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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 80. Die Gemeinschaft d. Lasten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.
zuhebenden Rekruten an die Truppen des Reichsheeres ist das
militairische Bedürfniß bestimmend 1); da über dieses Be-
dürfniß aber der Kaiser resp. die Militairkommandobehörde zu ent-
scheiden hat, so folgt, daß die aus einem Aushebungsbezirk oder
Staatsgebiet gestellten Rekruten nach Anordnung des Kaisers in
jeden beliebigen Truppenkörper des ganzen Reichsheeres eingestellt
werden können, ohne daß der Regierung des Einzelstaates ein
Widerspruchsrecht zusteht. An diesem Rechtssatz wird auch dadurch
nichts geändert, daß thatsächlich die meisten Truppenkörper, insbe-
sondere die Linien-Infanterie-Regimenter, bestimmte Rekrutirungs-
bezirke haben. Der erwähnte Rechtssatz kann in doppelter Richtung
wirksam werden; es können sowohl in das Kontingent des einzel-
nen Staates die in andern Staaten ausgehobenen Rekruten einge-
stellt als auch die im eigenen Staatsgebiet zur Aushebung ge-
langten Rekruten zur Kompletirung anderer Kontingente verwendet
werden. Für eine große Zahl von Staaten ist aber die Anwen-
dung dieses Grundsatzes ausgeschlossen oder beschränkt und zwar
in folgender Weise:

a) Verfassungsmäßig ist der Grundsatz gänzlich aus-
geschlossen für Bayern und zwar durch den Zusatz, welchen Art.
58 der R.V. in dem Vertrage v. 23. Nov. 1870 erhalten hat,
wonach Bayern die Lasten seines Kriegswesens ausschließlich
und allein
trägt und durch den Ausschluß des militairischen
Oberbefehls u. s. w. des Kaisers über die Bayerische Armee im
Frieden. In das Bayrische Kontingent können daher weder die in
andern Bundesstaaten ausgehobenen Rekruten eingereiht werden,
noch kann der in Bayern gestellte Ersatz für andere Kontingente in

zur Erfüllung der Militairpflicht in demjenigen Bundesstaat resp. Aushebungs-
bezirke herangezogen werde, in welchem er seinen Wohnsitz hat (Wehr-
gesetz §. 17 Milit.Ges. §. 12. Siehe unten §. 88), ein Recht, das ihn freilich
nicht davor schützt, nach erfolgter Einreihung in das Heer in einen beliebigen
Theil des Reichsgebiets geschickt zu werden; dieses Recht des einzelnen Wehr-
pflichtigen ist aber nicht zu verwechseln mit dem Anspruch der einzelnen Staaten,
die von ihnen gestellten Rekruten zur Kompletirung ihrer eigenen Kontingente
zu verwenden.
1) Mil.Ges. §. 9 Abs. 4. Durch die Aufnahme dieser Anordnung in den
§. 9 ist das Verständniß sehr erschwert worden, da dieser Gesetzesparagraph
sehr heterogene Dinge zusammenfaßt. Vgl. die Erläuterungen, welche Seydel
in Hirth's Annalen 1875 S. 1454 fg. giebt.

§. 80. Die Gemeinſchaft d. Laſten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.
zuhebenden Rekruten an die Truppen des Reichsheeres iſt das
militairiſche Bedürfniß beſtimmend 1); da über dieſes Be-
dürfniß aber der Kaiſer reſp. die Militairkommandobehörde zu ent-
ſcheiden hat, ſo folgt, daß die aus einem Aushebungsbezirk oder
Staatsgebiet geſtellten Rekruten nach Anordnung des Kaiſers in
jeden beliebigen Truppenkörper des ganzen Reichsheeres eingeſtellt
werden können, ohne daß der Regierung des Einzelſtaates ein
Widerſpruchsrecht zuſteht. An dieſem Rechtsſatz wird auch dadurch
nichts geändert, daß thatſächlich die meiſten Truppenkörper, insbe-
ſondere die Linien-Infanterie-Regimenter, beſtimmte Rekrutirungs-
bezirke haben. Der erwähnte Rechtsſatz kann in doppelter Richtung
wirkſam werden; es können ſowohl in das Kontingent des einzel-
nen Staates die in andern Staaten ausgehobenen Rekruten einge-
ſtellt als auch die im eigenen Staatsgebiet zur Aushebung ge-
langten Rekruten zur Kompletirung anderer Kontingente verwendet
werden. Für eine große Zahl von Staaten iſt aber die Anwen-
dung dieſes Grundſatzes ausgeſchloſſen oder beſchränkt und zwar
in folgender Weiſe:

