Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.§. 83. Das stehende Heer. des Art. 60 genügt, wenn im Etatsgesetz eine bestimmte Präsenz-stärke dem Militair-Etat zu Grunde gelegt wird 1). Es entsteht nun die zwiefache Frage, ob bei der Feststellung der Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 greift nur Platz bei der 1) Vgl. hierzu die trefflichen Erörterungen Seydel's in Hirth's Annalen S. 1410 ff., welche v. Rönne II. 1 S. 150 mit einigen Kürzungen wie- dergiebt. Derselben Ansicht ist auch Meyer Staatsrecht S. 517 Note 4. Für die entgegengesetzte Ansicht erklären sich Thudichum in v. Holtzend. Jahrb. II S. 109 und H. Schulze in Grünhut's Zeitschrift für das Privat- und öffentl. Recht II S. 309, jedoch lediglich aus Erwägungen de lege ferenda, die bereits in den Verhandlungen des Reichstages von 1867, 1871 und 1874 vielfach geltend gemacht worden sind. 2) Diese Verwirrung findet sich in einer Aeußerung des Abg. Reichen- sperger (Stenogr. Berichte 1874 I Sess. S. 763), und namentlich bei von Rönne II. 1. S. 151 fg. 3) Der Abg. Twesten, auf dessen Antrag der Abs. 2 des Art. 5 in die
Verfassung gekommen ist, sagte im verfassungberathenden Reichstage von 1867 (Stenogr. Ber. S. 309): "Man hat gemeint, statt "Einrichtungen" zu sagen "Gesetze." Ich glaube aber, daß "Einrichtungen" stehen bleiben müsse. Denn es giebt manche Einrichtungen sowohl im Militairwesen wie sonst im Staate, die nicht ausdrücklich auf Gesetzen beruhen, sondern thatsächlich bestehen, auf welche sich aber künftige Gesetze wohl beziehen können, und ich meine, die Krone Preußen muß in der Lage sein, auch dann ein Veto einzulegen, wenn es versucht werden sollte, durch die Gesetzgebung Aenderungen in solchen Ein- richtungen zu treffen, welche bisher nicht auf ausdrücklichen gesetzlichen Bestim- mungen beruhen." §. 83. Das ſtehende Heer. des Art. 60 genügt, wenn im Etatsgeſetz eine beſtimmte Präſenz-ſtärke dem Militair-Etat zu Grunde gelegt wird 1). Es entſteht nun die zwiefache Frage, ob bei der Feſtſtellung der Die Vorſchrift des Art. 5 Abſ. 2 greift nur Platz bei der 1) Vgl. hierzu die trefflichen Erörterungen Seydel’s in Hirth’s Annalen S. 1410 ff., welche v. Rönne II. 1 S. 150 mit einigen Kürzungen wie- dergiebt. Derſelben Anſicht iſt auch Meyer Staatsrecht S. 517 Note 4. Für die entgegengeſetzte Anſicht erklären ſich Thudichum in v. Holtzend. Jahrb. II S. 109 und H. Schulze in Grünhut’s Zeitſchrift für das Privat- und öffentl. Recht II S. 309, jedoch lediglich aus Erwägungen de lege ferenda, die bereits in den Verhandlungen des Reichstages von 1867, 1871 und 1874 vielfach geltend gemacht worden ſind. 2) Dieſe Verwirrung findet ſich in einer Aeußerung des Abg. Reichen- ſperger (Stenogr. Berichte 1874 I Seſſ. S. 763), und namentlich bei von Rönne II. 1. S. 151 fg. 3) Der Abg. Tweſten, auf deſſen Antrag der Abſ. 2 des Art. 5 in die
Verfaſſung gekommen iſt, ſagte im verfaſſungberathenden Reichstage von 1867 (Stenogr. Ber. S. 309): „Man hat gemeint, ſtatt „Einrichtungen“ zu ſagen „Geſetze.“ Ich glaube aber, daß „Einrichtungen“ ſtehen bleiben müſſe. Denn es giebt manche Einrichtungen ſowohl im Militairweſen wie ſonſt im Staate, die nicht ausdrücklich auf Geſetzen beruhen, ſondern thatſächlich beſtehen, auf welche ſich aber künftige Geſetze wohl beziehen können, und ich meine, die Krone Preußen muß in der Lage ſein, auch dann ein Veto einzulegen, wenn es verſucht werden ſollte, durch die Geſetzgebung Aenderungen in ſolchen Ein- richtungen zu treffen, welche bisher nicht auf ausdrücklichen geſetzlichen Beſtim- mungen beruhen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0100" n="90"/><fw place="top" type="header">§. 