Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 59. Die Verordnungen des Reichs. handelt, in den für Verfassungs-Aenderungen vorgeschriebenen For-men. Dagegen sind die vom Reich delegirten Verordnungen in den vom Reich dafür vorgeschriebenen Formen zu erlassen; es hängt also von dem Wortlaut der Delegation in dem einzelnen Reichsgesetz ab, ob die Ausführungs-Bestimmungen im Wege der Landesgesetzgebung, oder durch landesherrliche Verordnung ("im Verordnungswege") 1), oder durch Verordnung der obersten Re- gierungsbehörden, Ministerien, Finanzbehörden u. dgl. zu erlassen sind 2). Nur wenn das Reichsgesetz Nichts darüber bestimmt, treten die Vorschriften des Landesstaatsrechts ein. Wenn in den Reichsgesetzen demnach auf die in den Einzel- 1) Der Verordnungsweg ist ausdrücklich vorgeschrieben im Ge- nossenschaftsges. v. 4. Juli 1868 §. 72; in der Seemanns-Ordnung §. 23 Abs. 3; im Ges. v. 6. Febr. 1875 §. 79; eine Königl. Bayerische Ver- ordn. im Ges. v. 9. Febr. 1875 §. 3 und im Ges. v. 13. Febr. 1875 §. 18 (R.-G.-Bl. S. 41. 58); eine landesherrliche Verordnung im §. 17 Abs. 2 des Einf.-Ges. zum Gerichtsverfassungsgesetz u. s. w. 2) Die Behauptung v. Mohl's S. 174, daß die Form, in der die den Einzelstaaten übertragenen Ausführungsbestimmungen zu erlassen seien, nach dem Landesstaatsrecht sich bestimme, ist demnach falsch. Richtig Seydel in Hirth's Annalen 1874 S. 1144. 3) In einem und demselben Reichsgesetz kann beides vorkommen; so
enthält z. B. das Ges. über die Bundesflagge v. 25. Okt. 1867 §. 3 u. §. 17 eine Delegation, in §. 19 eine Anerkennung der Autonomie; die Gewerbe- Ordnung enthält im §. 21. 38 eine Delegation, in zahlreichen anderen Artikeln Vorbehalte der Autonomie; das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz ent- hält im §. 8 eine Delegation, im §. 52 einen Vorbehalt der Landesgesetz- gebung; im Reichsmilitairgesetz §. 36 ist den Einzelstaaten die Normirung der Kosten des Rekrutirungsverfahrens übertragen; daselbst im §. 46 die Besteue- rung der Militairpersonen ihrer Autonomie unterworfen; die Strandungs- Ordn. v. 17. Mai 1874 enthält in §. 2. 22. 24 eine Delegation, in §. 45 einen Vorbehalt für die Autonomie; ebenso die Seemanns-Ordnung im §. 4 eine Delegation, im §. 45 einen Vorbehalt für die Autonomie u. s. w. §. 59. Die Verordnungen des Reichs. handelt, in den für Verfaſſungs-Aenderungen vorgeſchriebenen For-men. Dagegen ſind die vom Reich delegirten Verordnungen in den vom Reich dafür vorgeſchriebenen Formen zu erlaſſen; es hängt alſo von dem Wortlaut der Delegation in dem einzelnen Reichsgeſetz ab, ob die Ausführungs-Beſtimmungen im Wege der Landesgeſetzgebung, oder durch landesherrliche Verordnung („im Verordnungswege“) 1), oder durch Verordnung der oberſten Re- gierungsbehörden, Miniſterien, Finanzbehörden u. dgl. zu erlaſſen ſind 2). Nur wenn das Reichsgeſetz Nichts darüber beſtimmt, treten die Vorſchriften des Landesſtaatsrechts ein. Wenn in den Reichsgeſetzen demnach auf die in den Einzel- 1) Der Verordnungsweg iſt ausdrücklich vorgeſchrieben im Ge- noſſenſchaftsgeſ. v. 4. Juli 1868 §. 72; in der Seemanns-Ordnung §. 23 Abſ. 3; im Geſ. v. 6. Febr. 1875 §. 79; eine Königl. Bayeriſche Ver- ordn. im Geſ. v. 9. Febr. 1875 §. 3 und im Geſ. v. 13. Febr. 1875 §. 18 (R.-G.-Bl. S. 41. 58); eine landesherrliche Verordnung im §. 17 Abſ. 2 des Einf.-Geſ. zum Gerichtsverfaſſungsgeſetz u. ſ. w. 2) Die Behauptung v. Mohl’s S. 174, daß die Form, in der die den Einzelſtaaten übertragenen Ausführungsbeſtimmungen zu erlaſſen ſeien, nach dem Landesſtaatsrecht ſich beſtimme, iſt demnach falſch. Richtig Seydel in Hirth’s Annalen 1874 S. 1144. 3) In einem und demſelben Reichsgeſetz kann beides vorkommen; ſo
