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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 102. Die Staatsanwaltschaft.
barkeit und den anderen Gebieten der Rechtspflege. Die Thätig-
keit der Staatsanwaltschaft ist nur auf ersterem reichsgesetzlich
geregelt und deshalb auch nur hier die Organisation und Glie-
derung der Staatsanwaltschaft in ihren Grundzügen vom Gerichts-
verfassungsgesetz vorgezeichnet worden; auf den übrigen Gebieten
der Gerichtsbarkeit können die Einzelstaaten sowohl die materiellen
Amtsverrichtungen und Obliegenheiten der Staatsanwälte als auch
die Einrichtung der Staatsanwaltschaft nach Belieben normiren.
Die Autonomie der Einzelstaaten ist auf diesen Gebieten eine
völlig freie und demgemäß sind die kraft dieser Autonomie getrof-
fenen Anordnungen und Einrichtungen kein Gegenstand des Reichs-
staatsrechts; auf dem Gebiete der ordentlichen streitigen Gerichts-
barkeit dagegen sind die Einzelstaaten auch hinsichtlich der Staats-
anwaltschaften ziemlich beengenden Vorschriften unterworfen.

II. Die Uebereinstimmung in der Gliederung der Gerichte und
der Staatsanwaltschaften und das in den Prozeßordnungen geregelte
Zusammenwirken beider Behörden ist reichsgesetzlich gewährleistet
durch das im §. 142 des Gerichtsverf.Ges. ausgesprochene Princip:
"Bei jedem Gerichte soll eine Staatsanwalt-
schaft bestehen
." Es ist nun im vorhergehenden Paragraphen
dargelegt worden, daß das Wort Gericht einen doppelten Sinn
hat, einen prozeßrechtlichen und einen staatsrechtlichen (verwaltungs-
rechtlichen). Diese Unterscheidung kehrt auch bei der Staatsan-
waltschaft wieder. Die behördliche Organisation der Staats-
anwaltschaft folgt der Gliederung der Gerichtsbehörden; das
staatsanwaltschaftliche Amt dagegen wird ausgeübt bei den be-
schließenden und erkennenden Spruchgerichten. In letzterer Hin-
sicht bemerken die Motive S. 163 (Hahn S. 147): "Die sach-
liche Zuständigkeit der verschiedenen Organe der Staatsanwaltschaft
bestimmt sich nach der Zuständigkeit desjenigen Gerichts, welchem
das Organ der Staatsanwaltschaft zugetheilt ist. Maßgebend sind
diejenigen Normen, welche die Zuständigkeit der erkennenden
Gerichte regeln." Dagegen entspricht der vierfachen Abstufung der
Gerichte in Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht und Reichs-
gericht eine vierfache Gliederung der Staatsanwaltschaft 1) und die

1) Gerichtsverf.Ges. §. 143. Indem das Gesetz hier neben den Amtsge-
richten die Schöffengerichte und neben den Landgerichten die Schwurgerichte

§. 102. Die Staatsanwaltſchaft.
barkeit und den anderen Gebieten der Rechtspflege. Die Thätig-
keit der Staatsanwaltſchaft iſt nur auf erſterem reichsgeſetzlich
geregelt und deshalb auch nur hier die Organiſation und Glie-
derung der Staatsanwaltſchaft in ihren Grundzügen vom Gerichts-
verfaſſungsgeſetz vorgezeichnet worden; auf den übrigen Gebieten
der Gerichtsbarkeit können die Einzelſtaaten ſowohl die materiellen
Amtsverrichtungen und Obliegenheiten der Staatsanwälte als auch
die Einrichtung der Staatsanwaltſchaft nach Belieben normiren.
Die Autonomie der Einzelſtaaten iſt auf dieſen Gebieten eine
völlig freie und demgemäß ſind die kraft dieſer Autonomie getrof-
fenen Anordnungen und Einrichtungen kein Gegenſtand des Reichs-
ſtaatsrechts; auf dem Gebiete der ordentlichen ſtreitigen Gerichts-
barkeit dagegen ſind die Einzelſtaaten auch hinſichtlich der Staats-
anwaltſchaften ziemlich beengenden Vorſchriften unterworfen.

