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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.
die Beförderung von einem Orte zum andern geschieht auch in
diesem Falle nicht "auf andere Weise, als durch die Post".

Der Postzwang erstreckt sich auch auf diejenigen verschlossenen
Briefe und politischen Zeitungen, welche vom Auslande eingehen
und nach einem inländischen Ort mit Postanstalt bestimmt sind, oder
durch das Gebiet des deutschen Reiches transitiren sollen. Dieselben
müssen bei der nächsten inländischen Postanstalt zur Weiterbeförderung
eingeliefert werden 1).

Die Verletzung des Postmonopols wird mit dem vierfachen
Betrage des defraudirten Portos, jedoch mindestens mit einer Geld-
strafe von drei Mark bestraft 2).

b) Der Telegraphen-Zwang besteht nur thatsächlich,
die rechtliche Anerkennung fehlt zur Zeit noch. Man hat zwar
versucht, aus dem Art. 48 Abs. 1, wonach das Telegraphenwesen
für das gesammte Reichsgebiet als einheitliche Staatsverkehrs-
Anstalt eingerichtet und verwaltet wird, eine solche Anerkennung
herzuleiten 3). Allein mit Unrecht. Der Art. 48 spricht hinsicht-
lich der Telegraphie und der Post nur aus, daß die bis dahin
selbstständigen Verwaltungen zu einer einheitlichen Verwaltung des
Reiches verbunden werden; aber so wenig wie er den Postzwang
sanctionirt und so wenig er irgend Jemandem verbietet, Briefe,
Packete, Personen gegen Entgelt zu befördern und als Privat-
Unternehmer der Reichspost Concurrenz zu machen, eben so wenig
enthält der Art. 48 Abs. 1 ein Verbot, telegraphische Leitungen
anzulegen und Telegramme gegen Entgeld zu befördern. Der
Art. 48 verfügt, daß die Post und Telegraphie als Staats-
Verkehrs-Anstalten einheitlich vom Reich verwaltet werden, aber
er sagt nicht, daß die Geschäfte, denen sich diese Anstalten widmen,
nur von Staats-Anstalten betrieben werden dürfen und Privat-

Jemand gegen Bezahlung in Hamburg Briefe nach Berlin sammelt, dieselben
täglich in einem verschlossenen Packet per Post nach Berlin an einen Geschäfts-
freund schickt und sie durch Vermittlung des letzteren den Adressaten zustellt.
Der Schutz gegen eine solche Concurrenz, die überhaupt nur zwischen großen
Städten mit Aussicht auf Erfolg betrieben werden könnte, liegt in der Billig-
keit, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit der Briefbeförderung mittelst der Post.
1) Postges. §. 1 Abs. 2.
2) Postges. §. 27 Z. 1 und dazu Dambach S. 72--81. Meves S. 365 ff.
3) Dambach im Gerichtssaal Bd. XXIII. (1871) S. 248. Fischer
in Holtzendorff's Jahrb. I. S. 440 fg.

§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.
die Beförderung von einem Orte zum andern geſchieht auch in
dieſem Falle nicht „auf andere Weiſe, als durch die Poſt“.

Der Poſtzwang erſtreckt ſich auch auf diejenigen verſchloſſenen
Briefe und politiſchen Zeitungen, welche vom Auslande eingehen
und nach einem inländiſchen Ort mit Poſtanſtalt beſtimmt ſind, oder
durch das Gebiet des deutſchen Reiches tranſitiren ſollen. Dieſelben
müſſen bei der nächſten inländiſchen Poſtanſtalt zur Weiterbeförderung
eingeliefert werden 1).

Die Verletzung des Poſtmonopols wird mit dem vierfachen
Betrage des defraudirten Portos, jedoch mindeſtens mit einer Geld-
ſtrafe von drei Mark beſtraft 2).

b) Der Telegraphen-Zwang beſteht nur thatſächlich,
die rechtliche Anerkennung fehlt zur Zeit noch. Man hat zwar
verſucht, aus dem Art. 48 Abſ. 1, wonach das Telegraphenweſen
für das geſammte Reichsgebiet als einheitliche Staatsverkehrs-
Anſtalt eingerichtet und verwaltet wird, eine ſolche Anerkennung
herzuleiten 3). Allein mit Unrecht. Der Art. 48 ſpricht hinſicht-
lich der Telegraphie und der Poſt nur aus, daß die bis dahin
ſelbſtſtändigen Verwaltungen zu einer einheitlichen Verwaltung des
Reiches verbunden werden; aber ſo wenig wie er den Poſtzwang
ſanctionirt und ſo wenig er irgend Jemandem verbietet, Briefe,
Packete, Perſonen gegen Entgelt zu befördern und als Privat-
Unternehmer der Reichspoſt Concurrenz zu machen, eben ſo wenig
enthält der Art. 48 Abſ. 1 ein Verbot, telegraphiſche Leitungen
anzulegen und Telegramme gegen Entgeld zu befördern. Der
Art. 48 verfügt, daß die Poſt und Telegraphie als Staats-
Verkehrs-Anſtalten einheitlich vom Reich verwaltet werden, aber
er ſagt nicht, daß die Geſchäfte, denen ſich dieſe Anſtalten widmen,
nur von Staats-Anſtalten betrieben werden dürfen und Privat-

