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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 104. Der Gerichtsdienst.

4. Entscheidung über die Dienstpflicht.

a) Die Urliste. Der Vorsteher einer jeden Gemeinde (oder
Gemeindeverbandes) hat alljährlich ein Verzeichniß aller in der
Gemeinde wohnhaften Personen anzufertigen, welche zu dem Amte
eines Schöffen oder Geschworenen berufen werden können. In
dieser der Rekrutirungs-Stammrolle vergleichbaren Urliste sind
demnach alle Gemeinde-Mitglieder aufzuführen, welche nicht gesetz-
lich als unfähig (§. 32), untauglich (§. 33) oder unverwendbar
(§. 34) zum Schöffen- und Geschwornen-Dienst bezeichnet sind. Die
Urliste ist in der Gemeinde eine Woche lang zu Jedermanns Ein-
sicht auszulegen, nachdem der Zeitpunkt der Auslegung vorher
öffentlich bekannt gemacht worden ist 1). Innerhalb dieser Frist
kann von Jedem 2) gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit der
Liste schriftlich oder zu Protokoll Einsprache erhoben werden; das
Begehren kann auf Streichung oder auf Hinzufügung von Per-
sonen oder auf Berichtigung in der Bezeichnung der eingetragenen
Personen gerichtet sein. Der Gemeindevorsteher sendet die Urliste
nebst den erhobenen Einsprachen und den ihm erforderlich erschei-
nenden Bemerkungen an den Amtsrichter des Bezirks und benach-
richtigt denselben von den nach Absendung der Urliste etwa er-
forderlich werdenden Berichtigungen. Der Amtsrichter stellt die
Urlisten des Bezirks zusammen; er prüft, ob die öffentliche Be-
kanntmachung und Offenlegung stattgefunden hat und veranlaßt
die Abstellung etwaiger Mängel 3).

b) Die Dienstlisten. Zur Entscheidung über die gegen
die Urliste erhobenen Einsprachen und zur Auswahl der Personen,
welche als Schöffen und Geschworene einzuberufen sind, tritt bei
dem Amtsgericht alljährlich ein Ausschuß zusammen, der aus dem
Amtsrichter als Vorsitzenden, einem Staatsverwaltungsbeamten
und sieben aus den Einwohnern des Amtsgerichtsbezirks gewählten
Vertrauensmännern besteht 4). Er bietet eine gewisse Analogie

1) Die näheren Anordnungen über die Art der Auslegung und Bekannt-
machung sind den Einzelstaaten überlassen. Löwe Note 3 zu §. 36 des G.V.G.
2) Auch von demjenigen, der nicht gerichtsdienstpflichtig ist. Vgl. Motive S. 82.
Seuffert S. 2. Keller S. 65. Löwe Note 1 zu §. 37 des G.V.G.
3) Gerichtsverf.Ges. §. 36--39. §. 85 Abs. 1.
4) Der Verwaltungsbeamte wird von der Landes-Regierung ernannt; die
Wahl der Vertrauensmänner erfolgt nach Anordnung der Landesgesetze durch
§. 104. Der Gerichtsdienſt.

4. Entſcheidung über die Dienſtpflicht.

a) Die Urliſte. Der Vorſteher einer jeden Gemeinde (oder
Gemeindeverbandes) hat alljährlich ein Verzeichniß aller in der
Gemeinde wohnhaften Perſonen anzufertigen, welche zu dem Amte
eines Schöffen oder Geſchworenen berufen werden können. In
dieſer der Rekrutirungs-Stammrolle vergleichbaren Urliſte ſind
demnach alle Gemeinde-Mitglieder aufzuführen, welche nicht geſetz-
lich als unfähig (§. 32), untauglich (§. 33) oder unverwendbar
(§. 34) zum Schöffen- und Geſchwornen-Dienſt bezeichnet ſind. Die
Urliſte iſt in der Gemeinde eine Woche lang zu Jedermanns Ein-
ſicht auszulegen, nachdem der Zeitpunkt der Auslegung vorher
öffentlich bekannt gemacht worden iſt 1). Innerhalb dieſer Friſt
kann von Jedem 2) gegen die Richtigkeit oder Vollſtändigkeit der
Liſte ſchriftlich oder zu Protokoll Einſprache erhoben werden; das
Begehren kann auf Streichung oder auf Hinzufügung von Per-
ſonen oder auf Berichtigung in der Bezeichnung der eingetragenen
Perſonen gerichtet ſein. Der Gemeindevorſteher ſendet die Urliſte
nebſt den erhobenen Einſprachen und den ihm erforderlich erſchei-
nenden Bemerkungen an den Amtsrichter des Bezirks und benach-
richtigt denſelben von den nach Abſendung der Urliſte etwa er-
forderlich werdenden Berichtigungen. Der Amtsrichter ſtellt die
Urliſten des Bezirks zuſammen; er prüft, ob die öffentliche Be-
kanntmachung und Offenlegung ſtattgefunden hat und veranlaßt
die Abſtellung etwaiger Mängel 3).

