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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 72. Die Verwaltung des Eisenbahnwesens.
Art. 45 aufgeführten Transportgegenstände in allen Gattungen
von Verkehren zum Einpfennig-Satz befördert werden können, einen
großen Theil ihrer juristischen Bedeutung.

So wie es nun aber thatsächlich gelungen ist, ein allgemeines
Einverständniß der Bundesregierungen über das Betriebs-Reglement
zu erreichen, so ist es -- allerdings unter großen Schwierigkeiten
-- auch geglückt, eine Verständigung der Deutschen Staats- und
Privat-Eisenbahn-Verwaltungen über ein gemeinsames Tarifsystem
zu erzielen, das freilich nicht mit der "möglichsten Herabsetzung",
von welcher Art. 45 der R.-V. spricht, sondern mit einer durch-
schnittlichen Erhöhung der Tarife verbunden ist 1). Der Bundes-
rath hat in seiner Sitzung vom 14. Dezember 1876 beschlossen,
daß gegen dessen Einführung unter gewissen Einschränkungen vom
Standpunkte des Reichs nichts zu erinnern sei und hat angeordnet,
daß ihm bis zum 1. Januar 1880 Behufs weiterer Beschlußnahme
eingehende Mittheilung über den praktischen Erfolg des neuen
Systems gemacht werden soll 2). Die Geltung des neuen Tarif-
systems beruht daher nicht auf der Autorität des Reiches oder dem
Beschluß des Bundesrathes, sondern auf der Vereinbarung der
Deutschen Staats- und Privat-Eisenbahn-Verwaltungen und auf
den Rechtsbefugnissen, welche den einzelnen Bundesregierungen auf
Grund der Landesgesetze oder Konzessionen den Eisenbahn-Unter-
nehmern gegenüber zustehen.

Diese partikuläre und conventionsmäßige Grundlage für die
Geltung des jetzt zur Einführung gelangenden Tarifsystems birgt
nicht nur die Gefahr in sich, daß dasselbe in sehr verschiedener

1) Bereits durch Beschluß vom 11. Juni 1874 hat der Bundesrath aus-
gesprochen, "daß vom Standpunkt des Reiches gegen eine mäßige, im
Durchschnitt den Betrag von 20 Procent nicht übersteigende Erhöhung der
Eisenbahn-Frachttarife unter der Voraussetzung Nichts zu erinnern sei,
daß ein gewisses, näher angegebenes, Tarifsystem zur Einführung gelange".
Der Wortlaut ist abgedruckt in Hirth's Annalen 1874 S. 1528.
2) Ueber die Entwicklung der sogenannten Tarifreform ist zu vrgl. die
Denkschrift des Reichs-Eisenbahn-Amtes vom Januar 1877 I. 9. (Hirth's An-
Annalen 1877 S. 688 ff.) Ferner Fischer in v. Holtzendorff's Jahrbuch
Bd. IV. S. 456 ff. Die definitive Festsetzung der neuen Gütertarife wurde
erst auf der General-Tarif-Conferenz der Deutschen Eisenbahn-Verwaltungen
zu Berlin im Februar 1877 vereinbart. Vgl. Zeitung des Vereins Deutscher
Eisenbahn-Verwaltungen 1877 Nro. 16.

§. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens.
Art. 45 aufgeführten Transportgegenſtände in allen Gattungen
von Verkehren zum Einpfennig-Satz befördert werden können, einen
großen Theil ihrer juriſtiſchen Bedeutung.

So wie es nun aber thatſächlich gelungen iſt, ein allgemeines
Einverſtändniß der Bundesregierungen über das Betriebs-Reglement
zu erreichen, ſo iſt es — allerdings unter großen Schwierigkeiten
— auch geglückt, eine Verſtändigung der Deutſchen Staats- und
Privat-Eiſenbahn-Verwaltungen über ein gemeinſames Tarifſyſtem
zu erzielen, das freilich nicht mit der „möglichſten Herabſetzung“,
von welcher Art. 45 der R.-V. ſpricht, ſondern mit einer durch-
ſchnittlichen Erhöhung der Tarife verbunden iſt 1). Der Bundes-
rath hat in ſeiner Sitzung vom 14. Dezember 1876 beſchloſſen,
daß gegen deſſen Einführung unter gewiſſen Einſchränkungen vom
Standpunkte des Reichs nichts zu erinnern ſei und hat angeordnet,
daß ihm bis zum 1. Januar 1880 Behufs weiterer Beſchlußnahme
eingehende Mittheilung über den praktiſchen Erfolg des neuen
Syſtems gemacht werden ſoll 2). Die Geltung des neuen Tarif-
ſyſtems beruht daher nicht auf der Autorität des Reiches oder dem
Beſchluß des Bundesrathes, ſondern auf der Vereinbarung der
Deutſchen Staats- und Privat-Eiſenbahn-Verwaltungen und auf
den Rechtsbefugniſſen, welche den einzelnen Bundesregierungen auf
Grund der Landesgeſetze oder Konzeſſionen den Eiſenbahn-Unter-
nehmern gegenüber zuſtehen.

