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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 82. Die Festungen und Kriegshäfen.
Weder die bereits vorhandenen noch die neu anzulegenden Festungen
und Kriegshäfen sind reichsunmittelbare Gebiete 1).

Das Reich ist aber berechtigt, innerhalb des Bundesgebietes
Festungen anzulegen, und zwar steht die Ausübung dieses Rechtes
dem Kaiser zu 2), mit der aus den Grundsätzen des Finanzrechts
sich ergebenden, selbstverständlichen Beschränkung, daß die dazu er-
forderlichen Geldmittel im Wege der Reichsgesetzgebung bewilligt
werden müssen 3). Dieses Recht bezieht sich nicht blos auf neu
anzulegende Festungen, sondern ebenso auf Erweiterungen und
Veränderungen, welche an bereits vorhandenen Festungen erforder-
lich werden 4).

Den Einzelstaaten steht demnach weder ein Widerspruch gegen
die Anlage oder Erweiterung von Festungen in ihrem Gebiete zu,
noch sind dieselben befugt dieselbe zu erschweren oder zu verhindern
durch baupolizeiliche, wasserpolizeiliche oder dergleichen Anordnungen.

Ausgenommen von diesem Grundsatz sind Bayern und Würt-
temberg; zur Anlage neuer Befestigungen auf dem Gebiete dieser
beiden Staaten ist die Zustimmung der letzteren erforderlich. Auf
Bayern findet nach dem Vertrage vom 23. Nov. 1870 Art. 65 der
R.V. überhaupt keine Anwendung; es hat lediglich die Zusage er-
theilt, daß es die Anlage von neuen Befestigungen auf Bayerischem
Gebiete im Interesse der gesammtdeutschen Vertheidigung "im Wege
jeweiliger spezieller Vereinbarung
" zugestehen werde.
Württemberg gegenüber ist in der Militair-Konvent. Art. 7
zwar das Recht des Kaisers, neue Befestigungen innerhalb des
Königreichs anzulegen, prinzipiell festgehalten, aber hinsichtlich der
Ausübung desselben ist verabredet worden, daß sich der Kaiser

1) Eine Bethätigung der Preußischen Landeshoheit am Jadegebiet ist
z. B. der Erl. vom 27. Mai 1869, der im Bundesgesetzbl. 1869 S. 375 be-
kannt gemacht worden ist.
2) d. h. ohne daß es der Zustimmung des Bundesrathes und Reichstages
bedarf.
3) R.V. Art. 65. Die Worte, "welcher die Bewilligung der dazu erforder-
lichen Mittel, soweit das Ordinarium sie nicht gewährt, nach Abschnitt XII
beantragt", hatten einen guten Sinn, solange ein festes Pauschquantum für die
Militairbedürfnisse dem Bundesfeldherrn zur Verfügung stand (Art. 71 Abs. 2).
Seitdem dies aufgehört hat, sind sie mindestens überflüssig.
4) Eine Anwendung dieses Rechtes liegt dem Ges. vom 30. Mai 1873
(R.G.Bl. S. 123) zu Grunde.

§. 82. Die Feſtungen und Kriegshäfen.
Weder die bereits vorhandenen noch die neu anzulegenden Feſtungen
und Kriegshäfen ſind reichsunmittelbare Gebiete 1).

Das Reich iſt aber berechtigt, innerhalb des Bundesgebietes
Feſtungen anzulegen, und zwar ſteht die Ausübung dieſes Rechtes
dem Kaiſer zu 2), mit der aus den Grundſätzen des Finanzrechts
ſich ergebenden, ſelbſtverſtändlichen Beſchränkung, daß die dazu er-
forderlichen Geldmittel im Wege der Reichsgeſetzgebung bewilligt
werden müſſen 3). Dieſes Recht bezieht ſich nicht blos auf neu
anzulegende Feſtungen, ſondern ebenſo auf Erweiterungen und
Veränderungen, welche an bereits vorhandenen Feſtungen erforder-
lich werden 4).

Den Einzelſtaaten ſteht demnach weder ein Widerſpruch gegen
die Anlage oder Erweiterung von Feſtungen in ihrem Gebiete zu,
noch ſind dieſelben befugt dieſelbe zu erſchweren oder zu verhindern
durch baupolizeiliche, waſſerpolizeiliche oder dergleichen Anordnungen.