b) Die Dienſtliſten. Zur Entſcheidung über die gegen
die Urliſte erhobenen Einſprachen und zur Auswahl der Perſonen,
welche als Schöffen und Geſchworene einzuberufen ſind, tritt bei
dem Amtsgericht alljährlich ein Ausſchuß zuſammen, der aus dem
Amtsrichter als Vorſitzenden, einem Staatsverwaltungsbeamten
und ſieben aus den Einwohnern des Amtsgerichtsbezirks gewählten
Vertrauensmännern beſteht 4). Er bietet eine gewiſſe Analogie

1) Die näheren Anordnungen über die Art der Auslegung und Bekannt-
machung ſind den Einzelſtaaten überlaſſen. Löwe Note 3 zu §. 36 des G.V.G.
2) Auch von demjenigen, der nicht gerichtsdienſtpflichtig iſt. Vgl. Motive S. 82.
Seuffert S. 2. Keller S. 65. Löwe Note 1 zu §. 37 des G.V.G.
3) Gerichtsverf.Geſ. §. 36—39. §. 85 Abſ. 1.
4) Der Verwaltungsbeamte wird von der Landes-Regierung ernannt; die
Wahl der Vertrauensmänner erfolgt nach Anordnung der Landesgeſetze durch
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[132/0142] §. 104. Der Gerichtsdienſt. 4. Entſcheidung über die Dienſtpflicht. a) Die Urliſte. Der Vorſteher einer jeden Gemeinde (oder Gemeindeverbandes) hat alljährlich ein Verzeichniß aller in der Gemeinde wohnhaften Perſonen anzufertigen, welche zu dem Amte eines Schöffen oder Geſchworenen berufen werden können. In dieſer der Rekrutirungs-Stammrolle vergleichbaren Urliſte ſind demnach alle Gemeinde-Mitglieder aufzuführen, welche nicht geſetz- lich als unfähig (§. 32), untauglich (§. 33) oder unverwendbar (§. 34) zum Schöffen- und Geſchwornen-Dienſt bezeichnet ſind. Die Urliſte iſt in der Gemeinde eine Woche lang zu Jedermanns Ein- ſicht auszulegen, nachdem der Zeitpunkt der Auslegung vorher öffentlich bekannt gemacht worden iſt 1). Innerhalb dieſer Friſt kann von Jedem 2) gegen die Richtigkeit oder Vollſtändigkeit der Liſte ſchriftlich oder zu Protokoll Einſprache erhoben werden; das Begehren kann auf Streichung oder auf Hinzufügung von Per- ſonen oder auf Berichtigung in der Bezeichnung der eingetragenen Perſonen gerichtet ſein. Der Gemeindevorſteher ſendet die Urliſte nebſt den erhobenen Einſprachen und den ihm erforderlich erſchei- nenden Bemerkungen an den Amtsrichter des Bezirks und benach- richtigt denſelben von den nach Abſendung der Urliſte etwa er- forderlich werdenden Berichtigungen. Der Amtsrichter ſtellt die Urliſten des Bezirks zuſammen; er prüft, ob die öffentliche Be- kanntmachung und Offenlegung ſtattgefunden hat und veranlaßt die Abſtellung etwaiger Mängel 3). b) Die Dienſtliſten. Zur Entſcheidung über die gegen die Urliſte erhobenen Einſprachen und zur Auswahl der Perſonen, welche als Schöffen und Geſchworene einzuberufen ſind, tritt bei dem Amtsgericht alljährlich ein Ausſchuß zuſammen, der aus dem Amtsrichter als Vorſitzenden, einem Staatsverwaltungsbeamten und ſieben aus den Einwohnern des Amtsgerichtsbezirks gewählten Vertrauensmännern beſteht 4). Er bietet eine gewiſſe Analogie 1) Die näheren Anordnungen über die Art der Auslegung und Bekannt- machung ſind den Einzelſtaaten überlaſſen. Löwe Note 3 zu §. 36 des G.V.G. 2) Auch von demjenigen, der nicht gerichtsdienſtpflichtig iſt. Vgl. Motive S. 82. Seuffert S. 2. Keller S. 65. Löwe Note 1 zu §. 37 des G.V.G. 3) Gerichtsverf.Geſ. §. 36—39. §. 85 Abſ. 1. 4) Der Verwaltungsbeamte wird von der Landes-Regierung ernannt; die Wahl der Vertrauensmänner erfolgt nach Anordnung der Landesgeſetze durch

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/142>, abgerufen am 23.11.2024.