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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
langt. Allein gleich nach Erlaß der Nordd. Bundesverf. hat die
schlechte und unklare Fassung des Art. 61 der R.V. eine unrichtige
Auslegung desselben verschuldet und eine Abweichung von dem an-
gegebenen Grundsatz zur Folge gehabt. Das Präsidium des Nord-
deutschen Bundes hat nämlich "auf Grund des Art. 61 der Bundes-
verfassung" durch Verordnungen vom 7. November 1867 (B.G.Bl.
S. 125), vom 29. Dezember 1867 (B.G.Bl. S. 185) und vom
22. Dezember 1868 eine beträchtliche Anzahl der für die Preußische
Armee geltenden Vorschriften "im ganzen Bundesgebiete" einge-
führt und ebenso ist durch Kaiserl. Verordnung vom 24. Nov.
1871 die Geltung der V. vom 29. Dezemb. 1867 auf das Groß-
herzogth. Baden ausgedehnt worden. Mag man auch zugeben,
daß dieser Weg der Einführung mit dem Wortlaut des Art. 61
nicht in offenkundigem Widerspruch steht, weil eben Art. 61 darüber
eine bestimmte Anordnung nicht enthält, mag man also nicht soweit
gehen, in dem Erlaß dieser Verordnungen eine Ueberschreitung der
Präsidialbefugnisse zu erblicken und die Verordnungen selbst für
ungültig zu erachten, so ist doch andererseits festzuhalten, daß diese
Verordnungen zur authentischen Auslegung des Art. 61 nicht ge-
eignet sind und daß Art. 61 nur eine Art von Uebergangsbestim-
mung enthält, nur einen einmaligen Akt, die ungesäumte Einfüh-
rung der damals geltenden Preußischen Gesetzgebung, betrifft, daß
daher der aus den allgemeinen Prinzipien der deutschen Heerver-
fassung hergeleitete und im Art. 63 Abs. 5 der R.V. ausdrücklich
anerkannte Grundsatz durch die Existenz der angeführten Verord-
nungen nicht in Frage gestellt werden kann 1). Die Praxis in
Sachsen und Württemberg hat auch an der richtigen Ansicht con-
stant festgehalten.

Der im Vorstehenden dargelegte, verfassungsmäßige Rechtszu-
stand ist nun aber in folgender Art modifizirt und durch einfachere
Verhältnisse ersetzt worden:

1) Alle Bundesstaaten, welche die Verwaltung ihrer Kontin-
gente dem Kaiser oder dem Könige von Preußen abgetreten und
ihre Truppen dem Verbande der Preußischen Armee eingefügt
haben, haben zugleich das Armee-Verordnungsrecht dem Könige

1) Dem Kaiser schreiben das Verordnungsrecht in Militair-Angelegenheiten
zu Thudichum in v. Holtzendorff's Jahrb. II S. 91 und v. Rönne II,
2 S. 136.

§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
langt. Allein gleich nach Erlaß der Nordd. Bundesverf. hat die
ſchlechte und unklare Faſſung des Art. 61 der R.V. eine unrichtige
Auslegung deſſelben verſchuldet und eine Abweichung von dem an-
gegebenen Grundſatz zur Folge gehabt. Das Präſidium des Nord-
deutſchen Bundes hat nämlich „auf Grund des Art. 61 der Bundes-
verfaſſung“ durch Verordnungen vom 7. November 1867 (B.G.Bl.
S. 125), vom 29. Dezember 1867 (B.G.Bl. S. 185) und vom
22. Dezember 1868 eine beträchtliche Anzahl der für die Preußiſche
Armee geltenden Vorſchriften „im ganzen Bundesgebiete“ einge-
führt und ebenſo iſt durch Kaiſerl. Verordnung vom 24. Nov.
1871 die Geltung der V. vom 29. Dezemb. 1867 auf das Groß-
herzogth. Baden ausgedehnt worden. Mag man auch zugeben,
daß dieſer Weg der Einführung mit dem Wortlaut des Art. 61
nicht in offenkundigem Widerſpruch ſteht, weil eben Art. 61 darüber
eine beſtimmte Anordnung nicht enthält, mag man alſo nicht ſoweit
gehen, in dem Erlaß dieſer Verordnungen eine Ueberſchreitung der
Präſidialbefugniſſe zu erblicken und die Verordnungen ſelbſt für
ungültig zu erachten, ſo iſt doch andererſeits feſtzuhalten, daß dieſe
Verordnungen zur authentiſchen Auslegung des Art. 61 nicht ge-
eignet ſind und daß Art. 61 nur eine Art von Uebergangsbeſtim-
mung enthält, nur einen einmaligen Akt, die ungeſäumte Einfüh-
rung der damals geltenden Preußiſchen Geſetzgebung, betrifft, daß
daher der aus den allgemeinen Prinzipien der deutſchen Heerver-
faſſung hergeleitete und im Art. 63 Abſ. 5 der R.V. ausdrücklich
anerkannte Grundſatz durch die Exiſtenz der angeführten Verord-
nungen nicht in Frage geſtellt werden kann 1). Die Praxis in
Sachſen und Württemberg hat auch an der richtigen Anſicht con-
ſtant feſtgehalten.

