Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 101. Die Gerichte. Präsidenten) erfolgen 1). Wird zum Hülfsrichter ein bereits stän-dig angestellter Richter verwendet, so kommen hinsichtlich der Ver- tretung die landesgesetzlichen Vorschriften zur Anwendung 2); wenn dagegen ein nicht ständig angestellter Richter einem Landgerichte als Hülfsrichter beigeordnet wird, so sind die Landesjustizverwal- tungen an die Beobachtung von zwei reichsgesetzlichen Bestimmungen gebunden, welche die Unabhängigkeit des Hülfsrichters von der Justizverwaltung sichern sollen; nämlich erstens, daß die Beiord- nung, wenn sie auf bestimmte Zeit erfolgte, vor Ablauf dieser Zeit, und wenn sie auf unbestimmte Zeit erfolgte, so lange das Bedürfniß, durch welches sie veranlaßt wurde, fortdauert, nicht widerrufen werden darf 3); und zweitens, daß wenn mit der Ver- tretung eine Entschädigung verbunden ist, diese für die ganze Dauer im Voraus festzustellen ist 4). 3. Die Oberlandesgerichte. Die Organisation der- Nach dem Wortlaute des Gesetzes, welches "Civil- und Straf- 1) §. 69 Abs. 1 a. a. O. In dem Antrage ist, wie sich von selbst ver- steht, das Bedürfniß nachzuweisen, und zwar muß dasselbe so geartet sein, daß ihm einerseits nicht durch die ständig ernannten Mitglieder des Landgerichts gemäß §. 62 u. §. 66 a. a. O. abgeholfen werden kann, und daß es andrer- seits nicht als ein dauerndes anzusehen ist, welches eine Erhöhung der Anzahl der ständigen Mitglieder des Gerichts nothwendig macht. 2) §. 69 cit. Abs. 3. 3) In der Justizkommission des Reichstags ist wiederholt konstatirt wor- den, daß "unwiderruflich" bedeuten solle "nicht ohne Zustimmung des Mitgliedes widerruflich." 4) §. 69 cit. Abs. 2; vorbehaltlich einer etatsmäßigen Erhöhung der Be- züge. Protok. S. 651. (Hahn S. 811.) 5) Gerichtsverf.Ges. §. 120. 6) §. 119 cit.
§. 101. Die Gerichte. Präſidenten) erfolgen 1). Wird zum Hülfsrichter ein bereits ſtän-dig angeſtellter Richter verwendet, ſo kommen hinſichtlich der Ver- tretung die landesgeſetzlichen Vorſchriften zur Anwendung 2); wenn dagegen ein nicht ſtändig angeſtellter Richter einem Landgerichte als Hülfsrichter beigeordnet wird, ſo ſind die Landesjuſtizverwal- tungen an die Beobachtung von zwei reichsgeſetzlichen Beſtimmungen gebunden, welche die Unabhängigkeit des Hülfsrichters von der Juſtizverwaltung ſichern ſollen; nämlich erſtens, daß die Beiord- nung, wenn ſie auf beſtimmte Zeit erfolgte, vor Ablauf dieſer Zeit, und wenn ſie auf unbeſtimmte Zeit erfolgte, ſo lange das Bedürfniß, durch welches ſie veranlaßt wurde, fortdauert, nicht widerrufen werden darf 3); und zweitens, daß wenn mit der Ver- tretung eine Entſchädigung verbunden iſt, dieſe für die ganze Dauer im Voraus feſtzuſtellen iſt 4). 3. Die Oberlandesgerichte. Die Organiſation der- Nach dem Wortlaute des Geſetzes, welches „Civil- und Straf- 1) §. 69 Abſ. 1 a. a. O. In dem Antrage iſt, wie ſich von ſelbſt ver- ſteht, das Bedürfniß nachzuweiſen, und zwar muß daſſelbe ſo geartet ſein, daß ihm einerſeits nicht durch die ſtändig ernannten Mitglieder des Landgerichts gemäß §. 62 u. §. 66 a. a. O. abgeholfen werden kann, und daß es andrer- ſeits nicht als ein dauerndes anzuſehen iſt, welches eine Erhöhung der Anzahl der ſtändigen Mitglieder des Gerichts nothwendig macht. 2) §. 69 cit. Abſ. 3. 3) In der Juſtizkommiſſion des Reichstags iſt wiederholt konſtatirt wor- den, daß „unwiderruflich“ bedeuten ſolle „nicht ohne Zuſtimmung des Mitgliedes widerruflich.“ 4) §. 69 cit. Abſ. 2; vorbehaltlich einer etatsmäßigen Erhöhung der Be- züge. Protok. S. 651. (Hahn S. 811.) 5) Gerichtsverf.Geſ. §. 120. 6) §. 119 cit.
