Form die Reichsgesetzgebung ausgeübt wird, aber keine Vorschrift, worin der Inhalt eines Reichsgesetzes bestehen müsse oder nicht bestehen dürfe. Ein Gesetz kann demnach anstatt unmittelbar Rechtsregeln aufzustellen, Anordnungen darüber enthalten, wie gewisse Rechtsregeln erlassen werden sollen. Es liegt hierin keine Verletzung oder Aufhebung, sondern eine besondere Anwendung der im Art. 5 der R.-V. gegebenen Vorschrift 1). Man kann da- her nicht das Erforderniß aufstellen, daß für die Sanctionirung eines derartigen Gesetzes die für Verfassungs-Aenderungen gegebe- nen Regeln befolgt werden müssen und noch weniger kann man ein solches Gesetz für gänzlich unzulässig und verfassungswidrig erachten.
Eine vielfach bethätigte Praxis, deren Rechtmäßigkeit niemals weder vom Reichstage noch vom Bundesrathe oder der Reichs- regierung angezweifelt worden ist, hat dieser Auffassung sich ange- schlossen. Für den Erlaß von Ausführungs-Bestimmungen ist es überflüssig, Beispiele anzuführen, da hinsichtlich dieser eine Mei- nungsverschiedenheit nicht besteht. Aber es giebt auch Reichsge- setze, deren Inhalt lediglich in der Delegation des Verordnungs- rechtes besteht, die also nichts Anderes bestimmen, als daß gewisse au und für sich dem Gebiete der Gesetzgebung angehörende Normen auf einem anderen, als dem in Art. 5 der R.-V. vorgezeichneten Wege erlassen werden sollen. Solche Gesetze sind das Bundesges. v. 10. März 1870 (B.-G.-Bl. S. 46), durch welches der Bundes- rath ermächtigt wird, gewisse Vorschriften zur Ergänzung der Maaß- und Gewichtsordnung zu erlassen; das Ges. v. 30. März 1874 (R.-G.-Bl. S. 23) über die Aegypt. Konsulargerichtsbarkeit, das Ges. v. 6. Januar 1876 (R.-G.-Bl. S. 3).
Endlich fehlt es auch nicht an Beispielen, daß die Aufhebung oder Abänderung von Vorschriften der Reichsgesetze im Verord- nungswege gesetzlich vorgesehen ist, mit der Beschränkung, daß die Verordnung dem Reichstage bei dessen nächstem Zusammen- treten zur Genehmigung vorzulegen ist und daß sie außer Kraft tritt, wenn der Reichstag die Genehmigung versagt. Dies ist ge- schehen in der Gewerbe-Ordnung §. 16 u. §. 56, welche einen
1) Vgl. Seydel in Hirth's Annalen 1874 S. 1145, der sich sehr treffend hierüber äußert.
§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
Form die Reichsgeſetzgebung ausgeübt wird, aber keine Vorſchrift, worin der Inhalt eines Reichsgeſetzes beſtehen müſſe oder nicht beſtehen dürfe. Ein Geſetz kann demnach anſtatt unmittelbar Rechtsregeln aufzuſtellen, Anordnungen darüber enthalten, wie gewiſſe Rechtsregeln erlaſſen werden ſollen. Es liegt hierin keine Verletzung oder Aufhebung, ſondern eine beſondere Anwendung der im Art. 5 der R.-V. gegebenen Vorſchrift 1). Man kann da- her nicht das Erforderniß aufſtellen, daß für die Sanctionirung eines derartigen Geſetzes die für Verfaſſungs-Aenderungen gegebe- nen Regeln befolgt werden müſſen und noch weniger kann man ein ſolches Geſetz für gänzlich unzuläſſig und verfaſſungswidrig erachten.
Eine vielfach bethätigte Praxis, deren Rechtmäßigkeit niemals weder vom Reichstage noch vom Bundesrathe oder der Reichs- regierung angezweifelt worden iſt, hat dieſer Auffaſſung ſich ange- ſchloſſen. Für den Erlaß von Ausführungs-Beſtimmungen iſt es überflüſſig, Beiſpiele anzuführen, da hinſichtlich dieſer eine Mei- nungsverſchiedenheit nicht beſteht. Aber es giebt auch Reichsge- ſetze, deren Inhalt lediglich in der Delegation des Verordnungs- rechtes beſteht, die alſo nichts Anderes beſtimmen, als daß gewiſſe au und für ſich dem Gebiete der Geſetzgebung angehörende Normen auf einem anderen, als dem in Art. 5 der R.-V. vorgezeichneten Wege erlaſſen werden ſollen. Solche Geſetze ſind das Bundesgeſ. v. 10. März 1870 (B.-G.-Bl. S. 46), durch welches der Bundes- rath ermächtigt wird, gewiſſe Vorſchriften zur Ergänzung der Maaß- und Gewichtsordnung zu erlaſſen; das Geſ. v. 30. März 1874 (R.-G.-Bl. S. 23) über die Aegypt. Konſulargerichtsbarkeit, das Geſ. v. 6. Januar 1876 (R.-G.-Bl. S. 3).
