr bedeutsamer Unter-
schied zwischen der Regelung des Gerichtswesens und derjenigen
des Militärwesens. Während die den Einzelstaaten gelassene Kon-
tingentsherrlichkeit nicht als ein Hinderniß angesehen worden ist,
die Dienstverhältnisse der Offiziere und Militärbeamten materiell
ganz gleichmäßig für sämmtliche Staaten und Kontingente zu re-
geln, wurde es als ein in der Gerichtsherrlichkeit oder Justizhoheit
der einzelnen Staaten begründetes Recht derselben erachtet, daß
ihnen die rechtliche Normirung der Dienstverhältnisse der Justiz-
beamten überlassen bleibe 4). Nur die Form, in welcher sich

1) Die Zurücknahme erfolgt von denselben Richtern; ist die Sitzungsperiode
des Schwurgerichts geschlossen, durch die Strafkammer des Landgerichts. Ge-
richtsverf.Ges. §. 82.
2) Gerichtsverf.Ges. §. 56. 96 Abs. 2.
3) Strafgesetzb. §. 138.
4) Vgl. die Verhandlungen des Reichstages v. 18. Nov. 1876. Stenogr.
Berichte S. 179 ff. (Hahn S. 1121 ff.) Die realen Gründe des Unterschiedes
bestehen theils darin, daß eine volle Gleichmäßigkeit der militärischen Ein-
richtungen durchgeführt werden sollte, die für die gerichtlichen Einrichtungen

§. 104. Der Gerichtsdienſt.
den, wenn nachträglich genügende Entſchuldigung ſtattfindet 1). Dem
Verurtheilten ſteht das Rechtsmittel der Beſchwerde nach den Vor-
ſchriften der Strafprozeß-Ordnung zu 2).

b) Die Vorſpiegelung unwahrer Thatſachen als Ent-
ſchuldigung um ſich dem Dienſt als Geſchworener oder Schöffe zu
entziehen, bildet den Thatbeſtand eines Vergehens und iſt mit
Gefängniß bis zu zwei Monaten bedroht 3). Die Zuſtändigkeit
des Gerichts und das Verfahren beſtimmen ſich nach den Vor-
ſchriften der Strafprozeß-Ordnung.

II. Der berufsmäßige Juſtizdienſt.

Die Regeln, welche im Allgemeinen für das Staatsbeamten-
Verhältniß gelten, finden auch auf die Juſtizbeamten Anwendung;
die im Reichsdienſt angeſtellten Juſtizbeamten ſtehen daher unter
den Vorſchriften des Geſetzes v. 31. März 1873, die Landesjuſtiz-
beamten unter den partikulären Geſetzen über die Rechtsverhält-
niſſe der Staatsdiener. Das Reich hat in dieſer Beziehung die
Autonomie der Einzelſtaaten nicht beſchränkt und die fortdauernde
Vielgeſtaltigkeit der Dienſtverhältniſſe der Juſtizbeamten im Reich
zugelaſſen. Es iſt dies ein ſtaatsrechtlich ſehr bedeutſamer Unter-
ſchied zwiſchen der Regelung des Gerichtsweſens und derjenigen
des Militärweſens. Während die den Einzelſtaaten gelaſſene Kon-
tingentsherrlichkeit nicht als ein Hinderniß angeſehen worden iſt,
die Dienſtverhältniſſe der Offiziere und Militärbeamten materiell
ganz gleichmäßig für ſämmtliche Staaten und Kontingente zu re-
geln, wurde es als ein in der Gerichtsherrlichkeit oder Juſtizhoheit
der einzelnen Staaten begründetes Recht derſelben erachtet, daß
ihnen die rechtliche Normirung der Dienſtverhältniſſe der Juſtiz-
beamten überlaſſen bleibe 4). Nur die Form, in welcher ſich

1) Die Zurücknahme erfolgt von denſelben Richtern; iſt die Sitzungsperiode
des Schwurgerichts geſchloſſen, durch die Strafkammer des Landgerichts. Ge-
richtsverf.Geſ. §. 82.
2) Gerichtsverf.Geſ. §. 56. 96 Abſ. 2.
3) Strafgeſetzb. §. 138.
4) Vgl. die Verhandlungen des Reichstages v. 18. Nov. 1876. Stenogr.
Berichte S. 179 ff. (Hahn S. 1121 ff.) Die realen Gründe des Unterſchiedes
beſtehen theils darin, daß eine volle Gleichmäßigkeit der militäriſchen Ein-
richtungen durchgeführt werden ſollte, die für die gerichtlichen Einrichtungen
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[142/0152] §. 104. Der Gerichtsdienſt. den, wenn nachträglich genügende Entſchuldigung ſtattfindet 1). Dem Verurtheilten ſteht das Rechtsmittel der Beſchwerde nach den Vor- ſchriften der Strafprozeß-Ordnung zu 2). b) Die Vorſpiegelung unwahrer Thatſachen als Ent- ſchuldigung um ſich dem Dienſt als Geſchworener oder Schöffe zu entziehen, bildet den Thatbeſtand eines Vergehens und iſt mit Gefängniß bis zu zwei Monaten bedroht 3). Die Zuſtändigkeit des Gerichts und das Verfahren beſtimmen ſich nach den Vor- ſchriften der Strafprozeß-Ordnung. II. Der berufsmäßige Juſtizdienſt. Die Regeln, welche im Allgemeinen für das Staatsbeamten- Verhältniß gelten, finden auch auf die Juſtizbeamten Anwendung; die im Reichsdienſt angeſtellten Juſtizbeamten ſtehen daher unter den Vorſchriften des Geſetzes v. 31. März 1873, die Landesjuſtiz- beamten unter den partikulären Geſetzen über die Rechtsverhält- niſſe der Staatsdiener. Das Reich hat in dieſer Beziehung die Autonomie der Einzelſtaaten nicht beſchränkt und die fortdauernde Vielgeſtaltigkeit der Dienſtverhältniſſe der Juſtizbeamten im Reich zugelaſſen. Es iſt dies ein ſtaatsrechtlich ſehr bedeutſamer Unter- ſchied zwiſchen der Regelung des Gerichtsweſens und derjenigen des Militärweſens. Während die den Einzelſtaaten gelaſſene Kon- tingentsherrlichkeit nicht als ein Hinderniß angeſehen worden iſt, die Dienſtverhältniſſe der Offiziere und Militärbeamten materiell ganz gleichmäßig für ſämmtliche Staaten und Kontingente zu re- geln, wurde es als ein in der Gerichtsherrlichkeit oder Juſtizhoheit der einzelnen Staaten begründetes Recht derſelben erachtet, daß ihnen die rechtliche Normirung der Dienſtverhältniſſe der Juſtiz- beamten überlaſſen bleibe 4). Nur die Form, in welcher ſich 1) Die Zurücknahme erfolgt von denſelben Richtern; iſt die Sitzungsperiode des Schwurgerichts geſchloſſen, durch die Strafkammer des Landgerichts. Ge- richtsverf.Geſ. §. 82. 2) Gerichtsverf.Geſ. §. 56. 96 Abſ. 2. 3) Strafgeſetzb. §. 138. 4) Vgl. die Verhandlungen des Reichstages v. 18. Nov. 1876. Stenogr. Berichte S. 179 ff. (Hahn S. 1121 ff.) Die realen Gründe des Unterſchiedes beſtehen theils darin, daß eine volle Gleichmäßigkeit der militäriſchen Ein- richtungen durchgeführt werden ſollte, die für die gerichtlichen Einrichtungen

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/152>, abgerufen am 21.11.2024.