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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 81. Die Militairhoheitsrechte der Einzelstaaten.
demnach die Kompetenz des Einzelstaates, beziehentl. des Landes-
herrn, die Regel und die Kompetenz des Reiches, beziehentl. des
Kaisers, die Ausnahme, für welche es in jedem einzelnen Falle eines
besonderen gesetzlichen Grundes bedarf.

Praktisch ist dieses Verhältniß aber nur für Bayern durch-
geführt; den andern Staaten gegenüber hat die Ausnahme in so
weitem Umfange die Regel durchlöchert, daß die ihnen verbliebenen
Reste der Militairhoheit von geringfügiger Bedeutung sind. Eine
selbstständige Entfaltung militairischer Macht ist ihnen ebenso ent-
zogen, wie eine selbstständige Ausübung der Gesetzgebung, Organi-
sation, Verwaltung und des Oberbefehls und es ist demnach der
Rest, den die R.V. den Bundesgliedern gelassen hat, werthlos,
ausgenommen in Preußen, weil hier dieser dem Könige verbliebene
Rest sich mit der dem Kaiser zustehenden Machtbefugniß wieder
zur vollen, zusammenhängenden, mit Wirksamkeit auszuübenden
Militairhoheit vereinigt. Hieraus erklärt sich, daß die Mehrzahl
der Staaten bereit war, die Ausübung der ihnen verbliebenen
Rechte durch Militairkonventionen an Preußen abzutreten, da diese
Cession den Staaten ein wirkliches Opfer an politischer Macht nicht
auferlegte; und es erklärt sich ferner hieraus, daß Militairkonven-
tionen nur mit Preußen, und in keinem einzigen Falle mit einem
andern Bundesgliede abgeschlossen worden sind. Die Rechte, welche
den Einzelstaaten noch verblieben sind, erscheinen gleichsam als ein
ihnen gelassenes Andenken an ihre ehemalige Souveränetät; denn
wenn man einem Staate, der rechtlich nicht befugt ist, physische
Machtmittel zu organisiren und zur Anwendung zu bringen, die
Eigenschaft der Souveränetät zuschreibt, so muß man dieses Wort
in einer sehr eigenthümlichen, von dem gemeinen Sprachgebrauch
abweichenden Bedeutung verstehen, jedenfalls nicht in demjenigen
Sinne, in dem es als staatsrechtlicher Begriff von Werth ist, näm-
lich als höchste öffentliche Gewalt.

Die nach der Reichsverfassung den Landesherren der Einzel-
staaten und den Senaten der freien Städte verbliebenen Rechte
lassen sich auf folgende Kategorien zurückführen.

I. Die Kontingentsherrlichkeit.

Die Landmacht des Reiches bildet -- wie oben S. 6 dar-
gethan worden ist -- kein einheitliches Heer, sondern ist aus den

§. 81. Die Militairhoheitsrechte der Einzelſtaaten.
demnach die Kompetenz des Einzelſtaates, beziehentl. des Landes-
herrn, die Regel und die Kompetenz des Reiches, beziehentl. des
Kaiſers, die Ausnahme, für welche es in jedem einzelnen Falle eines
beſonderen geſetzlichen Grundes bedarf.

Praktiſch iſt dieſes Verhältniß aber nur für Bayern durch-
geführt; den andern Staaten gegenüber hat die Ausnahme in ſo
weitem Umfange die Regel durchlöchert, daß die ihnen verbliebenen
Reſte der Militairhoheit von geringfügiger Bedeutung ſind. Eine
ſelbſtſtändige Entfaltung militairiſcher Macht iſt ihnen ebenſo ent-
zogen, wie eine ſelbſtſtändige Ausübung der Geſetzgebung, Organi-
ſation, Verwaltung und des Oberbefehls und es iſt demnach der
Reſt, den die R.V. den Bundesgliedern gelaſſen hat, werthlos,
ausgenommen in Preußen, weil hier dieſer dem Könige verbliebene
Reſt ſich mit der dem Kaiſer zuſtehenden Machtbefugniß wieder
zur vollen, zuſammenhängenden, mit Wirkſamkeit auszuübenden
Militairhoheit vereinigt. Hieraus erklärt ſich, daß die Mehrzahl
der Staaten bereit war, die Ausübung der ihnen verbliebenen
Rechte durch Militairkonventionen an Preußen abzutreten, da dieſe
Ceſſion den Staaten ein wirkliches Opfer an politiſcher Macht nicht
auferlegte; und es erklärt ſich ferner hieraus, daß Militairkonven-
tionen nur mit Preußen, und in keinem einzigen Falle mit einem
andern Bundesgliede abgeſchloſſen worden ſind. Die Rechte, welche
den Einzelſtaaten noch verblieben ſind, erſcheinen gleichſam als ein
ihnen gelaſſenes Andenken an ihre ehemalige Souveränetät; denn
wenn man einem Staate, der rechtlich nicht befugt iſt, phyſiſche
Machtmittel zu organiſiren und zur Anwendung zu bringen, die
Eigenſchaft der Souveränetät zuſchreibt, ſo muß man dieſes Wort
in einer ſehr eigenthümlichen, von dem gemeinen Sprachgebrauch
abweichenden Bedeutung verſtehen, jedenfalls nicht in demjenigen
Sinne, in dem es als ſtaatsrechtlicher Begriff von Werth iſt, näm-
lich als höchſte öffentliche Gewalt.

