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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 76. Die Verwaltung des Gewerbewesens.
besteht aus einem Vorsitzenden, welcher zum Richteramt befähigt
ist, und 6 Mitgliedern, von denen wenigstens drei der Schifffahrt
kundig sein müssen. Der Kaiser ernennt den Vorsitzenden und
einen schifffahrtskundigen Beisitzer. Für das Amt der übrigen Bei-
sitzer bringen die Regierungen der Bundes-Seestaaten je drei
sachkundige Personen in Vorschlag und zwar immer für einen Zeit-
raum von 3 Jahren. Aus der Gesammtzahl der Vorgeschlagenen
wählt der Vorsitzende für jeden Beschwerdefall fünf Beisitzer aus,
beruft dieselben ein und beeidigt sie auf die Erfüllung der Obliegen-
heiten ihres Amtes. Sie erhalten aus der Reichskasse Ersatz ihrer
Reisekosten und Tagegelder, deren Höhe der Reichskanzler bestimmt 1).
Die Geschäfts-Ordnung bei dem Ober-Seeamt wird vom Bundes-
rath
festgestellt 2). Das Ober-Seeamt faßt seine Beschlüsse nach
Stimmenmehrheit; auf das Verfahren finden im Allgemeinen die-
selben Vorschriften Anwendung, welche für das Verfahren bei den
Seeämtern gelten; die Verhandlung und Entscheidung erfolgt in
öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung des Be-
schwerdeführers und seines Gegners. Die Entscheidung muß mit
Gründen versehen sein und ist dem Beschwerdeführer und seinem
Gegner in Ausfertigung zuzustellen 3).

Einem Schiffer oder Steuermann, dem die Befugniß zur Aus-
übung seines Gewerbes entzogen ist, kann dieselbe nach Ablauf
eines Jahres durch das Reichskanzler-Amt wieder eingeräumt
werden, wenn anzunehmen ist, daß er fernerhin den Pflichten seines
Gewerbes genügen wird 4).

f) Ueber die Innungen ist theils den Gemeindebehörden theils
den staatlichen Verwaltungsräthen ein Recht der Aufsicht eingeräumt,
durch welches Verträge, Statutenveränderungen, Auflösungsbe-
schlüsse u. s. w. an die Ertheilung der Genehmigung gebunden sind 5).

g) Jeder Gewerbeunternehmer ist verpflichtet, auf seine Kosten

1) Ges. §. 29. Diese Beisitzer des Ober-Seeamtes sind keine Reichs-
beamten
, da sie in keinem Dienstverhältniß zum Reiche stehen; gleichwohl
verwalten sie ein Reichsamt, da das Oberseeamt eine Reichsbehörde ist.
Sie treten demnach den Bd. I. S. 397 aufgeführten Kotegorien hinzu.
2) Ges. §. 33. Bis jetzt ist dieses Reglement noch nicht erlassen.
3) Gesetz §§. 29 Abs. 2--32.
4) Ges. §. 34.
5) Gewerbe-Ordn. §§. 88 Abs. 2. 89. 92 bis 96. 103.

§. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens.
beſteht aus einem Vorſitzenden, welcher zum Richteramt befähigt
iſt, und 6 Mitgliedern, von denen wenigſtens drei der Schifffahrt
kundig ſein müſſen. Der Kaiſer ernennt den Vorſitzenden und
einen ſchifffahrtskundigen Beiſitzer. Für das Amt der übrigen Bei-
ſitzer bringen die Regierungen der Bundes-Seeſtaaten je drei
ſachkundige Perſonen in Vorſchlag und zwar immer für einen Zeit-
raum von 3 Jahren. Aus der Geſammtzahl der Vorgeſchlagenen
wählt der Vorſitzende für jeden Beſchwerdefall fünf Beiſitzer aus,
beruft dieſelben ein und beeidigt ſie auf die Erfüllung der Obliegen-
heiten ihres Amtes. Sie erhalten aus der Reichskaſſe Erſatz ihrer
Reiſekoſten und Tagegelder, deren Höhe der Reichskanzler beſtimmt 1).
Die Geſchäfts-Ordnung bei dem Ober-Seeamt wird vom Bundes-
rath
feſtgeſtellt 2). Das Ober-Seeamt faßt ſeine Beſchlüſſe nach
Stimmenmehrheit; auf das Verfahren finden im Allgemeinen die-
ſelben Vorſchriften Anwendung, welche für das Verfahren bei den
Seeämtern gelten; die Verhandlung und Entſcheidung erfolgt in
öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung des Be-
ſchwerdeführers und ſeines Gegners. Die Entſcheidung muß mit
Gründen verſehen ſein und iſt dem Beſchwerdeführer und ſeinem
Gegner in Ausfertigung zuzuſtellen 3).

