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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 83. Das stehende Heer.
des Art. 60 genügt, wenn im Etatsgesetz eine bestimmte Präsenz-
stärke dem Militair-Etat zu Grunde gelegt wird 1).

Es entsteht nun die zwiefache Frage, ob bei der Feststellung der
Friedenspräsenzstärke durch Gesetz Art. 5 Abs. 2 der R.V. Anwen-
dung zu finden habe, und welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein neues
Gesetz über die fernere Präsenzstärke nicht zu Stande kömmt. Diese
beiden Punkte darf man aber nicht durcheinander werfen; die Be-
jahung der Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 2 darf nicht zu dem
Schluß verleiten, als ob damit indirekt eine Fortgeltung der
im Militair-Gesetz §. 1 festgestellten Präsenzziffer auf unbestimmte
Zeit behauptet werde 2).

Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 greift nur Platz bei der
Abstimmung innerhalb des Bundesrathes; hier aber giebt
die Stimme des Präsidiums bei Gesetzesvorschlägen über das
Militairwesen den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechter-
haltung der bestehenden Einrichtungen
ausspricht.
Die Reichsverfassung stellt diesen Satz ganz unbedingt und ohne
Einschränkungen und Unterscheidungen auf; namentlich ist es auch
nicht erforderlich, daß "die bestehende Einrichtung" überhaupt
auf einem Gesetz beruhe 3). Daß aber die durch die Verfassung

1) Vgl. hierzu die trefflichen Erörterungen Seydel's in Hirth's Annalen
S. 1410 ff., welche v. Rönne II. 1 S. 150 mit einigen Kürzungen wie-
dergiebt. Derselben Ansicht ist auch Meyer Staatsrecht S. 517 Note 4. Für
die entgegengesetzte Ansicht erklären sich Thudichum in v. Holtzend. Jahrb.
II S. 109 und H. Schulze in Grünhut's Zeitschrift für das Privat- und
öffentl. Recht II S. 309, jedoch lediglich aus Erwägungen de lege ferenda,
die bereits in den Verhandlungen des Reichstages von 1867, 1871 und 1874
vielfach geltend gemacht worden sind.
2) Diese Verwirrung findet sich in einer Aeußerung des Abg. Reichen-
sperger
(Stenogr. Berichte 1874 I Sess. S. 763), und namentlich bei von
Rönne
II. 1. S. 151 fg.
3) Der Abg. Twesten, auf dessen Antrag der Abs. 2 des Art. 5 in die
Verfassung gekommen ist, sagte im verfassungberathenden Reichstage von 1867
(Stenogr. Ber. S. 309): "Man hat gemeint, statt "Einrichtungen" zu sagen
"Gesetze." Ich glaube aber, daß "Einrichtungen" stehen bleiben müsse. Denn
es giebt manche Einrichtungen sowohl im Militairwesen wie sonst im Staate,
die nicht ausdrücklich auf Gesetzen beruhen, sondern thatsächlich bestehen,
auf welche sich aber künftige Gesetze wohl beziehen können, und ich meine, die
Krone Preußen muß in der Lage sein, auch dann ein Veto einzulegen, wenn
es versucht werden sollte, durch die Gesetzgebung Aenderungen in solchen Ein-
richtungen zu treffen, welche bisher nicht auf ausdrücklichen gesetzlichen Bestim-
mungen beruhen."

§. 83. Das ſtehende Heer.
des Art. 60 genügt, wenn im Etatsgeſetz eine beſtimmte Präſenz-
ſtärke dem Militair-Etat zu Grunde gelegt wird 1).

Es entſteht nun die zwiefache Frage, ob bei der Feſtſtellung der
Friedenspräſenzſtärke durch Geſetz Art. 5 Abſ. 2 der R.V. Anwen-
dung zu finden habe, und welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein neues
Geſetz über die fernere Präſenzſtärke nicht zu Stande kömmt. Dieſe
beiden Punkte darf man aber nicht durcheinander werfen; die Be-
jahung der Anwendbarkeit des Art. 5 Abſ. 2 darf nicht zu dem
Schluß verleiten, als ob damit indirekt eine Fortgeltung der
im Militair-Geſetz §. 1 feſtgeſtellten Präſenzziffer auf unbeſtimmte
Zeit behauptet werde 2).

Die Vorſchrift des Art. 5 Abſ. 2 greift nur Platz bei der
Abſtimmung innerhalb des Bundesrathes; hier aber giebt
die Stimme des Präſidiums bei Geſetzesvorſchlägen über das
Militairweſen den Ausſchlag, wenn ſie ſich für die Aufrechter-
haltung der beſtehenden Einrichtungen
ausſpricht.
Die Reichsverfaſſung ſtellt dieſen Satz ganz unbedingt und ohne
Einſchränkungen und Unterſcheidungen auf; namentlich iſt es auch
nicht erforderlich, daß „die beſtehende Einrichtung“ überhaupt
auf einem Geſetz beruhe 3). Daß aber die durch die Verfaſſung