Die nach der Reichsverfaſſung den Landesherren der Einzel-
ſtaaten und den Senaten der freien Städte verbliebenen Rechte
laſſen ſich auf folgende Kategorien zurückführen.

I. Die Kontingentsherrlichkeit.

Die Landmacht des Reiches bildet — wie oben S. 6 dar-
gethan worden iſt — kein einheitliches Heer, ſondern iſt aus den

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[60/0070] §. 81. Die Militairhoheitsrechte der Einzelſtaaten. demnach die Kompetenz des Einzelſtaates, beziehentl. des Landes- herrn, die Regel und die Kompetenz des Reiches, beziehentl. des Kaiſers, die Ausnahme, für welche es in jedem einzelnen Falle eines beſonderen geſetzlichen Grundes bedarf. Praktiſch iſt dieſes Verhältniß aber nur für Bayern durch- geführt; den andern Staaten gegenüber hat die Ausnahme in ſo weitem Umfange die Regel durchlöchert, daß die ihnen verbliebenen Reſte der Militairhoheit von geringfügiger Bedeutung ſind. Eine ſelbſtſtändige Entfaltung militairiſcher Macht iſt ihnen ebenſo ent- zogen, wie eine ſelbſtſtändige Ausübung der Geſetzgebung, Organi- ſation, Verwaltung und des Oberbefehls und es iſt demnach der Reſt, den die R.V. den Bundesgliedern gelaſſen hat, werthlos, ausgenommen in Preußen, weil hier dieſer dem Könige verbliebene Reſt ſich mit der dem Kaiſer zuſtehenden Machtbefugniß wieder zur vollen, zuſammenhängenden, mit Wirkſamkeit auszuübenden Militairhoheit vereinigt. Hieraus erklärt ſich, daß die Mehrzahl der Staaten bereit war, die Ausübung der ihnen verbliebenen Rechte durch Militairkonventionen an Preußen abzutreten, da dieſe Ceſſion den Staaten ein wirkliches Opfer an politiſcher Macht nicht auferlegte; und es erklärt ſich ferner hieraus, daß Militairkonven- tionen nur mit Preußen, und in keinem einzigen Falle mit einem andern Bundesgliede abgeſchloſſen worden ſind. Die Rechte, welche den Einzelſtaaten noch verblieben ſind, erſcheinen gleichſam als ein ihnen gelaſſenes Andenken an ihre ehemalige Souveränetät; denn wenn man einem Staate, der rechtlich nicht befugt iſt, phyſiſche Machtmittel zu organiſiren und zur Anwendung zu bringen, die Eigenſchaft der Souveränetät zuſchreibt, ſo muß man dieſes Wort in einer ſehr eigenthümlichen, von dem gemeinen Sprachgebrauch abweichenden Bedeutung verſtehen, jedenfalls nicht in demjenigen Sinne, in dem es als ſtaatsrechtlicher Begriff von Werth iſt, näm- lich als höchſte öffentliche Gewalt. Die nach der Reichsverfaſſung den Landesherren der Einzel- ſtaaten und den Senaten der freien Städte verbliebenen Rechte laſſen ſich auf folgende Kategorien zurückführen. I. Die Kontingentsherrlichkeit. Die Landmacht des Reiches bildet — wie oben S. 6 dar- gethan worden iſt — kein einheitliches Heer, ſondern iſt aus den

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/70>, abgerufen am 24.11.2024.