dauernd Geltung haben und welche deshalb mit dem im §. 1 des Militairgesetzes angegebenen Endtermin nicht mit erlöschen. Diese Grundlagen sind folgende:
a) Die im Militairgesetz §. 2 bis 4 angegebenen Kadres und deren Formationen bleiben bestehen 1).
b) Der Grundsatz der Reichsverfassung Art. 63 Abs. 4: "Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand ... der Kontingente des Reichsheeres" gilt fort. Die Behauptung, daß diese Anordnung durch das Militairgesetz §. 1 aufgehoben sei, ist eine ganz grundlose. Diese Bestimmung steht in der R.V. neben dem Art. 60, kann also mit ihr nicht im Widerspruch sich befinden; das Gesetz vom 9. Dezember 1871 und das Milit.-Gesetz §. 1 haben den im Art. 60 enthaltenen Satz prolongirt, haben sich also ebenfalls nicht an Stelle der Regel des Art. 63 Abs. 4, sondern neben diese Regel gesetzt. Sie enthalten allerdings eine Einschränkung derselben, indem der Kaiser die für jedes Jahr in das Heer einzustellenden Rekruten "nach Maßgabe des Gesetzes" zu bestimmen hat 2); sobald aber die Geltung des Militairgesetzes erlischt, hört eben nur diese Einschränkung auf, aber nicht die im Art. 63 Abs. 4 der R.V. sanctionirte dauernde Regel.
c) Die allgemeine Wehrpflicht dauert in dem Umfange, den die Reichsverfassung, das Wehrgesetz und das Militairgesetz normirt haben, fort; die Reichsangehörigen können also nach Vor- schrift dieses Gesetzes zum Dienst herangezogen werden ohne Rück- sicht darauf, ob eine Präsenzstärke des Heeres gesetzlich festgestellt ist oder nicht.
d) Der im Art. 62 Abs. 2 der R.V. enthaltene Grundsatz hat dauernde Geltung. Er lautet: "Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beiträge von den einzelnen Staaten des Bundes zur Reichskasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung derselben wird die im Art. 60 interimistisch festgestellte Friedens-Präsenzstärke so lange festgehalten, bis sie durch ein Reichsgesetz abgeändert ist." Die Behauptung, daß diese Bestimmung ihre Geltung verloren habe, seitdem an die Stelle des Pauschquantums die jährliche Ver-
1) Siehe oben S. 79 fg.
2) Wehrges. v. 1867 §. 9.
§. 83. Das ſtehende Heer.
dauernd Geltung haben und welche deshalb mit dem im §. 1 des Militairgeſetzes angegebenen Endtermin nicht mit erlöſchen. Dieſe Grundlagen ſind folgende:
a) Die im Militairgeſetz §. 2 bis 4 angegebenen Kadres und deren Formationen bleiben beſtehen 1).
b) Der Grundſatz der Reichsverfaſſung Art. 63 Abſ. 4: „Der Kaiſer beſtimmt den Präſenzſtand … der Kontingente des Reichsheeres“ gilt fort. Die Behauptung, daß dieſe Anordnung durch das Militairgeſetz §. 1 aufgehoben ſei, iſt eine ganz grundloſe. Dieſe Beſtimmung ſteht in der R.V. neben dem Art. 60, kann alſo mit ihr nicht im Widerſpruch ſich befinden; das Geſetz vom 9. Dezember 1871 und das Milit.-Geſetz §. 1 haben den im Art. 60 enthaltenen Satz prolongirt, haben ſich alſo ebenfalls nicht an Stelle der Regel des Art. 63 Abſ. 4, ſondern neben dieſe Regel geſetzt. Sie enthalten allerdings eine Einſchränkung derſelben, indem der Kaiſer die für jedes Jahr in das Heer einzuſtellenden Rekruten „nach Maßgabe des Geſetzes“ zu beſtimmen hat 2); ſobald aber die Geltung des Militairgeſetzes erliſcht, hört eben nur dieſe Einſchränkung auf, aber nicht die im Art. 63 Abſ. 4 der R.V. ſanctionirte dauernde Regel.
