Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.
17. Vereinbarung zwischen Preußen, Bayern und Württemberg
bezüglich der Festung Ulm. de dato Ulm den
16. Juni 1874.
§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.

I. Den Bereich des Armee-Befehls von dem Bereich der
Armee-Verordnung scharf und prinzipiell abzugränzen, ist nicht
möglich; denn die wesentlichen Kriterien sind beiden Begriffen ge-
meinsam: es sind Unterarten des Verwaltungsbefehls. Die Armee-
Verwaltung unterscheidet sich in dieser Beziehung nicht im Geringsten
von jeder anderen Verwaltung und sowie der dienstliche Befehl
irgend eines Beamten an seinen Untergebenen, eine bestimmte ein-
zelne Handlung zu verrichten, von der allgemeinen, auf unzählige
Fälle anwendbaren Verordnung (Generalverfügung) des obersten
Verwaltungschefs hinsichtlich ihres juristischen Wesens und ihrer
rechtlichen Wirkung nicht verschieden ist, so besteht auch keine we-
sentliche juristische Differenz zwischen dem Befehl des Unteroffiziers
an den Rekruten, sich rechts umzukehren, und einer Anordnung des
obersten Kriegsherrn, die vielleicht von dem eingreifendsten Einfluß
auf die ganze Ausbildung, Bewaffnung, Uniformirung u. s. w. der
Armee ist 1). Der Sprachgebrauch unterscheidet freilich, indem man
den Befehl zu einer einzelnen bestimmten Handlung gewöhnlich
nicht als Verordnung und andererseits die Anordnung dauernder
Einrichtungen und allgemeiner Verhaltungsregeln nicht als Dienst-
befehl bezeichnet; eine bestimmte Gränze aber, nach welcher mit
Sicherheit zu entscheiden wäre, ob eine Ordre Dienstbefehl oder
ob sie Verordnung ist, läßt sich nicht feststellen. Der Rechtsgrund
für die Verbindlichkeit des Befehls ist in allen Fällen die Dienst-
pflicht
und die in derselben enthaltene Pflicht zum Gehorsam;
auch in dieser Hinsicht gelten für die Armee keine anderen Prin-
zipien wie für die Civilverwaltungszweige, nur daß die militairische
Gehorsamspflicht einen größeren Umfang hat und durch strengere
Strafen gegen Verletzungen gesichert ist 2). Aus dem angegebenen
Prinzip folgt, daß das Recht des Oberbefehls an und für sich

1) Vgl. oben Bd. II S. 222 fg.
2) Siehe unten §. 88. IV. §. 89. II. 2.
3*
§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.
17. Vereinbarung zwiſchen Preußen, Bayern und Württemberg
bezüglich der Feſtung Ulm. de dato Ulm den
16. Juni 1874.
§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.

I. Den Bereich des Armee-Befehls von dem Bereich der
Armee-Verordnung ſcharf und prinzipiell abzugränzen, iſt nicht
möglich; denn die weſentlichen Kriterien ſind beiden Begriffen ge-
meinſam: es ſind Unterarten des Verwaltungsbefehls. Die Armee-
Verwaltung unterſcheidet ſich in dieſer Beziehung nicht im Geringſten
von jeder anderen Verwaltung und ſowie der dienſtliche Befehl
irgend eines Beamten an ſeinen Untergebenen, eine beſtimmte ein-
zelne Handlung zu verrichten, von der allgemeinen, auf unzählige
Fälle anwendbaren Verordnung (Generalverfügung) des oberſten
Verwaltungschefs hinſichtlich ihres juriſtiſchen Weſens und ihrer
rechtlichen Wirkung nicht verſchieden iſt, ſo beſteht auch keine we-
ſentliche juriſtiſche Differenz zwiſchen dem Befehl des Unteroffiziers
an den Rekruten, ſich rechts umzukehren, und einer Anordnung des
oberſten Kriegsherrn, die vielleicht von dem eingreifendſten Einfluß
auf die ganze Ausbildung, Bewaffnung, Uniformirung u. ſ. w. der
Armee iſt 1). Der Sprachgebrauch unterſcheidet freilich, indem man
den Befehl zu einer einzelnen beſtimmten Handlung gewöhnlich
nicht als Verordnung und andererſeits die Anordnung dauernder
Einrichtungen und allgemeiner Verhaltungsregeln nicht als Dienſt-
befehl bezeichnet; eine beſtimmte Gränze aber, nach welcher mit
Sicherheit zu entſcheiden wäre, ob eine Ordre Dienſtbefehl oder
ob ſie Verordnung iſt, läßt ſich nicht feſtſtellen. Der Rechtsgrund
für die Verbindlichkeit des Befehls iſt in allen Fällen die Dienſt-
pflicht
und die in derſelben enthaltene Pflicht zum Gehorſam;
auch in dieſer Hinſicht gelten für die Armee keine anderen Prin-
zipien wie für die Civilverwaltungszweige, nur daß die militairiſche
Gehorſamspflicht einen größeren Umfang hat und durch ſtrengere
Strafen gegen Verletzungen geſichert iſt 2). Aus dem angegebenen
Prinzip folgt, daß das Recht des Oberbefehls an und für ſich

1) Vgl. oben Bd. II S. 222 fg.