1) Vgl. hierzu die trefflichen Erörterungen Seydel’s in Hirth’s Annalen
S. 1410 ff., welche v. Rönne II. 1 S. 150 mit einigen Kürzungen wie-
dergiebt. Derſelben Anſicht iſt auch Meyer Staatsrecht S. 517 Note 4. Für
die entgegengeſetzte Anſicht erklären ſich Thudichum in v. Holtzend. Jahrb.
II S. 109 und H. Schulze in Grünhut’s Zeitſchrift für das Privat- und
öffentl. Recht II S. 309, jedoch lediglich aus Erwägungen de lege ferenda,
die bereits in den Verhandlungen des Reichstages von 1867, 1871 und 1874
vielfach geltend gemacht worden ſind.
2) Dieſe Verwirrung findet ſich in einer Aeußerung des Abg. Reichen-
ſperger
(Stenogr. Berichte 1874 I Seſſ. S. 763), und namentlich bei von
Rönne
II. 1. S. 151 fg.
3) Der Abg. Tweſten, auf deſſen Antrag der Abſ. 2 des Art. 5 in die
Verfaſſung gekommen iſt, ſagte im verfaſſungberathenden Reichstage von 1867
(Stenogr. Ber. S. 309): „Man hat gemeint, ſtatt „Einrichtungen“ zu ſagen
„Geſetze.“ Ich glaube aber, daß „Einrichtungen“ ſtehen bleiben müſſe. Denn
es giebt manche Einrichtungen ſowohl im Militairweſen wie ſonſt im Staate,
die nicht ausdrücklich auf Geſetzen beruhen, ſondern thatſächlich beſtehen,
auf welche ſich aber künftige Geſetze wohl beziehen können, und ich meine, die
Krone Preußen muß in der Lage ſein, auch dann ein Veto einzulegen, wenn
es verſucht werden ſollte, durch die Geſetzgebung Aenderungen in ſolchen Ein-
richtungen zu treffen, welche bisher nicht auf ausdrücklichen geſetzlichen Beſtim-
mungen beruhen.“
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[90/0100] §. 83. Das ſtehende Heer. des Art. 60 genügt, wenn im Etatsgeſetz eine beſtimmte Präſenz- ſtärke dem Militair-Etat zu Grunde gelegt wird 1). Es entſteht nun die zwiefache Frage, ob bei der Feſtſtellung der Friedenspräſenzſtärke durch Geſetz Art. 5 Abſ. 2 der R.V. Anwen- dung zu finden habe, und welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein neues Geſetz über die fernere Präſenzſtärke nicht zu Stande kömmt. Dieſe beiden Punkte darf man aber nicht durcheinander werfen; die Be- jahung der Anwendbarkeit des Art. 5 Abſ. 2 darf nicht zu dem Schluß verleiten, als ob damit indirekt eine Fortgeltung der im Militair-Geſetz §. 1 feſtgeſtellten Präſenzziffer auf unbeſtimmte Zeit behauptet werde 2). Die Vorſchrift des Art. 5 Abſ. 2 greift nur Platz bei der Abſtimmung innerhalb des Bundesrathes; hier aber giebt die Stimme des Präſidiums bei Geſetzesvorſchlägen über das Militairweſen den Ausſchlag, wenn ſie ſich für die Aufrechter- haltung der beſtehenden Einrichtungen ausſpricht. Die Reichsverfaſſung ſtellt dieſen Satz ganz unbedingt und ohne Einſchränkungen und Unterſcheidungen auf; namentlich iſt es auch nicht erforderlich, daß „die beſtehende Einrichtung“ überhaupt auf einem Geſetz beruhe 3). Daß aber die durch die Verfaſſung 1) Vgl. hierzu die trefflichen Erörterungen Seydel’s in Hirth’s Annalen S. 1410 ff., welche v. Rönne II. 1 S. 150 mit einigen Kürzungen wie- dergiebt. Derſelben Anſicht iſt auch Meyer Staatsrecht S. 517 Note 4. Für die entgegengeſetzte Anſicht erklären ſich Thudichum in v. Holtzend. Jahrb. II S. 109 und H. Schulze in Grünhut’s Zeitſchrift für das Privat- und öffentl. Recht II S. 309, jedoch lediglich aus Erwägungen de lege ferenda, die bereits in den Verhandlungen des Reichstages von 1867, 1871 und 1874 vielfach geltend gemacht worden ſind. 2) Dieſe Verwirrung findet ſich in einer Aeußerung des Abg. Reichen- ſperger (Stenogr. Berichte 1874 I Seſſ. S. 763), und namentlich bei von Rönne II. 1. S. 151 fg. 3) Der Abg. Tweſten, auf deſſen Antrag der Abſ. 2 des Art. 5 in die Verfaſſung gekommen iſt, ſagte im verfaſſungberathenden Reichstage von 1867 (Stenogr. Ber. S. 309): „Man hat gemeint, ſtatt „Einrichtungen“ zu ſagen „Geſetze.“ Ich glaube aber, daß „Einrichtungen“ ſtehen bleiben müſſe. Denn es giebt manche Einrichtungen ſowohl im Militairweſen wie ſonſt im Staate, die nicht ausdrücklich auf Geſetzen beruhen, ſondern thatſächlich beſtehen, auf welche ſich aber künftige Geſetze wohl beziehen können, und ich meine, die Krone Preußen muß in der Lage ſein, auch dann ein Veto einzulegen, wenn es verſucht werden ſollte, durch die Geſetzgebung Aenderungen in ſolchen Ein- richtungen zu treffen, welche bisher nicht auf ausdrücklichen geſetzlichen Beſtim- mungen beruhen.“

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/100>, abgerufen am 22.11.2024.