Einem Schiffer oder Steuermann, dem die Befugniß zur Aus-
übung ſeines Gewerbes entzogen iſt, kann dieſelbe nach Ablauf
eines Jahres durch das Reichskanzler-Amt wieder eingeräumt
werden, wenn anzunehmen iſt, daß er fernerhin den Pflichten ſeines
Gewerbes genügen wird 4).

f) Ueber die Innungen iſt theils den Gemeindebehörden theils
den ſtaatlichen Verwaltungsräthen ein Recht der Aufſicht eingeräumt,
durch welches Verträge, Statutenveränderungen, Auflöſungsbe-
ſchlüſſe u. ſ. w. an die Ertheilung der Genehmigung gebunden ſind 5).

g) Jeder Gewerbeunternehmer iſt verpflichtet, auf ſeine Koſten

1) Geſ. §. 29. Dieſe Beiſitzer des Ober-Seeamtes ſind keine Reichs-
beamten
, da ſie in keinem Dienſtverhältniß zum Reiche ſtehen; gleichwohl
verwalten ſie ein Reichsamt, da das Oberſeeamt eine Reichsbehörde iſt.
Sie treten demnach den Bd. I. S. 397 aufgeführten Kotegorien hinzu.
2) Geſ. §. 33. Bis jetzt iſt dieſes Reglement noch nicht erlaſſen.
3) Geſetz §§. 29 Abſ. 2—32.
4) Geſ. §. 34.
5) Gewerbe-Ordn. §§. 88 Abſ. 2. 89. 92 bis 96. 103.
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[466/0480] §. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens. beſteht aus einem Vorſitzenden, welcher zum Richteramt befähigt iſt, und 6 Mitgliedern, von denen wenigſtens drei der Schifffahrt kundig ſein müſſen. Der Kaiſer ernennt den Vorſitzenden und einen ſchifffahrtskundigen Beiſitzer. Für das Amt der übrigen Bei- ſitzer bringen die Regierungen der Bundes-Seeſtaaten je drei ſachkundige Perſonen in Vorſchlag und zwar immer für einen Zeit- raum von 3 Jahren. Aus der Geſammtzahl der Vorgeſchlagenen wählt der Vorſitzende für jeden Beſchwerdefall fünf Beiſitzer aus, beruft dieſelben ein und beeidigt ſie auf die Erfüllung der Obliegen- heiten ihres Amtes. Sie erhalten aus der Reichskaſſe Erſatz ihrer Reiſekoſten und Tagegelder, deren Höhe der Reichskanzler beſtimmt 1). Die Geſchäfts-Ordnung bei dem Ober-Seeamt wird vom Bundes- rath feſtgeſtellt 2). Das Ober-Seeamt faßt ſeine Beſchlüſſe nach Stimmenmehrheit; auf das Verfahren finden im Allgemeinen die- ſelben Vorſchriften Anwendung, welche für das Verfahren bei den Seeämtern gelten; die Verhandlung und Entſcheidung erfolgt in öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung des Be- ſchwerdeführers und ſeines Gegners. Die Entſcheidung muß mit Gründen verſehen ſein und iſt dem Beſchwerdeführer und ſeinem Gegner in Ausfertigung zuzuſtellen 3). Einem Schiffer oder Steuermann, dem die Befugniß zur Aus- übung ſeines Gewerbes entzogen iſt, kann dieſelbe nach Ablauf eines Jahres durch das Reichskanzler-Amt wieder eingeräumt werden, wenn anzunehmen iſt, daß er fernerhin den Pflichten ſeines Gewerbes genügen wird 4). f) Ueber die Innungen iſt theils den Gemeindebehörden theils den ſtaatlichen Verwaltungsräthen ein Recht der Aufſicht eingeräumt, durch welches Verträge, Statutenveränderungen, Auflöſungsbe- ſchlüſſe u. ſ. w. an die Ertheilung der Genehmigung gebunden ſind 5). g) Jeder Gewerbeunternehmer iſt verpflichtet, auf ſeine Koſten 1) Geſ. §. 29. Dieſe Beiſitzer des Ober-Seeamtes ſind keine Reichs- beamten, da ſie in keinem Dienſtverhältniß zum Reiche ſtehen; gleichwohl verwalten ſie ein Reichsamt, da das Oberſeeamt eine Reichsbehörde iſt. Sie treten demnach den Bd. I. S. 397 aufgeführten Kotegorien hinzu. 2) Geſ. §. 33. Bis jetzt iſt dieſes Reglement noch nicht erlaſſen. 3) Geſetz §§. 29 Abſ. 2—32. 4) Geſ. §. 34. 5) Gewerbe-Ordn. §§. 88 Abſ. 2. 89. 92 bis 96. 103.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/480>, abgerufen am 23.11.2024.