Zweiter Abschnitt. Die Organisation und Gliederung der bewaffneten Macht.
§. 83. Das stehende Heer.
I.Die Friedensformation.
Obgleich in der R.V. Art. 63 Abs. 4 der Grundsatz aner- kannt ist, daß der Kaiser den Präsenzstand, die Gliederung und die Eintheilung der Kontingente des Reichsheeres bestimmt, so hat doch das Militairgesetz von 1874 eine Anzahl von organisatorischen Anordnungen getroffen, durch welche die Grundzüge der Friedens- formation des Heeres mit formeller Gesetzeskraft festgestellt sind, und dadurch einerseits das Gebiet, auf welchem die freie Entschlie- ßung des Kaisers Spielraum hat, erheblich eingeschränkt, anderer- seits aber eine feste Grundlage für die Aufstellung des Militair- Etats geschaffen.
1. Die Organisation des Deutschen Heeres beruht auf dem Kadre-System d. h. die im Kriege zur Verwendung kommende Heeresmacht wird im Frieden nur zum Theil präsent gehalten. Die Friedensformationen bilden den Rahmen, welcher erst im Kriege durch die eingezogenen Mannschaften und Offiziere völlig ausgefüllt wird; zugleich aber dienen sie zur militairischen Aus- bildung der Mannschaften, sie sind gleichsam die militairischen Schulen und die Zeit des Dienstes im stehenden Heere ist die mi- litairische Lehrzeit. Das Wehrgesetz v. 9. Nov. 1867 §. 4 erklärt das stehende Heer und die Flotte für "die Bildungsschulen der ganzen Nation für den Krieg" und giebt hierdurch sowie durch die Vorschriften über die allgemeine Wehrpflicht dem Kadre-System ge- setzliche Geltung.
2. Die Grundeinheit für die Formation und Gliederung der ganzen Armee ist das Bataillon für die Infanterie nebst den Jägern, für die Fußartillerie, die Pioniere und den Train, die Schwadron (Eskadron) für die Kavallerie und die Batterie für die Feldartillerie. Die Bataillone zerfallen in Kompagnien, und zwar in der Regel in je 4, bei dem Train in je 2--3; allein so wichtig diese Unterabtheilungen auch in Bezug auf die Ausbil- dung der Mannschaften und die Einrichtung des Dienstes sind, so
§. 83. Das ſtehende Heer.
Zweiter Abſchnitt. Die Organiſation und Gliederung der bewaffneten Macht.
§. 83. Das ſtehende Heer.
I.Die Friedensformation.
Obgleich in der R.V. Art. 63 Abſ. 4 der Grundſatz aner- kannt iſt, daß der Kaiſer den Präſenzſtand, die Gliederung und die Eintheilung der Kontingente des Reichsheeres beſtimmt, ſo hat doch das Militairgeſetz von 1874 eine Anzahl von organiſatoriſchen Anordnungen getroffen, durch welche die Grundzüge der Friedens- formation des Heeres mit formeller Geſetzeskraft feſtgeſtellt ſind, und dadurch einerſeits das Gebiet, auf welchem die freie Entſchlie- ßung des Kaiſers Spielraum hat, erheblich eingeſchränkt, anderer- ſeits aber eine feſte Grundlage für die Aufſtellung des Militair- Etats geſchaffen.
1. Die Organiſation des Deutſchen Heeres beruht auf dem Kadre-Syſtem d. h. die im Kriege zur Verwendung kommende Heeresmacht wird im Frieden nur zum Theil präſent gehalten. Die Friedensformationen bilden den Rahmen, welcher erſt im Kriege durch die eingezogenen Mannſchaften und Offiziere völlig ausgefüllt wird; zugleich aber dienen ſie zur militairiſchen Aus- bildung der Mannſchaften, ſie ſind gleichſam die militairiſchen Schulen und die Zeit des Dienſtes im ſtehenden Heere iſt die mi- litairiſche Lehrzeit. Das Wehrgeſetz v. 9. Nov. 1867 §. 4 erklärt das ſtehende Heer und die Flotte für „die Bildungsſchulen der ganzen Nation für den Krieg“ und giebt hierdurch ſowie durch die Vorſchriften über die allgemeine Wehrpflicht dem Kadre-Syſtem ge- ſetzliche Geltung.
2. Die Grundeinheit für die Formation und Gliederung der ganzen Armee iſt das Bataillon für die Infanterie nebſt den Jägern, für die Fußartillerie, die Pioniere und den Train, die Schwadron (Eskadron) für die Kavallerie und die Batterie für die Feldartillerie. Die Bataillone zerfallen in Kompagnien, und zwar in der Regel in je 4, bei dem Train in je 2—3; allein ſo wichtig dieſe Unterabtheilungen auch in Bezug auf die Ausbil- dung der Mannſchaften und die Einrichtung des Dienſtes ſind, ſo
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§. 83. Das ſtehende Heer.
Zweiter Abſchnitt.
Die Organiſation und Gliederung der bewaffneten Macht.
§. 83. Das ſtehende Heer.
I. Die Friedensformation.
Obgleich in der R.V. Art. 63 Abſ. 4 der Grundſatz aner-
kannt iſt, daß der Kaiſer den Präſenzſtand, die Gliederung und
die Eintheilung der Kontingente des Reichsheeres beſtimmt, ſo hat
doch das Militairgeſetz von 1874 eine Anzahl von organiſatoriſchen
Anordnungen getroffen, durch welche die Grundzüge der Friedens-
formation des Heeres mit formeller Geſetzeskraft feſtgeſtellt ſind,
und dadurch einerſeits das Gebiet, auf welchem die freie Entſchlie-
ßung des Kaiſers Spielraum hat, erheblich eingeſchränkt, anderer-
ſeits aber eine feſte Grundlage für die Aufſtellung des Militair-
Etats geſchaffen.
1. Die Organiſation des Deutſchen Heeres beruht auf dem
Kadre-Syſtem d. h. die im Kriege zur Verwendung kommende
Heeresmacht wird im Frieden nur zum Theil präſent gehalten.
Die Friedensformationen bilden den Rahmen, welcher erſt im
Kriege durch die eingezogenen Mannſchaften und Offiziere völlig
ausgefüllt wird; zugleich aber dienen ſie zur militairiſchen Aus-
bildung der Mannſchaften, ſie ſind gleichſam die militairiſchen
Schulen und die Zeit des Dienſtes im ſtehenden Heere iſt die mi-
litairiſche Lehrzeit. Das Wehrgeſetz v. 9. Nov. 1867 §. 4 erklärt
das ſtehende Heer und die Flotte für „die Bildungsſchulen der
ganzen Nation für den Krieg“ und giebt hierdurch ſowie durch die
Vorſchriften über die allgemeine Wehrpflicht dem Kadre-Syſtem ge-
ſetzliche Geltung.
2. Die Grundeinheit für die Formation und Gliederung der
ganzen Armee iſt das Bataillon für die Infanterie nebſt den
Jägern, für die Fußartillerie, die Pioniere und den Train, die
Schwadron (Eskadron) für die Kavallerie und die Batterie
für die Feldartillerie. Die Bataillone zerfallen in Kompagnien,
und zwar in der Regel in je 4, bei dem Train in je 2—3; allein
ſo wichtig dieſe Unterabtheilungen auch in Bezug auf die Ausbil-
dung der Mannſchaften und die Einrichtung des Dienſtes ſind, ſo
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/89>, abgerufen am 03.03.2025.
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