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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 82. Die Festungen und Kriegshäfen.
"eintretenden Falls mit dem König von Württemberg vorher in
Vernehmen setzen werde" 1).

2. Soweit nun das Recht des Reiches zur Anlage neuer oder
zur Erweiterung und Verstärkung bereits vorhandener Festungen
reicht, stehen demselben auch die dazu nothwendigen Mittel zu Ge-
bote, insbesondere das Recht der Expropriation 2) und das
Recht der Rayonbeschränkungen 3). Ueberdies aber muß als
selbstverständliche Folge dieses Rechtes erachtet werden, daß den
Einzelstaaten jede Ausübung der Landeshoheit untersagt ist, welche
die Vertheidigungsfähigkeit der Festungen mittelbar oder unmittel-
bar beeinträchtigen könnte, insbesondere Veränderungen der Wasser-
läufe oder die Anlage von Eisenbahnen, Kanälen u. dgl. in der
Nähe der Festungen, wenngleich außerhalb der Rayongränzen.
Aus demselben Grunde ist es als selbstverständlich zu erachten,
daß die Einzelstaaten nicht befugt sind, ihrerseits Festungen anzu-
legen, selbst wenn sie die Kosten aus eigenen Mitteln bestreiten
wollten, da alle Festungen ein einheitliches Vertheidigungssystem
bilden. Das Vorhandensein einer Festung kann in großem Maße
die Fürsorge für Handel und Verkehr u. dgl. hindern oder er-
schweren. Andererseits ist dem Reiche gesetzlich die Pflicht aufer-
legt, daß wofern sich in den Reichsfestungen die für den öffentlichen
Verkehr bestimmten Thore und Thorbrücken im Laufe der Zeit als
unzulänglich für diesen Verkehr erweisen, auf Antrag der Gemein-
den diese Thore und Thorbrücken, soweit ein fortifikatorisches
Interesse nicht entgegensteht, auf Kosten des Reiches erweitert
werden. Die Entscheidung hierüber wird in letzter Instanz durch
die vereinigten Ausschüsse des Bundesrathes für Handel und Ver-
kehr und für das Landheer und die Festungen getroffen 4). Diese
Bestimmung findet auf die Bayerischen Festungen keine Anwendung,
denn dieselben sind nicht "Reichsfestungen", sondern "Landesfest-
ungen" 5).


1) Das heißt nicht, wie Thudichum in Holtzend. Jahrb. II S. 99 meint,
dessen Ansichten und Wünsche vernehmen, sondern dessen Einwilligung einholen.
Vgl. oben Bd. II S. 80 Note 3.
2) Siehe Bd. I S. 196.
3) Vgl. unten §. 95.
4) R.G. v. 30. Mai 1873 Art. IV Abs. 2 (R.G.Bl. S. 124). Vgl. Bd. I
S. 267.
5) Die Behauptung v. Rönne's II, 2 S. 123, daß im Art. IV

§. 82. Die Feſtungen und Kriegshäfen.
„eintretenden Falls mit dem König von Württemberg vorher in
Vernehmen ſetzen werde“ 1).

2. Soweit nun das Recht des Reiches zur Anlage neuer oder
zur Erweiterung und Verſtärkung bereits vorhandener Feſtungen
reicht, ſtehen demſelben auch die dazu nothwendigen Mittel zu Ge-
bote, insbeſondere das Recht der Expropriation 2) und das
Recht der Rayonbeſchränkungen 3). Ueberdies aber muß als
ſelbſtverſtändliche Folge dieſes Rechtes erachtet werden, daß den
Einzelſtaaten jede Ausübung der Landeshoheit unterſagt iſt, welche
die Vertheidigungsfähigkeit der Feſtungen mittelbar oder unmittel-
bar beeinträchtigen könnte, insbeſondere Veränderungen der Waſſer-
läufe oder die Anlage von Eiſenbahnen, Kanälen u. dgl. in der
Nähe der Feſtungen, wenngleich außerhalb der Rayongränzen.
Aus demſelben Grunde iſt es als ſelbſtverſtändlich zu erachten,
daß die Einzelſtaaten nicht befugt ſind, ihrerſeits Feſtungen anzu-
legen, ſelbſt wenn ſie die Koſten aus eigenen Mitteln beſtreiten
wollten, da alle Feſtungen ein einheitliches Vertheidigungsſyſtem
bilden. Das Vorhandenſein einer Feſtung kann in großem Maße
die Fürſorge für Handel und Verkehr u. dgl. hindern oder er-
ſchweren. Andererſeits iſt dem Reiche geſetzlich die Pflicht aufer-
legt, daß wofern ſich in den Reichsfeſtungen die für den öffentlichen
Verkehr beſtimmten Thore und Thorbrücken im Laufe der Zeit als
unzulänglich für dieſen Verkehr erweiſen, auf Antrag der Gemein-
den dieſe Thore und Thorbrücken, ſoweit ein fortifikatoriſches
Intereſſe nicht entgegenſteht, auf Koſten des Reiches erweitert
werden. Die Entſcheidung hierüber wird in letzter Inſtanz durch
die vereinigten Ausſchüſſe des Bundesrathes für Handel und Ver-
kehr und für das Landheer und die Feſtungen getroffen 4). Dieſe
Beſtimmung findet auf die Bayeriſchen Feſtungen keine Anwendung,
denn dieſelben ſind nicht „Reichsfeſtungen“, ſondern „Landesfeſt-
ungen“ 5).