2) Siehe unten §. 88. IV. §. 89. II. 2.
3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0045" n="35"/>
              <fw place="top" type="header">§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.</fw><lb/>
              <list>
                <item>17. Vereinbarung zwi&#x017F;chen Preußen, Bayern und Württemberg<lb/><hi rendition="#g">bezüglich der Fe&#x017F;tung Ulm</hi>. <hi rendition="#aq">de dato</hi> Ulm den<lb/>
16. Juni 1874.</item>
              </list>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 79. <hi rendition="#b">Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.</hi></head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">I.</hi> Den Bereich des Armee-Befehls von dem Bereich der<lb/>
Armee-Verordnung &#x017F;charf und prinzipiell abzugränzen, i&#x017F;t nicht<lb/>
möglich; denn die we&#x017F;entlichen Kriterien &#x017F;ind beiden Begriffen ge-<lb/>
mein&#x017F;am: es &#x017F;ind Unterarten des Verwaltungsbefehls. Die Armee-<lb/>
Verwaltung unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich in die&#x017F;er Beziehung nicht im Gering&#x017F;ten<lb/>
von jeder anderen Verwaltung und &#x017F;owie der dien&#x017F;tliche Befehl<lb/>
irgend eines Beamten an &#x017F;einen Untergebenen, eine be&#x017F;timmte ein-<lb/>
zelne Handlung zu verrichten, von der allgemeinen, auf unzählige<lb/>
Fälle anwendbaren Verordnung (Generalverfügung) des ober&#x017F;ten<lb/>
Verwaltungschefs hin&#x017F;ichtlich ihres juri&#x017F;ti&#x017F;chen We&#x017F;ens und ihrer<lb/>
rechtlichen Wirkung nicht ver&#x017F;chieden i&#x017F;t, &#x017F;o be&#x017F;teht auch keine we-<lb/>
&#x017F;entliche juri&#x017F;ti&#x017F;che Differenz zwi&#x017F;chen dem Befehl des Unteroffiziers<lb/>
an den Rekruten, &#x017F;ich rechts umzukehren, und einer Anordnung des<lb/>
ober&#x017F;ten Kriegsherrn, die vielleicht von dem eingreifend&#x017F;ten Einfluß<lb/>
auf die ganze Ausbildung, Bewaffnung, Uniformirung u. &#x017F;. w. der<lb/>
Armee i&#x017F;t <note place="foot" n="1)">Vgl. oben Bd. <hi rendition="#aq">II</hi> S. 222 fg.</note>. Der Sprachgebrauch unter&#x017F;cheidet freilich, indem man<lb/>
den Befehl zu einer einzelnen be&#x017F;timmten Handlung gewöhnlich<lb/>
nicht als Verordnung und anderer&#x017F;eits die Anordnung dauernder<lb/>
Einrichtungen und allgemeiner Verhaltungsregeln nicht als Dien&#x017F;t-<lb/>
befehl bezeichnet; eine be&#x017F;timmte Gränze aber, nach welcher mit<lb/>
Sicherheit zu ent&#x017F;cheiden wäre, ob eine Ordre Dien&#x017F;tbefehl oder<lb/>
ob &#x017F;ie Verordnung i&#x017F;t, läßt &#x017F;ich nicht fe&#x017F;t&#x017F;tellen. Der Rechtsgrund<lb/>
für die Verbindlichkeit des Befehls i&#x017F;t in allen Fällen die <hi rendition="#g">Dien&#x017F;t-<lb/>
pflicht</hi> und die in der&#x017F;elben enthaltene Pflicht zum Gehor&#x017F;am;<lb/>