83. Das ſtehende Heer.</fw><lb/> des Art. 60 genügt, wenn im Etatsgeſetz eine beſtimmte Präſenz-<lb/> ſtärke dem Militair-Etat zu Grunde gelegt wird <note place="foot" n="1)">Vgl. hierzu die trefflichen Erörterungen <hi rendition="#g">Seydel</hi>’s in Hirth’s Annalen<lb/> S. 1410 ff., welche v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> 1 S. 150 mit einigen Kürzungen wie-<lb/> dergiebt. Derſelben Anſicht iſt auch <hi rendition="#g">Meyer</hi> Staatsrecht S. 517 Note 4. Für<lb/> die entgegengeſetzte Anſicht erklären ſich <hi rendition="#g">Thudichum</hi> in v. Holtzend. Jahrb.<lb/><hi rendition="#aq">II</hi> S. 109 und H. <hi rendition="#g">Schulze</hi> in Grünhut’s Zeitſchrift für das Privat- und<lb/> öffentl. Recht <hi rendition="#aq">II</hi> S. 309, jedoch lediglich aus Erwägungen <hi rendition="#aq">de lege ferenda,</hi><lb/> die bereits in den Verhandlungen des Reichstages von 1867, 1871 und 1874<lb/> vielfach geltend gemacht worden ſind.</note>.</p><lb/> <p>Es entſteht nun die zwiefache Frage, ob bei der Feſtſtellung der<lb/> Friedenspräſenzſtärke durch Geſetz Art. 5 Abſ. 2 der R.V. Anwen-<lb/> dung zu finden habe, und welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein neues<lb/> Geſetz über die fernere Präſenzſtärke nicht zu Stande kömmt. Dieſe<lb/> beiden Punkte darf man aber nicht durcheinander werfen; die Be-<lb/> jahung der Anwendbarkeit des Art. 5 Abſ. 2 darf nicht zu dem<lb/> Schluß verleiten, als ob damit indirekt eine <hi rendition="#g">Fortgeltung</hi> der<lb/> im Militair-Geſetz §. 1 feſtgeſtellten Präſenzziffer auf unbeſtimmte<lb/> Zeit behauptet werde <note place="foot" n="2)">Dieſe Verwirrung findet ſich in einer Aeußerung des Abg. <hi rendition="#g">Reichen-<lb/> ſperger</hi> (Stenogr. Berichte 1874 <hi rendition="#aq">I</hi> Seſſ. S. 763), und namentlich bei <hi rendition="#g">von<lb/> Rönne</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> 1. S. 151 fg.</note>.</p><lb/> <p>Die Vorſchrift des Art. 5 Abſ. 2 greift nur Platz bei der<lb/> Abſtimmung <hi rendition="#g">innerhalb</hi> des Bundesrathes; hier aber giebt<lb/> die Stimme des Präſidiums bei Geſetzesvorſchlägen über das<lb/> Militairweſen den Ausſchlag, wenn ſie ſich für die <hi rendition="#g">Aufrechter-<lb/> haltung der beſtehenden Einrichtungen</hi> ausſpricht.<lb/> Die Reichsverfaſſung ſtellt dieſen Satz ganz unbedingt und ohne<lb/> Einſchränkungen und Unterſcheidungen auf; namentlich iſt es auch<lb/> nicht erforderlich, daß „die beſtehende Einrichtung“ überhaupt<lb/> auf einem Geſetz beruhe <note place="foot" n="3)">Der Abg. <hi rendition="#g">Tweſten</hi>, auf deſſen Antrag der Abſ. 2 des Art. 5 in die<lb/> Verfaſſung gekommen iſt, ſagte im verfaſſungberathenden Reichstage von 1867<lb/> (Stenogr. Ber. S. 309): „Man hat gemeint, ſtatt „Einrichtungen“ zu ſagen<lb/> „Geſetze.“ Ich glaube aber, daß „Einrichtungen“ ſtehen bleiben müſſe. Denn<lb/> es giebt manche Einrichtungen ſowohl im Militairweſen wie ſonſt im Staate,<lb/> die nicht ausdrücklich auf Geſetzen beruhen, ſondern <hi rendition="#g">thatſächlich</hi> beſtehen,<lb/> auf welche ſich aber künftige Geſetze wohl beziehen können, und ich meine, die<lb/> Krone Preußen muß in der Lage ſein, auch dann ein Veto einzulegen, wenn<lb/> es verſucht werden ſollte, durch die Geſetzgebung Aenderungen in ſolchen Ein-<lb/> richtungen zu treffen, welche bisher nicht auf ausdrücklichen geſetzlichen Beſtim-<lb/> mungen beruhen.“</note>. Daß aber die durch die Verfaſſung<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0100]
§. 83. Das ſtehende Heer.