Ausgenommen von dieſem Grundſatz ſind Bayern und Würt-
temberg; zur Anlage neuer Befeſtigungen auf dem Gebiete dieſer
beiden Staaten iſt die Zuſtimmung der letzteren erforderlich. Auf
Bayern findet nach dem Vertrage vom 23. Nov. 1870 Art. 65 der
R.V. überhaupt keine Anwendung; es hat lediglich die Zuſage er-
theilt, daß es die Anlage von neuen Befeſtigungen auf Bayeriſchem
Gebiete im Intereſſe der geſammtdeutſchen Vertheidigung „im Wege
jeweiliger ſpezieller Vereinbarung
“ zugeſtehen werde.
Württemberg gegenüber iſt in der Militair-Konvent. Art. 7
zwar das Recht des Kaiſers, neue Befeſtigungen innerhalb des
Königreichs anzulegen, prinzipiell feſtgehalten, aber hinſichtlich der
Ausübung deſſelben iſt verabredet worden, daß ſich der Kaiſer

1) Eine Bethätigung der Preußiſchen Landeshoheit am Jadegebiet iſt
z. B. der Erl. vom 27. Mai 1869, der im Bundesgeſetzbl. 1869 S. 375 be-
kannt gemacht worden iſt.
2) d. h. ohne daß es der Zuſtimmung des Bundesrathes und Reichstages
bedarf.
3) R.V. Art. 65. Die Worte, „welcher die Bewilligung der dazu erforder-
lichen Mittel, ſoweit das Ordinarium ſie nicht gewährt, nach Abſchnitt XII
beantragt“, hatten einen guten Sinn, ſolange ein feſtes Pauſchquantum für die
Militairbedürfniſſe dem Bundesfeldherrn zur Verfügung ſtand (Art. 71 Abſ. 2).
Seitdem dies aufgehört hat, ſind ſie mindeſtens überflüſſig.
4) Eine Anwendung dieſes Rechtes liegt dem Geſ. vom 30. Mai 1873
(R.G.Bl. S. 123) zu Grunde.
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[73/0083] §. 82. Die Feſtungen und Kriegshäfen. Weder die bereits vorhandenen noch die neu anzulegenden Feſtungen und Kriegshäfen ſind reichsunmittelbare Gebiete 1). Das Reich iſt aber berechtigt, innerhalb des Bundesgebietes Feſtungen anzulegen, und zwar ſteht die Ausübung dieſes Rechtes dem Kaiſer zu 2), mit der aus den Grundſätzen des Finanzrechts ſich ergebenden, ſelbſtverſtändlichen Beſchränkung, daß die dazu er- forderlichen Geldmittel im Wege der Reichsgeſetzgebung bewilligt werden müſſen 3). Dieſes Recht bezieht ſich nicht blos auf neu anzulegende Feſtungen, ſondern ebenſo auf Erweiterungen und Veränderungen, welche an bereits vorhandenen Feſtungen erforder- lich werden 4). Den Einzelſtaaten ſteht demnach weder ein Widerſpruch gegen die Anlage oder Erweiterung von Feſtungen in ihrem Gebiete zu, noch ſind dieſelben befugt dieſelbe zu erſchweren oder zu verhindern durch baupolizeiliche, waſſerpolizeiliche oder dergleichen Anordnungen. Ausgenommen von dieſem Grundſatz ſind Bayern und Würt- temberg; zur Anlage neuer Befeſtigungen auf dem Gebiete dieſer beiden Staaten iſt die Zuſtimmung der letzteren erforderlich. Auf Bayern findet nach dem Vertrage vom 23. Nov. 1870 Art. 65 der R.V. überhaupt keine Anwendung; es hat lediglich die Zuſage er- theilt, daß es die Anlage von neuen Befeſtigungen auf Bayeriſchem Gebiete im Intereſſe der geſammtdeutſchen Vertheidigung „im Wege jeweiliger ſpezieller Vereinbarung“ zugeſtehen werde. Württemberg gegenüber iſt in der Militair-Konvent. Art. 7 zwar das Recht des Kaiſers, neue Befeſtigungen innerhalb des Königreichs anzulegen, prinzipiell feſtgehalten, aber hinſichtlich der Ausübung deſſelben iſt verabredet worden, daß ſich der Kaiſer 1) Eine Bethätigung der Preußiſchen Landeshoheit am Jadegebiet iſt z. B. der Erl. vom 27. Mai 1869, der im Bundesgeſetzbl. 1869 S. 375 be- kannt gemacht worden iſt. 2) d. h. ohne daß es der Zuſtimmung des Bundesrathes und Reichstages bedarf. 3) R.V. Art. 65. Die Worte, „welcher die Bewilligung der dazu erforder- lichen Mittel, ſoweit das Ordinarium ſie nicht gewährt, nach Abſchnitt XII beantragt“, hatten einen guten Sinn, ſolange ein feſtes Pauſchquantum für die Militairbedürfniſſe dem Bundesfeldherrn zur Verfügung ſtand (Art. 71 Abſ. 2). Seitdem dies aufgehört hat, ſind ſie mindeſtens überflüſſig. 4) Eine Anwendung dieſes Rechtes liegt dem Geſ. vom 30. Mai 1873 (R.G.Bl. S. 123) zu Grunde.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/83>, abgerufen am 24.11.2024.