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§. 101. Die Gerichte.
Präſidenten) erfolgen 1). Wird zum Hülfsrichter ein bereits ſtän-
dig angeſtellter Richter verwendet, ſo kommen hinſichtlich der Ver-
tretung die landesgeſetzlichen Vorſchriften zur Anwendung 2); wenn
dagegen ein nicht ſtändig angeſtellter Richter einem Landgerichte
als Hülfsrichter beigeordnet wird, ſo ſind die Landesjuſtizverwal-
tungen an die Beobachtung von zwei reichsgeſetzlichen Beſtimmungen
gebunden, welche die Unabhängigkeit des Hülfsrichters von der
Juſtizverwaltung ſichern ſollen; nämlich erſtens, daß die Beiord-
nung, wenn ſie auf beſtimmte Zeit erfolgte, vor Ablauf dieſer
Zeit, und wenn ſie auf unbeſtimmte Zeit erfolgte, ſo lange das
Bedürfniß, durch welches ſie veranlaßt wurde, fortdauert, nicht
widerrufen werden darf 3); und zweitens, daß wenn mit der Ver-
tretung eine Entſchädigung verbunden iſt, dieſe für die ganze Dauer
im Voraus feſtzuſtellen iſt 4).
3. Die Oberlandesgerichte. Die Organiſation der-
ſelben iſt deshalb ſehr einfach, weil bei ihnen nur die regel-
mäßigen Spruchcollegien, die „Civil- und Strafſenate“, gebil-
det werden 5). An der Spitze des Gerichtshofes ſteht ein Präſi-
dent; den Vorſitz in den Senaten führen Senatspräſidenten 6);
das „Präſidium“ wird gebildet aus dem Präſidenten, den
Senatspräſidenten und den beiden älteſten Mitgliedern (Räthen)
des Gerichts.
Nach dem Wortlaute des Geſetzes, welches „Civil- und Straf-
ſenate“ und neben dem Präſidenten eine Anzahl von Senatspräſidenten
erfordert, kann es nicht zweifelhaft ſein, daß an jedem Oberlandes-
1) §. 69 Abſ. 1 a. a. O. In dem Antrage iſt, wie ſich von ſelbſt ver-
ſteht, das Bedürfniß nachzuweiſen, und zwar muß daſſelbe ſo geartet ſein, daß
ihm einerſeits nicht durch die ſtändig ernannten Mitglieder des Landgerichts
gemäß §. 62 u. §. 66 a. a. O. abgeholfen werden kann, und daß es andrer-
ſeits nicht als ein dauerndes anzuſehen iſt, welches eine Erhöhung der Anzahl
der ſtändigen Mitglieder des Gerichts nothwendig macht.
2) §. 69 cit. Abſ. 3.
3) In der Juſtizkommiſſion des Reichstags iſt wiederholt konſtatirt wor-
den, daß „unwiderruflich“ bedeuten ſolle „nicht ohne Zuſtimmung des
Mitgliedes widerruflich.“
4) §. 69 cit. Abſ. 2; vorbehaltlich einer etatsmäßigen Erhöhung der Be-
züge. Protok. S. 651. (Hahn S. 811.)
5) Gerichtsverf.Geſ. §. 120.
6) §. 119 cit.
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