1) Das heißt nicht, wie Thudichum in Holtzend. Jahrb. II S. 99 meint,
deſſen Anſichten und Wünſche vernehmen, ſondern deſſen Einwilligung einholen.
Vgl. oben Bd. II S. 80 Note 3.
2) Siehe Bd. I S. 196.
3) Vgl. unten §. 95.
4) R.G. v. 30. Mai 1873 Art. IV Abſ. 2 (R.G.Bl. S. 124). Vgl. Bd. I
S. 267.
5) Die Behauptung v. Rönne’s II, 2 S. 123, daß im Art. IV
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[74/0084] §. 82. Die Feſtungen und Kriegshäfen. „eintretenden Falls mit dem König von Württemberg vorher in Vernehmen ſetzen werde“ 1). 2. Soweit nun das Recht des Reiches zur Anlage neuer oder zur Erweiterung und Verſtärkung bereits vorhandener Feſtungen reicht, ſtehen demſelben auch die dazu nothwendigen Mittel zu Ge- bote, insbeſondere das Recht der Expropriation 2) und das Recht der Rayonbeſchränkungen 3). Ueberdies aber muß als ſelbſtverſtändliche Folge dieſes Rechtes erachtet werden, daß den Einzelſtaaten jede Ausübung der Landeshoheit unterſagt iſt, welche die Vertheidigungsfähigkeit der Feſtungen mittelbar oder unmittel- bar beeinträchtigen könnte, insbeſondere Veränderungen der Waſſer- läufe oder die Anlage von Eiſenbahnen, Kanälen u. dgl. in der Nähe der Feſtungen, wenngleich außerhalb der Rayongränzen. Aus demſelben Grunde iſt es als ſelbſtverſtändlich zu erachten, daß die Einzelſtaaten nicht befugt ſind, ihrerſeits Feſtungen anzu- legen, ſelbſt wenn ſie die Koſten aus eigenen Mitteln beſtreiten wollten, da alle Feſtungen ein einheitliches Vertheidigungsſyſtem bilden. Das Vorhandenſein einer Feſtung kann in großem Maße die Fürſorge für Handel und Verkehr u. dgl. hindern oder er- ſchweren. Andererſeits iſt dem Reiche geſetzlich die Pflicht aufer- legt, daß wofern ſich in den Reichsfeſtungen die für den öffentlichen Verkehr beſtimmten Thore und Thorbrücken im Laufe der Zeit als unzulänglich für dieſen Verkehr erweiſen, auf Antrag der Gemein- den dieſe Thore und Thorbrücken, ſoweit ein fortifikatoriſches Intereſſe nicht entgegenſteht, auf Koſten des Reiches erweitert werden. Die Entſcheidung hierüber wird in letzter Inſtanz durch die vereinigten Ausſchüſſe des Bundesrathes für Handel und Ver- kehr und für das Landheer und die Feſtungen getroffen 4). Dieſe Beſtimmung findet auf die Bayeriſchen Feſtungen keine Anwendung, denn dieſelben ſind nicht „Reichsfeſtungen“, ſondern „Landesfeſt- ungen“ 5). 1) Das heißt nicht, wie Thudichum in Holtzend. Jahrb. II S. 99 meint, deſſen Anſichten und Wünſche vernehmen, ſondern deſſen Einwilligung einholen. Vgl. oben Bd. II S. 80 Note 3. 2) Siehe Bd. I S. 196. 3) Vgl. unten §. 95. 4) R.G. v. 30. Mai 1873 Art. IV Abſ. 2 (R.G.Bl. S. 124). Vgl. Bd. I S. 267. 5) Die Behauptung v. Rönne’s II, 2 S. 123, daß im Art. IV

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/84>, abgerufen am 24.11.2024.