a) Verfaſſungsmäßig iſt der Grundſatz gänzlich aus-
geſchloſſen für Bayern und zwar durch den Zuſatz, welchen Art.
58 der R.V. in dem Vertrage v. 23. Nov. 1870 erhalten hat,
wonach Bayern die Laſten ſeines Kriegsweſens ausſchließlich
und allein
trägt und durch den Ausſchluß des militairiſchen
Oberbefehls u. ſ. w. des Kaiſers über die Bayeriſche Armee im
Frieden. In das Bayriſche Kontingent können daher weder die in
andern Bundesſtaaten ausgehobenen Rekruten eingereiht werden,
noch kann der in Bayern geſtellte Erſatz für andere Kontingente in

zur Erfüllung der Militairpflicht in demjenigen Bundesſtaat reſp. Aushebungs-
bezirke herangezogen werde, in welchem er ſeinen Wohnſitz hat (Wehr-
geſetz §. 17 Milit.Geſ. §. 12. Siehe unten §. 88), ein Recht, das ihn freilich
nicht davor ſchützt, nach erfolgter Einreihung in das Heer in einen beliebigen
Theil des Reichsgebiets geſchickt zu werden; dieſes Recht des einzelnen Wehr-
pflichtigen iſt aber nicht zu verwechſeln mit dem Anſpruch der einzelnen Staaten,
die von ihnen geſtellten Rekruten zur Kompletirung ihrer eigenen Kontingente
zu verwenden.
1) Mil.Geſ. §. 9 Abſ. 4. Durch die Aufnahme dieſer Anordnung in den
§. 9 iſt das Verſtändniß ſehr erſchwert worden, da dieſer Geſetzesparagraph
ſehr heterogene Dinge zuſammenfaßt. Vgl. die Erläuterungen, welche Seydel
in Hirth’s Annalen 1875 S. 1454 fg. giebt.
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[54/0064] §. 80. Die Gemeinſchaft d. Laſten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht. zuhebenden Rekruten an die Truppen des Reichsheeres iſt das militairiſche Bedürfniß beſtimmend 1); da über dieſes Be- dürfniß aber der Kaiſer reſp. die Militairkommandobehörde zu ent- ſcheiden hat, ſo folgt, daß die aus einem Aushebungsbezirk oder Staatsgebiet geſtellten Rekruten nach Anordnung des Kaiſers in jeden beliebigen Truppenkörper des ganzen Reichsheeres eingeſtellt werden können, ohne daß der Regierung des Einzelſtaates ein Widerſpruchsrecht zuſteht. An dieſem Rechtsſatz wird auch dadurch nichts geändert, daß thatſächlich die meiſten Truppenkörper, insbe- ſondere die Linien-Infanterie-Regimenter, beſtimmte Rekrutirungs- bezirke haben. Der erwähnte Rechtsſatz kann in doppelter Richtung wirkſam werden; es können ſowohl in das Kontingent des einzel- nen Staates die in andern Staaten ausgehobenen Rekruten einge- ſtellt als auch die im eigenen Staatsgebiet zur Aushebung ge- langten Rekruten zur Kompletirung anderer Kontingente verwendet werden. Für eine große Zahl von Staaten iſt aber die Anwen- dung dieſes Grundſatzes ausgeſchloſſen oder beſchränkt und zwar in folgender Weiſe: a) Verfaſſungsmäßig iſt der Grundſatz gänzlich aus- geſchloſſen für Bayern und zwar durch den Zuſatz, welchen Art. 58 der R.V. in dem Vertrage v. 23. Nov. 1870 erhalten hat, wonach Bayern die Laſten ſeines Kriegsweſens ausſchließlich und allein trägt und durch den Ausſchluß des militairiſchen Oberbefehls u. ſ. w. des Kaiſers über die Bayeriſche Armee im Frieden. In das Bayriſche Kontingent können daher weder die in andern Bundesſtaaten ausgehobenen Rekruten eingereiht werden, noch kann der in Bayern geſtellte Erſatz für andere Kontingente in 3) 1) Mil.Geſ. §. 9 Abſ. 4. Durch die Aufnahme dieſer Anordnung in den §. 9 iſt das Verſtändniß ſehr erſchwert worden, da dieſer Geſetzesparagraph ſehr heterogene Dinge zuſammenfaßt. Vgl. die Erläuterungen, welche Seydel in Hirth’s Annalen 1875 S. 1454 fg. giebt. 3) zur Erfüllung der Militairpflicht in demjenigen Bundesſtaat reſp. Aushebungs- bezirke herangezogen werde, in welchem er ſeinen Wohnſitz hat (Wehr- geſetz §. 17 Milit.Geſ. §. 12. Siehe unten §. 88), ein Recht, das ihn freilich nicht davor ſchützt, nach erfolgter Einreihung in das Heer in einen beliebigen Theil des Reichsgebiets geſchickt zu werden; dieſes Recht des einzelnen Wehr- pflichtigen iſt aber nicht zu verwechſeln mit dem Anſpruch der einzelnen Staaten, die von ihnen geſtellten Rekruten zur Kompletirung ihrer eigenen Kontingente zu verwenden.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/64>, abgerufen am 24.11.2024.