enthält z. B. das Geſ. über die Bundesflagge v. 25. Okt. 1867 §. 3 u. §. 17 eine Delegation, in §. 19 eine Anerkennung der Autonomie; die Gewerbe- Ordnung enthält im §. 21. 38 eine Delegation, in zahlreichen anderen Artikeln Vorbehalte der Autonomie; das Geſetz über den Unterſtützungswohnſitz ent- hält im §. 8 eine Delegation, im §. 52 einen Vorbehalt der Landesgeſetz- gebung; im Reichsmilitairgeſetz §. 36 iſt den Einzelſtaaten die Normirung der Koſten des Rekrutirungsverfahrens übertragen; daſelbſt im §. 46 die Beſteue- rung der Militairperſonen ihrer Autonomie unterworfen; die Strandungs- Ordn. v. 17. Mai 1874 enthält in §. 2. 22. 24 eine Delegation, in §. 45 einen Vorbehalt für die Autonomie; ebenſo die Seemanns-Ordnung im §. 4 eine Delegation, im §. 45 einen Vorbehalt für die Autonomie u. ſ. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0098" n="84"/><fw place="top" type="header">§. 59. Die Verordnungen des Reichs.</fw><lb/> handelt, in den für Verfaſſungs-Aenderungen vorgeſchriebenen For-<lb/> men. Dagegen ſind die vom Reich <hi rendition="#g">delegirten</hi> Verordnungen<lb/> in den vom Reich dafür vorgeſchriebenen Formen zu erlaſſen; es<lb/> hängt alſo von dem Wortlaut der Delegation in dem einzelnen<lb/> Reichsgeſetz ab, ob die Ausführungs-Beſtimmungen im Wege der<lb/> Landesgeſetzgebung, oder durch landesherrliche Verordnung („im<lb/> Verordnungswege“) <note place="foot" n="1)">Der <hi rendition="#g">Verordnungsweg</hi> iſt ausdrücklich vorgeſchrieben im <hi rendition="#g">Ge-<lb/> noſſenſchaftsgeſ</hi>. v. 4. Juli 1868 §. 72; in der Seemanns-Ordnung §. 23<lb/> Abſ. 3; im Geſ. v. 6. Febr. 1875 §. 79; eine <hi rendition="#g">Königl. Bayeriſche Ver-<lb/> ordn</hi>. im Geſ. v. 9. Febr. 1875 §. 3 und im Geſ. v. 13. Febr. 1875 §. 18<lb/> (R.-G.-Bl. S. 41. 58); eine <hi rendition="#g">landesherrliche Verordnung</hi> im §. 17<lb/> Abſ. 2 des Einf.-Geſ. zum Gerichtsverfaſſungsgeſetz u. ſ. w.</note>, oder durch Verordnung der oberſten Re-<lb/> gierungsbehörden, Miniſterien, Finanzbehörden u. dgl. zu erlaſſen<lb/> ſind <note place="foot" n="2)">Die Behauptung v. <hi rendition="#g">Mohl’s</hi> S. 174, daß die Form, in der die den<lb/> Einzelſtaaten <hi rendition="#g">übertragenen</hi> Ausführungsbeſtimmungen zu erlaſſen ſeien,<lb/> nach dem <hi rendition="#g">Landesſtaatsrecht</hi> ſich beſtimme, iſt demnach falſch. Richtig<lb/><hi rendition="#g">Seydel</hi> in Hirth’s Annalen 1874 S. 1144.</note>. Nur wenn das Reichsgeſetz Nichts darüber beſtimmt, treten<lb/> die Vorſchriften des Landesſtaatsrechts ein.</p><lb/> <p>Wenn in den Reichsgeſetzen demnach auf die in den Einzel-<lb/> ſtaaten geltenden oder von denſelben zu erlaſſenden Beſtimmungen<lb/> Bezug genommen wird, ſo iſt es von großer Erheblichkeit, durch<lb/> Interpretation feſtzuſtellen, ob das Reichsgeſetz hierbei auf die<lb/><hi rendition="#g">Autonomie</hi> der Einzelſtaaten verweiſt, alſo das von der Reichs-<lb/> geſetzgebung normirte Gebiet von dem von derſelben nicht normirten<lb/> Gebiete <hi rendition="#g">abgränzt</hi>, oder ob es die Einzelſtaaten <hi rendition="#g">ermächtigt</hi>,<lb/> auf einem reichsgeſetzlich geregelten Gebiete die erforderlichen Aus-<lb/> führungs-Beſtimmungen zu erlaſſen <note place="foot" n="3)">In einem und demſelben Reichsgeſetz kann <hi rendition="#g">beides</hi> vorkommen; ſo<lb/> enthält z. B. das Geſ. über die Bundesflagge v. 25. Okt. 1867 §. 3 u. §. 17<lb/> eine Delegation, in §. 