Dieſe partikuläre und conventionsmäßige Grundlage für die
Geltung des jetzt zur Einführung gelangenden Tarifſyſtems birgt
nicht nur die Gefahr in ſich, daß daſſelbe in ſehr verſchiedener

1) Bereits durch Beſchluß vom 11. Juni 1874 hat der Bundesrath aus-
geſprochen, „daß vom Standpunkt des Reiches gegen eine mäßige, im
Durchſchnitt den Betrag von 20 Procent nicht überſteigende Erhöhung der
Eiſenbahn-Frachttarife unter der Vorausſetzung Nichts zu erinnern ſei,
daß ein gewiſſes, näher angegebenes, Tarifſyſtem zur Einführung gelange“.
Der Wortlaut iſt abgedruckt in Hirth’s Annalen 1874 S. 1528.
2) Ueber die Entwicklung der ſogenannten Tarifreform iſt zu vrgl. die
Denkſchrift des Reichs-Eiſenbahn-Amtes vom Januar 1877 I. 9. (Hirth’s An-
Annalen 1877 S. 688 ff.) Ferner Fiſcher in v. Holtzendorff’s Jahrbuch
Bd. IV. S. 456 ff. Die definitive Feſtſetzung der neuen Gütertarife wurde
erſt auf der General-Tarif-Conferenz der Deutſchen Eiſenbahn-Verwaltungen
zu Berlin im Februar 1877 vereinbart. Vgl. Zeitung des Vereins Deutſcher
Eiſenbahn-Verwaltungen 1877 Nro. 16.
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[377/0391] §. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens. Art. 45 aufgeführten Transportgegenſtände in allen Gattungen von Verkehren zum Einpfennig-Satz befördert werden können, einen großen Theil ihrer juriſtiſchen Bedeutung. So wie es nun aber thatſächlich gelungen iſt, ein allgemeines Einverſtändniß der Bundesregierungen über das Betriebs-Reglement zu erreichen, ſo iſt es — allerdings unter großen Schwierigkeiten — auch geglückt, eine Verſtändigung der Deutſchen Staats- und Privat-Eiſenbahn-Verwaltungen über ein gemeinſames Tarifſyſtem zu erzielen, das freilich nicht mit der „möglichſten Herabſetzung“, von welcher Art. 45 der R.-V. ſpricht, ſondern mit einer durch- ſchnittlichen Erhöhung der Tarife verbunden iſt 1). Der Bundes- rath hat in ſeiner Sitzung vom 14. Dezember 1876 beſchloſſen, daß gegen deſſen Einführung unter gewiſſen Einſchränkungen vom Standpunkte des Reichs nichts zu erinnern ſei und hat angeordnet, daß ihm bis zum 1. Januar 1880 Behufs weiterer Beſchlußnahme eingehende Mittheilung über den praktiſchen Erfolg des neuen Syſtems gemacht werden ſoll 2). Die Geltung des neuen Tarif- ſyſtems beruht daher nicht auf der Autorität des Reiches oder dem Beſchluß des Bundesrathes, ſondern auf der Vereinbarung der Deutſchen Staats- und Privat-Eiſenbahn-Verwaltungen und auf den Rechtsbefugniſſen, welche den einzelnen Bundesregierungen auf Grund der Landesgeſetze oder Konzeſſionen den Eiſenbahn-Unter- nehmern gegenüber zuſtehen. Dieſe partikuläre und conventionsmäßige Grundlage für die Geltung des jetzt zur Einführung gelangenden Tarifſyſtems birgt nicht nur die Gefahr in ſich, daß daſſelbe in ſehr verſchiedener 1) Bereits durch Beſchluß vom 11. Juni 1874 hat der Bundesrath aus- geſprochen, „daß vom Standpunkt des Reiches gegen eine mäßige, im Durchſchnitt den Betrag von 20 Procent nicht überſteigende Erhöhung der Eiſenbahn-Frachttarife unter der Vorausſetzung Nichts zu erinnern ſei, daß ein gewiſſes, näher angegebenes, Tarifſyſtem zur Einführung gelange“. Der Wortlaut iſt abgedruckt in Hirth’s Annalen 1874 S. 1528. 2) Ueber die Entwicklung der ſogenannten Tarifreform iſt zu vrgl. die Denkſchrift des Reichs-Eiſenbahn-Amtes vom Januar 1877 I. 9. (Hirth’s An- Annalen 1877 S. 688 ff.) Ferner Fiſcher in v. Holtzendorff’s Jahrbuch Bd. IV. S. 456 ff. Die definitive Feſtſetzung der neuen Gütertarife wurde erſt auf der General-Tarif-Conferenz der Deutſchen Eiſenbahn-Verwaltungen zu Berlin im Februar 1877 vereinbart. Vgl. Zeitung des Vereins Deutſcher Eiſenbahn-Verwaltungen 1877 Nro. 16.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/391>, abgerufen am 27.11.2024.