Endlich fehlt es auch nicht an Beiſpielen, daß die Aufhebung oder Abänderung von Vorſchriften der Reichsgeſetze im Verord- nungswege geſetzlich vorgeſehen iſt, mit der Beſchränkung, daß die Verordnung dem Reichstage bei deſſen nächſtem Zuſammen- treten zur Genehmigung vorzulegen iſt und daß ſie außer Kraft tritt, wenn der Reichstag die Genehmigung verſagt. Dies iſt ge- ſchehen in der Gewerbe-Ordnung §. 16 u. §. 56, welche einen
1) Vgl. Seydel in Hirth’s Annalen 1874 S. 1145, der ſich ſehr treffend hierüber äußert.
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§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
Form die Reichsgeſetzgebung ausgeübt wird, aber keine Vorſchrift,
worin der Inhalt eines Reichsgeſetzes beſtehen müſſe oder nicht
beſtehen dürfe. Ein Geſetz kann demnach anſtatt unmittelbar
Rechtsregeln aufzuſtellen, Anordnungen darüber enthalten, wie
gewiſſe Rechtsregeln erlaſſen werden ſollen. Es liegt hierin keine
Verletzung oder Aufhebung, ſondern eine beſondere Anwendung
der im Art. 5 der R.-V. gegebenen Vorſchrift 1). Man kann da-
her nicht das Erforderniß aufſtellen, daß für die Sanctionirung
eines derartigen Geſetzes die für Verfaſſungs-Aenderungen gegebe-
nen Regeln befolgt werden müſſen und noch weniger kann man
ein ſolches Geſetz für gänzlich unzuläſſig und verfaſſungswidrig
erachten.
Eine vielfach bethätigte Praxis, deren Rechtmäßigkeit niemals
weder vom Reichstage noch vom Bundesrathe oder der Reichs-
regierung angezweifelt worden iſt, hat dieſer Auffaſſung ſich ange-
ſchloſſen. Für den Erlaß von Ausführungs-Beſtimmungen iſt es
überflüſſig, Beiſpiele anzuführen, da hinſichtlich dieſer eine Mei-
nungsverſchiedenheit nicht beſteht. Aber es giebt auch Reichsge-
ſetze, deren Inhalt lediglich in der Delegation des Verordnungs-
rechtes beſteht, die alſo nichts Anderes beſtimmen, als daß gewiſſe
au und für ſich dem Gebiete der Geſetzgebung angehörende Normen
auf einem anderen, als dem in Art. 5 der R.-V. vorgezeichneten
Wege erlaſſen werden ſollen. Solche Geſetze ſind das Bundesgeſ.
v. 10. März 1870 (B.-G.-Bl. S. 46), durch welches der Bundes-
rath ermächtigt wird, gewiſſe Vorſchriften zur Ergänzung der Maaß-
und Gewichtsordnung zu erlaſſen; das Geſ. v. 30. März 1874
(R.-G.-Bl. S. 23) über die Aegypt. Konſulargerichtsbarkeit, das
Geſ. v. 6. Januar 1876 (R.-G.-Bl. S. 3).
Endlich fehlt es auch nicht an Beiſpielen, daß die Aufhebung
oder Abänderung von Vorſchriften der Reichsgeſetze im Verord-
nungswege geſetzlich vorgeſehen iſt, mit der Beſchränkung, daß
die Verordnung dem Reichstage bei deſſen nächſtem Zuſammen-
treten zur Genehmigung vorzulegen iſt und daß ſie außer Kraft
tritt, wenn der Reichstag die Genehmigung verſagt. Dies iſt ge-
ſchehen in der Gewerbe-Ordnung §. 16 u. §. 56, welche einen
1) Vgl. Seydel in Hirth’s Annalen 1874 S. 1145, der ſich ſehr treffend
hierüber äußert.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/90>, abgerufen am 23.07.2024.
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