des Art. 60 genügt, wenn im Etatsgeſetz eine beſtimmte Präſenz-
ſtärke dem Militair-Etat zu Grunde gelegt wird 1).
Es entſteht nun die zwiefache Frage, ob bei der Feſtſtellung der
Friedenspräſenzſtärke durch Geſetz Art. 5 Abſ. 2 der R.V. Anwen-
dung zu finden habe, und welche Rechtsfolgen eintreten, wenn ein neues
Geſetz über die fernere Präſenzſtärke nicht zu Stande kömmt. Dieſe
beiden Punkte darf man aber nicht durcheinander werfen; die Be-
jahung der Anwendbarkeit des Art. 5 Abſ. 2 darf nicht zu dem
Schluß verleiten, als ob damit indirekt eine Fortgeltung der
im Militair-Geſetz §. 1 feſtgeſtellten Präſenzziffer auf unbeſtimmte
Zeit behauptet werde 2).
Die Vorſchrift des Art. 5 Abſ. 2 greift nur Platz bei der
Abſtimmung innerhalb des Bundesrathes; hier aber giebt
die Stimme des Präſidiums bei Geſetzesvorſchlägen über das
Militairweſen den Ausſchlag, wenn ſie ſich für die Aufrechter-
haltung der beſtehenden Einrichtungen ausſpricht.
Die Reichsverfaſſung ſtellt dieſen Satz ganz unbedingt und ohne
Einſchränkungen und Unterſcheidungen auf; namentlich iſt es auch
nicht erforderlich, daß „die beſtehende Einrichtung“ überhaupt
auf einem Geſetz beruhe 3). Daß aber die durch die Verfaſſung
1) Vgl. hierzu die trefflichen Erörterungen Seydel’s in Hirth’s Annalen
S. 1410 ff., welche v. Rönne II. 1 S. 150 mit einigen Kürzungen wie-
dergiebt. Derſelben Anſicht iſt auch Meyer Staatsrecht S. 517 Note 4. Für
die entgegengeſetzte Anſicht erklären ſich Thudichum in v. Holtzend. Jahrb.
II S. 109 und H. Schulze in Grünhut’s Zeitſchrift für das Privat- und
öffentl. Recht II S. 309, jedoch lediglich aus Erwägungen de lege ferenda,
die bereits in den Verhandlungen des Reichstages von 1867, 1871 und 1874
vielfach geltend gemacht worden ſind.
2) Dieſe Verwirrung findet ſich in einer Aeußerung des Abg. Reichen-
ſperger (Stenogr. Berichte 1874 I Seſſ. S. 763), und namentlich bei von
Rönne II. 1. S. 151 fg.
3) Der Abg. Tweſten, auf deſſen Antrag der Abſ. 2 des Art. 5 in die
Verfaſſung gekommen iſt, ſagte im verfaſſungberathenden Reichstage von 1867
(Stenogr. Ber. S. 309): „Man hat gemeint, ſtatt „Einrichtungen“ zu ſagen
„Geſetze.“ Ich glaube aber, daß „Einrichtungen“ ſtehen bleiben müſſe. Denn
es giebt manche Einrichtungen ſowohl im Militairweſen wie ſonſt im Staate,
die nicht ausdrücklich auf Geſetzen beruhen, ſondern thatſächlich beſtehen,
auf welche ſich aber künftige Geſetze wohl beziehen können, und ich meine, die
Krone Preußen muß in der Lage ſein, auch dann ein Veto einzulegen, wenn
es verſucht werden ſollte, durch die Geſetzgebung Aenderungen in ſolchen Ein-
richtungen zu treffen, welche bisher nicht auf ausdrücklichen geſetzlichen Beſtim-
mungen beruhen.“
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