c) Die allgemeine Wehrpflicht dauert in dem Umfange, den die Reichsverfaſſung, das Wehrgeſetz und das Militairgeſetz normirt haben, fort; die Reichsangehörigen können alſo nach Vor- ſchrift dieſes Geſetzes zum Dienſt herangezogen werden ohne Rück- ſicht darauf, ob eine Präſenzſtärke des Heeres geſetzlich feſtgeſtellt iſt oder nicht.
d) Der im Art. 62 Abſ. 2 der R.V. enthaltene Grundſatz hat dauernde Geltung. Er lautet: „Nach dem 31. Dezember 1871 müſſen dieſe Beiträge von den einzelnen Staaten des Bundes zur Reichskaſſe fortgezahlt werden. Zur Berechnung derſelben wird die im Art. 60 interimiſtiſch feſtgeſtellte Friedens-Präſenzſtärke ſo lange feſtgehalten, bis ſie durch ein Reichsgeſetz abgeändert iſt.“ Die Behauptung, daß dieſe Beſtimmung ihre Geltung verloren habe, ſeitdem an die Stelle des Pauſchquantums die jährliche Ver-
1) Siehe oben S. 79 fg.
2) Wehrgeſ. v. 1867 §. 9.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0102"n="92"/><fwplace="top"type="header">§. 83. Das ſtehende Heer.</fw><lb/>
dauernd Geltung haben und welche deshalb mit dem im §. 1 des<lb/>
Militairgeſetzes angegebenen Endtermin nicht mit erlöſchen. Dieſe<lb/>
Grundlagen ſind folgende:</p><lb/><p><hirendition="#aq">a</hi>) Die im Militairgeſetz §. 2 bis 4 angegebenen Kadres und<lb/>
deren Formationen bleiben beſtehen <noteplace="foot"n="1)">Siehe oben S. 79 fg.</note>.</p><lb/><p><hirendition="#aq">b</hi>) <hirendition="#g">Der Grundſatz der Reichsverfaſſung Art. 63<lb/>
Abſ. 4: „Der Kaiſer beſtimmt den Präſenzſtand …<lb/>
der Kontingente des Reichsheeres“ gilt fort</hi>. Die<lb/>
Behauptung, daß dieſe Anordnung durch das Militairgeſetz §. 1<lb/><hirendition="#g">aufgehoben</hi>ſei, iſt eine ganz grundloſe. Dieſe Beſtimmung<lb/>ſteht in der R.V. <hirendition="#g">neben</hi> dem Art. 60, kann alſo mit ihr nicht<lb/>
im Widerſpruch ſich befinden; das Geſetz vom 9. Dezember 1871<lb/>
und das Milit.-Geſetz §. 1 haben den im Art. 60 enthaltenen Satz<lb/>
prolongirt, haben ſich alſo ebenfalls nicht an Stelle der Regel des<lb/>
Art. 63 Abſ. 4, ſondern <hirendition="#g">neben</hi> dieſe Regel geſetzt. Sie enthalten<lb/>
allerdings eine Einſchränkung derſelben, indem der Kaiſer die für<lb/>
jedes Jahr in das Heer einzuſtellenden Rekruten „nach Maßgabe<lb/>
des Geſetzes“ zu beſtimmen hat <noteplace="foot"n="2)">Wehrgeſ. v. 1867 §. 9.</note>; ſobald aber die Geltung des<lb/>
Militairgeſetzes erliſcht, <hirendition="#g">hört eben nur dieſe Einſchränkung<lb/>
auf</hi>, aber nicht die im Art. 63 Abſ. 4 der R.V. ſanctionirte<lb/>
dauernde Regel.</p><lb/><p><hirendition="#aq">c</hi>) Die <hirendition="#g">allgemeine Wehrpflicht</hi> dauert in dem Umfange,<lb/>
den die <choice><sic>Reichsverfaſſnng</sic><corr>Reichsverfaſſung</corr></choice>, das Wehrgeſetz und das Militairgeſetz<lb/>
normirt haben, fort; die Reichsangehörigen können alſo nach Vor-<lb/>ſchrift dieſes Geſetzes zum Dienſt herangezogen werden ohne Rück-<lb/>ſicht darauf, ob eine Präſenzſtärke des Heeres geſetzlich feſtgeſtellt<lb/>
iſt oder nicht.</p><lb/><p><hirendition="#aq">d</hi>) Der im Art. 62 Abſ. 2 der R.V. enthaltene Grundſatz hat<lb/>
dauernde Geltung. Er lautet: „Nach dem 31. Dezember 1871<lb/>
müſſen dieſe Beiträge von den einzelnen Staaten des Bundes zur<lb/>
Reichskaſſe fortgezahlt werden. Zur Berechnung derſelben wird<lb/>
die im Art. 60 interimiſtiſch feſtgeſtellte Friedens-Präſenzſtärke ſo<lb/>
lange feſtgehalten, bis ſie durch ein Reichsgeſetz abgeändert iſt.“<lb/>
Die Behauptung, daß dieſe Beſtimmung ihre Geltung verloren<lb/>
habe, ſeitdem an die Stelle des Pauſchquantums die jährliche Ver-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[92/0102]
§. 83. Das ſtehende Heer.