auch in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht gelten für die Armee keine anderen Prin-<lb/>
zipien wie für die Civilverwaltungszweige, nur daß die militairi&#x017F;che<lb/>
Gehor&#x017F;amspflicht einen größeren Umfang hat und durch &#x017F;trengere<lb/>
Strafen gegen Verletzungen ge&#x017F;ichert i&#x017F;t <note place="foot" n="2)">Siehe unten §. 88. <hi rendition="#aq">IV.</hi> §. 89. <hi rendition="#aq">II.</hi> 2.</note>. Aus dem angegebenen<lb/>
Prinzip folgt, daß das Recht des Oberbefehls an und für &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0045] §. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. 17. Vereinbarung zwiſchen Preußen, Bayern und Württemberg bezüglich der Feſtung Ulm. de dato Ulm den 16. Juni 1874. §. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. I. Den Bereich des Armee-Befehls von dem Bereich der Armee-Verordnung ſcharf und prinzipiell abzugränzen, iſt nicht möglich; denn die weſentlichen Kriterien ſind beiden Begriffen ge- meinſam: es ſind Unterarten des Verwaltungsbefehls. Die Armee- Verwaltung unterſcheidet ſich in dieſer Beziehung nicht im Geringſten von jeder anderen Verwaltung und ſowie der dienſtliche Befehl irgend eines Beamten an ſeinen Untergebenen, eine beſtimmte ein- zelne Handlung zu verrichten, von der allgemeinen, auf unzählige Fälle anwendbaren Verordnung (Generalverfügung) des oberſten Verwaltungschefs hinſichtlich ihres juriſtiſchen Weſens und ihrer rechtlichen Wirkung nicht verſchieden iſt, ſo beſteht auch keine we- ſentliche juriſtiſche Differenz zwiſchen dem Befehl des Unteroffiziers an den Rekruten, ſich rechts umzukehren, und einer Anordnung des oberſten Kriegsherrn, die vielleicht von dem eingreifendſten Einfluß auf die ganze Ausbildung, Bewaffnung, Uniformirung u. ſ. w. der Armee iſt 1). Der Sprachgebrauch unterſcheidet freilich, indem man den Befehl zu einer einzelnen beſtimmten Handlung gewöhnlich nicht als Verordnung und andererſeits die Anordnung dauernder Einrichtungen und allgemeiner Verhaltungsregeln nicht als Dienſt- befehl bezeichnet; eine beſtimmte Gränze aber, nach welcher mit Sicherheit zu entſcheiden wäre, ob eine Ordre Dienſtbefehl oder ob ſie Verordnung iſt, läßt ſich nicht feſtſtellen. Der Rechtsgrund für die Verbindlichkeit des Befehls iſt in allen Fällen die Dienſt- pflicht und die in derſelben enthaltene Pflicht zum Gehorſam; auch in dieſer Hinſicht gelten für die Armee keine anderen Prin- zipien wie für die Civilverwaltungszweige, nur daß die militairiſche Gehorſamspflicht einen größeren Umfang hat und durch ſtrengere Strafen gegen Verletzungen geſichert iſt 2). Aus dem angegebenen Prinzip folgt, daß das Recht des Oberbefehls an und für ſich 1) Vgl. oben Bd. II S. 222 fg. 2) Siehe unten §. 88. IV. §. 89. II. 2. 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/45
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/45>, abgerufen am 22.12.2024.