II. Die Uebereinſtimmung in der Gliederung der Gerichte und
der Staatsanwaltſchaften und das in den Prozeßordnungen geregelte
Zuſammenwirken beider Behörden iſt reichsgeſetzlich gewährleiſtet
durch das im §. 142 des Gerichtsverf.Geſ. ausgeſprochene Princip:
Bei jedem Gerichte ſoll eine Staatsanwalt-
ſchaft beſtehen
.“ Es iſt nun im vorhergehenden Paragraphen
dargelegt worden, daß das Wort Gericht einen doppelten Sinn
hat, einen prozeßrechtlichen und einen ſtaatsrechtlichen (verwaltungs-
rechtlichen). Dieſe Unterſcheidung kehrt auch bei der Staatsan-
waltſchaft wieder. Die behördliche Organiſation der Staats-
anwaltſchaft folgt der Gliederung der Gerichtsbehörden; das
ſtaatsanwaltſchaftliche Amt dagegen wird ausgeübt bei den be-
ſchließenden und erkennenden Spruchgerichten. In letzterer Hin-
ſicht bemerken die Motive S. 163 (Hahn S. 147): „Die ſach-
liche Zuſtändigkeit der verſchiedenen Organe der Staatsanwaltſchaft
beſtimmt ſich nach der Zuſtändigkeit desjenigen Gerichts, welchem
das Organ der Staatsanwaltſchaft zugetheilt iſt. Maßgebend ſind
diejenigen Normen, welche die Zuſtändigkeit der erkennenden
Gerichte regeln.“ Dagegen entſpricht der vierfachen Abſtufung der
Gerichte in Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht und Reichs-
gericht eine vierfache Gliederung der Staatsanwaltſchaft 1) und die

1) Gerichtsverf.Geſ. §. 143. Indem das Geſetz hier neben den Amtsge-
richten die Schöffengerichte und neben den Landgerichten die Schwurgerichte
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[98/0108] §. 102. Die Staatsanwaltſchaft. barkeit und den anderen Gebieten der Rechtspflege. Die Thätig- keit der Staatsanwaltſchaft iſt nur auf erſterem reichsgeſetzlich geregelt und deshalb auch nur hier die Organiſation und Glie- derung der Staatsanwaltſchaft in ihren Grundzügen vom Gerichts- verfaſſungsgeſetz vorgezeichnet worden; auf den übrigen Gebieten der Gerichtsbarkeit können die Einzelſtaaten ſowohl die materiellen Amtsverrichtungen und Obliegenheiten der Staatsanwälte als auch die Einrichtung der Staatsanwaltſchaft nach Belieben normiren. Die Autonomie der Einzelſtaaten iſt auf dieſen Gebieten eine völlig freie und demgemäß ſind die kraft dieſer Autonomie getrof- fenen Anordnungen und Einrichtungen kein Gegenſtand des Reichs- ſtaatsrechts; auf dem Gebiete der ordentlichen ſtreitigen Gerichts- barkeit dagegen ſind die Einzelſtaaten auch hinſichtlich der Staats- anwaltſchaften ziemlich beengenden Vorſchriften unterworfen. II. Die Uebereinſtimmung in der Gliederung der Gerichte und der Staatsanwaltſchaften und das in den Prozeßordnungen geregelte Zuſammenwirken beider Behörden iſt reichsgeſetzlich gewährleiſtet durch das im §. 142 des Gerichtsverf.Geſ. ausgeſprochene Princip: „Bei jedem Gerichte ſoll eine Staatsanwalt- ſchaft beſtehen.“ Es iſt nun im vorhergehenden Paragraphen dargelegt worden, daß das Wort Gericht einen doppelten Sinn hat, einen prozeßrechtlichen und einen ſtaatsrechtlichen (verwaltungs- rechtlichen). Dieſe Unterſcheidung kehrt auch bei der Staatsan- waltſchaft wieder. Die behördliche Organiſation der Staats- anwaltſchaft folgt der Gliederung der Gerichtsbehörden; das ſtaatsanwaltſchaftliche Amt dagegen wird ausgeübt bei den be- ſchließenden und erkennenden Spruchgerichten. In letzterer Hin- ſicht bemerken die Motive S. 163 (Hahn S. 147): „Die ſach- liche Zuſtändigkeit der verſchiedenen Organe der Staatsanwaltſchaft beſtimmt ſich nach der Zuſtändigkeit desjenigen Gerichts, welchem das Organ der Staatsanwaltſchaft zugetheilt iſt. Maßgebend ſind diejenigen Normen, welche die Zuſtändigkeit der erkennenden Gerichte regeln.“ Dagegen entſpricht der vierfachen Abſtufung der Gerichte in Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht und Reichs- gericht eine vierfache Gliederung der Staatsanwaltſchaft 1) und die 1) Gerichtsverf.Geſ. §. 143. Indem das Geſetz hier neben den Amtsge- richten die Schöffengerichte und neben den Landgerichten die Schwurgerichte

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/108>, abgerufen am 23.11.2024.