19 eine Anerkennung der Autonomie; die Gewerbe-<lb/> Ordnung enthält im §. 21. 38 eine Delegation, in zahlreichen anderen Artikeln<lb/> Vorbehalte der Autonomie; das Geſetz über den Unterſtützungswohnſitz ent-<lb/> hält im §. 8 eine Delegation, im §. 52 einen Vorbehalt der Landesgeſetz-<lb/> gebung; im Reichsmilitairgeſetz §. 36 iſt den Einzelſtaaten die Normirung der<lb/> Koſten des Rekrutirungsverfahrens übertragen; daſelbſt im §. 46 die Beſteue-<lb/> rung der Militairperſonen ihrer Autonomie unterworfen; die Strandungs-<lb/> Ordn. v. 17. Mai 1874 enthält in §. 2. 22. 24 eine Delegation, in §. 45<lb/> einen Vorbehalt für die Autonomie; ebenſo die Seemanns-Ordnung im §. 4<lb/> eine Delegation, im §. 45 einen Vorbehalt für die Autonomie u. ſ. w.</note>.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0098]
§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
handelt, in den für Verfaſſungs-Aenderungen vorgeſchriebenen For-
men. Dagegen ſind die vom Reich delegirten Verordnungen
in den vom Reich dafür vorgeſchriebenen Formen zu erlaſſen; es
hängt alſo von dem Wortlaut der Delegation in dem einzelnen
Reichsgeſetz ab, ob die Ausführungs-Beſtimmungen im Wege der
Landesgeſetzgebung, oder durch landesherrliche Verordnung („im
Verordnungswege“) 1), oder durch Verordnung der oberſten Re-
gierungsbehörden, Miniſterien, Finanzbehörden u. dgl. zu erlaſſen
ſind 2). Nur wenn das Reichsgeſetz Nichts darüber beſtimmt, treten
die Vorſchriften des Landesſtaatsrechts ein.
Wenn in den Reichsgeſetzen demnach auf die in den Einzel-
ſtaaten geltenden oder von denſelben zu erlaſſenden Beſtimmungen
Bezug genommen wird, ſo iſt es von großer Erheblichkeit, durch
Interpretation feſtzuſtellen, ob das Reichsgeſetz hierbei auf die
Autonomie der Einzelſtaaten verweiſt, alſo das von der Reichs-
geſetzgebung normirte Gebiet von dem von derſelben nicht normirten
Gebiete abgränzt, oder ob es die Einzelſtaaten ermächtigt,
auf einem reichsgeſetzlich geregelten Gebiete die erforderlichen Aus-
führungs-Beſtimmungen zu erlaſſen 3).
1) Der Verordnungsweg iſt ausdrücklich vorgeſchrieben im Ge-
noſſenſchaftsgeſ. v. 4. Juli 1868 §. 72; in der Seemanns-Ordnung §. 23
Abſ. 3; im Geſ. v. 6. Febr. 1875 §. 79; eine Königl. Bayeriſche Ver-
ordn. im Geſ. v. 9. Febr. 1875 §. 3 und im Geſ. v. 13. Febr. 1875 §. 18
(R.-G.-Bl. S. 41. 58); eine landesherrliche Verordnung im §. 17
Abſ. 2 des Einf.-Geſ. zum Gerichtsverfaſſungsgeſetz u. ſ. w.
2) Die Behauptung v. Mohl’s S. 174, daß die Form, in der die den
Einzelſtaaten übertragenen Ausführungsbeſtimmungen zu erlaſſen ſeien,
nach dem Landesſtaatsrecht ſich beſtimme, iſt demnach falſch. Richtig
Seydel in Hirth’s Annalen 1874 S. 1144.
3) In einem und demſelben Reichsgeſetz kann beides vorkommen; ſo
enthält z. B. das Geſ. über die Bundesflagge v. 25. Okt. 1867 §. 3 u. §. 17
eine Delegation, in §. 19 eine Anerkennung der Autonomie; die Gewerbe-
Ordnung enthält im §. 21. 38 eine Delegation, in zahlreichen anderen Artikeln
Vorbehalte der Autonomie; das Geſetz über den Unterſtützungswohnſitz ent-
hält im §. 8 eine Delegation, im §. 52 einen Vorbehalt der Landesgeſetz-
gebung; im Reichsmilitairgeſetz §. 36 iſt den Einzelſtaaten die Normirung der
Koſten des Rekrutirungsverfahrens übertragen; daſelbſt im §. 46 die Beſteue-
rung der Militairperſonen ihrer Autonomie unterworfen; die Strandungs-
Ordn. v. 17. Mai 1874 enthält in §. 2. 22. 24 eine Delegation, in §. 45
einen Vorbehalt für die Autonomie; ebenſo die Seemanns-Ordnung im §. 4
eine Delegation, im §. 45 einen Vorbehalt für die Autonomie u. ſ. w.
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