Der im Vorſtehenden dargelegte, verfaſſungsmäßige Rechtszu-
ſtand iſt nun aber in folgender Art modifizirt und durch einfachere
Verhältniſſe erſetzt worden:

1) Alle Bundesſtaaten, welche die Verwaltung ihrer Kontin-
gente dem Kaiſer oder dem Könige von Preußen abgetreten und
ihre Truppen dem Verbande der Preußiſchen Armee eingefügt
haben, haben zugleich das Armee-Verordnungsrecht dem Könige

1) Dem Kaiſer ſchreiben das Verordnungsrecht in Militair-Angelegenheiten
zu Thudichum in v. Holtzendorff’s Jahrb. II S. 91 und v. Rönne II,
2 S. 136.
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[24/0034] §. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen. langt. Allein gleich nach Erlaß der Nordd. Bundesverf. hat die ſchlechte und unklare Faſſung des Art. 61 der R.V. eine unrichtige Auslegung deſſelben verſchuldet und eine Abweichung von dem an- gegebenen Grundſatz zur Folge gehabt. Das Präſidium des Nord- deutſchen Bundes hat nämlich „auf Grund des Art. 61 der Bundes- verfaſſung“ durch Verordnungen vom 7. November 1867 (B.G.Bl. S. 125), vom 29. Dezember 1867 (B.G.Bl. S. 185) und vom 22. Dezember 1868 eine beträchtliche Anzahl der für die Preußiſche Armee geltenden Vorſchriften „im ganzen Bundesgebiete“ einge- führt und ebenſo iſt durch Kaiſerl. Verordnung vom 24. Nov. 1871 die Geltung der V. vom 29. Dezemb. 1867 auf das Groß- herzogth. Baden ausgedehnt worden. Mag man auch zugeben, daß dieſer Weg der Einführung mit dem Wortlaut des Art. 61 nicht in offenkundigem Widerſpruch ſteht, weil eben Art. 61 darüber eine beſtimmte Anordnung nicht enthält, mag man alſo nicht ſoweit gehen, in dem Erlaß dieſer Verordnungen eine Ueberſchreitung der Präſidialbefugniſſe zu erblicken und die Verordnungen ſelbſt für ungültig zu erachten, ſo iſt doch andererſeits feſtzuhalten, daß dieſe Verordnungen zur authentiſchen Auslegung des Art. 61 nicht ge- eignet ſind und daß Art. 61 nur eine Art von Uebergangsbeſtim- mung enthält, nur einen einmaligen Akt, die ungeſäumte Einfüh- rung der damals geltenden Preußiſchen Geſetzgebung, betrifft, daß daher der aus den allgemeinen Prinzipien der deutſchen Heerver- faſſung hergeleitete und im Art. 63 Abſ. 5 der R.V. ausdrücklich anerkannte Grundſatz durch die Exiſtenz der angeführten Verord- nungen nicht in Frage geſtellt werden kann 1). Die Praxis in Sachſen und Württemberg hat auch an der richtigen Anſicht con- ſtant feſtgehalten. Der im Vorſtehenden dargelegte, verfaſſungsmäßige Rechtszu- ſtand iſt nun aber in folgender Art modifizirt und durch einfachere Verhältniſſe erſetzt worden: 1) Alle Bundesſtaaten, welche die Verwaltung ihrer Kontin- gente dem Kaiſer oder dem Könige von Preußen abgetreten und ihre Truppen dem Verbande der Preußiſchen Armee eingefügt haben, haben zugleich das Armee-Verordnungsrecht dem Könige 1) Dem Kaiſer ſchreiben das Verordnungsrecht in Militair-Angelegenheiten zu Thudichum in v. Holtzendorff’s Jahrb. II S. 91 und v. Rönne II, 2 S. 136.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/34>, abgerufen am 22.11.2024.