dauernd Geltung haben und welche deshalb mit dem im §. 1 des
Militairgeſetzes angegebenen Endtermin nicht mit erlöſchen. Dieſe
Grundlagen ſind folgende:
a) Die im Militairgeſetz §. 2 bis 4 angegebenen Kadres und
deren Formationen bleiben beſtehen 1).
b) Der Grundſatz der Reichsverfaſſung Art. 63
Abſ. 4: „Der Kaiſer beſtimmt den Präſenzſtand …
der Kontingente des Reichsheeres“ gilt fort. Die
Behauptung, daß dieſe Anordnung durch das Militairgeſetz §. 1
aufgehoben ſei, iſt eine ganz grundloſe. Dieſe Beſtimmung
ſteht in der R.V. neben dem Art. 60, kann alſo mit ihr nicht
im Widerſpruch ſich befinden; das Geſetz vom 9. Dezember 1871
und das Milit.-Geſetz §. 1 haben den im Art. 60 enthaltenen Satz
prolongirt, haben ſich alſo ebenfalls nicht an Stelle der Regel des
Art. 63 Abſ. 4, ſondern neben dieſe Regel geſetzt. Sie enthalten
allerdings eine Einſchränkung derſelben, indem der Kaiſer die für
jedes Jahr in das Heer einzuſtellenden Rekruten „nach Maßgabe
des Geſetzes“ zu beſtimmen hat 2); ſobald aber die Geltung des
Militairgeſetzes erliſcht, hört eben nur dieſe Einſchränkung
auf, aber nicht die im Art. 63 Abſ. 4 der R.V. ſanctionirte
dauernde Regel.
c) Die allgemeine Wehrpflicht dauert in dem Umfange,
den die Reichsverfaſſung, das Wehrgeſetz und das Militairgeſetz
normirt haben, fort; die Reichsangehörigen können alſo nach Vor-
ſchrift dieſes Geſetzes zum Dienſt herangezogen werden ohne Rück-
ſicht darauf, ob eine Präſenzſtärke des Heeres geſetzlich feſtgeſtellt
iſt oder nicht.
d) Der im Art. 62 Abſ. 2 der R.V. enthaltene Grundſatz hat
dauernde Geltung. Er lautet: „Nach dem 31. Dezember 1871
müſſen dieſe Beiträge von den einzelnen Staaten des Bundes zur
Reichskaſſe fortgezahlt werden. Zur Berechnung derſelben wird
die im Art. 60 interimiſtiſch feſtgeſtellte Friedens-Präſenzſtärke ſo
lange feſtgehalten, bis ſie durch ein Reichsgeſetz abgeändert iſt.“
Die Behauptung, daß dieſe Beſtimmung ihre Geltung verloren
habe, ſeitdem an die Stelle des Pauſchquantums die jährliche Ver-
1) Siehe oben S. 79 fg.
2) Wehrgeſ. v. 1867 §. 9.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/102>, abgerufen am 20.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.