Jemand gegen Bezahlung in Hamburg Briefe nach Berlin ſammelt, dieſelben
täglich in einem verſchloſſenen Packet per Poſt nach Berlin an einen Geſchäfts-
freund ſchickt und ſie durch Vermittlung des letzteren den Adreſſaten zuſtellt.
Der Schutz gegen eine ſolche Concurrenz, die überhaupt nur zwiſchen großen
Städten mit Ausſicht auf Erfolg betrieben werden könnte, liegt in der Billig-
keit, Schnelligkeit und Zuverläſſigkeit der Briefbeförderung mittelſt der Poſt.
1) Poſtgeſ. §. 1 Abſ. 2.
2) Poſtgeſ. §. 27 Z. 1 und dazu Dambach S. 72—81. Meves S. 365 ff.
3) Dambach im Gerichtsſaal Bd. XXIII. (1871) S. 248. Fiſcher
in Holtzendorff’s Jahrb. I. S. 440 fg.
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[311/0325] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. die Beförderung von einem Orte zum andern geſchieht auch in dieſem Falle nicht „auf andere Weiſe, als durch die Poſt“. Der Poſtzwang erſtreckt ſich auch auf diejenigen verſchloſſenen Briefe und politiſchen Zeitungen, welche vom Auslande eingehen und nach einem inländiſchen Ort mit Poſtanſtalt beſtimmt ſind, oder durch das Gebiet des deutſchen Reiches tranſitiren ſollen. Dieſelben müſſen bei der nächſten inländiſchen Poſtanſtalt zur Weiterbeförderung eingeliefert werden 1). Die Verletzung des Poſtmonopols wird mit dem vierfachen Betrage des defraudirten Portos, jedoch mindeſtens mit einer Geld- ſtrafe von drei Mark beſtraft 2). b) Der Telegraphen-Zwang beſteht nur thatſächlich, die rechtliche Anerkennung fehlt zur Zeit noch. Man hat zwar verſucht, aus dem Art. 48 Abſ. 1, wonach das Telegraphenweſen für das geſammte Reichsgebiet als einheitliche Staatsverkehrs- Anſtalt eingerichtet und verwaltet wird, eine ſolche Anerkennung herzuleiten 3). Allein mit Unrecht. Der Art. 48 ſpricht hinſicht- lich der Telegraphie und der Poſt nur aus, daß die bis dahin ſelbſtſtändigen Verwaltungen zu einer einheitlichen Verwaltung des Reiches verbunden werden; aber ſo wenig wie er den Poſtzwang ſanctionirt und ſo wenig er irgend Jemandem verbietet, Briefe, Packete, Perſonen gegen Entgelt zu befördern und als Privat- Unternehmer der Reichspoſt Concurrenz zu machen, eben ſo wenig enthält der Art. 48 Abſ. 1 ein Verbot, telegraphiſche Leitungen anzulegen und Telegramme gegen Entgeld zu befördern. Der Art. 48 verfügt, daß die Poſt und Telegraphie als Staats- Verkehrs-Anſtalten einheitlich vom Reich verwaltet werden, aber er ſagt nicht, daß die Geſchäfte, denen ſich dieſe Anſtalten widmen, nur von Staats-Anſtalten betrieben werden dürfen und Privat- 3) 1) Poſtgeſ. §. 1 Abſ. 2. 2) Poſtgeſ. §. 27 Z. 1 und dazu Dambach S. 72—81. Meves S. 365 ff. 3) Dambach im Gerichtsſaal Bd. XXIII. (1871) S. 248. Fiſcher in Holtzendorff’s Jahrb. I. S. 440 fg. 3) Jemand gegen Bezahlung in Hamburg Briefe nach Berlin ſammelt, dieſelben täglich in einem verſchloſſenen Packet per Poſt nach Berlin an einen Geſchäfts- freund ſchickt und ſie durch Vermittlung des letzteren den Adreſſaten zuſtellt. Der Schutz gegen eine ſolche Concurrenz, die überhaupt nur zwiſchen großen Städten mit Ausſicht auf Erfolg betrieben werden könnte, liegt in der Billig- keit, Schnelligkeit und Zuverläſſigkeit der Briefbeförderung mittelſt der Poſt.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/325>, abgerufen am 23.11.2024.