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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.
zutheilen, insofern nicht dessen Vorenthaltung durch die Rücksicht
auf die Untersuchung geboten ist 1).

b) in Konkursen. Auf Anordnung des Konkursgerichts
haben die Post- und Telegraphen-Anstalten alle für den Gemein-
schuldner eingehenden Sendungen, Briefe und Depeschen dem Ver-
walter auszuhändigen, welcher zur Eröffnung derselben berechtigt
ist 2). Diese Anordnung kann das Konkursgericht auf Antrag des
Gemeinschuldners nach Anhörung des Verwalters aufheben oder
beschränken 3).

g) In civilprozessualischen Fällen hat das Postges.
§. 5 ebenfalls Beschränkungen des Briefgeheimnisses vorbehalten.
Die Reichs-Civilproceß-Ordnung hat indessen die Beschlagnahme
von Briefen, telegraphischen Depeschen und anderen Postsendungen
nicht zugelassen. Nur in denjenigen Fällen, welche nach §. 3 des
Einf.-Gesetzes zur Civiproceß-Ordnung nicht nach den Vorschriften
der letzteren zu behandeln sind, weil sie nicht vor die ordentlichen
Gerichte gehören, könnte auch nach dem Inkrafttreten der Civil-
proceß-Ordnung eine richterliche Beschlagnahme von Briefen, De-
peschen und Postsendungen stattfinden, wofern dieselbe nach den
Bestimmungen der Landesgesetze gestattet ist. In Wirklichkeit
dürfte dies kaum irgendwo der Fall sein 4).

d) Die Rechtsfolgen einer widerrechtlichen Verletzung des
Briefgeheimnisses bestimmen sich nach den Bd. I. §. 41 entwickelten
Grundsätzen, welche auf diesen Fall einfach Anwendung finden. Die
Folgen sind theils disciplinarische, theils privatrechtliche, theils
strafrechtliche.

a) Jeder Post- und Telegraphenbeamte, welcher das Brief-
geheimniß in dem oben dargelegten Umfange verletzt, verübt eine
Verletzung seiner Amtspflicht und setzt sich dadurch einer Disci-
plinarbestrafung
aus. Zum Thatbestande gehört Nichts weiter
als die Verletzung der Dienstpflicht; es ist nicht erforderlich, daß

1) Strafproc.-Ordn. §. 101 Abs. 3.
2) Konkurs-Ordn. §. 111 Abs. 1.
3) ebendas. Abs. 2.
4) Insbesondere kann §. 91 I. 10 der Preuß. Allgem. Gerichts-Ordnung
nicht mehr Anwendung finden. Ebensowenig das Rescript v. 31. Oktob. 1791
(Gad, Haftpflicht S. 36 Note 22). Sie sind bereits durch Art. 33 der Preuß.
Verf.-Urkunde für beseitigt anzusehen.

§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.
zutheilen, inſofern nicht deſſen Vorenthaltung durch die Rückſicht
auf die Unterſuchung geboten iſt 1).

β) in Konkurſen. Auf Anordnung des Konkursgerichts
haben die Poſt- und Telegraphen-Anſtalten alle für den Gemein-
ſchuldner eingehenden Sendungen, Briefe und Depeſchen dem Ver-
walter auszuhändigen, welcher zur Eröffnung derſelben berechtigt
iſt 2). Dieſe Anordnung kann das Konkursgericht auf Antrag des
Gemeinſchuldners nach Anhörung des Verwalters aufheben oder
beſchränken 3).

γ) In civilprozeſſualiſchen Fällen hat das Poſtgeſ.
§. 5 ebenfalls Beſchränkungen des Briefgeheimniſſes vorbehalten.
Die Reichs-Civilproceß-Ordnung hat indeſſen die Beſchlagnahme
von Briefen, telegraphiſchen Depeſchen und anderen Poſtſendungen
nicht zugelaſſen. Nur in denjenigen Fällen, welche nach §. 3 des
Einf.-Geſetzes zur Civiproceß-Ordnung nicht nach den Vorſchriften
der letzteren zu behandeln ſind, weil ſie nicht vor die ordentlichen
Gerichte gehören, könnte auch nach dem Inkrafttreten der Civil-
proceß-Ordnung eine richterliche Beſchlagnahme von Briefen, De-
peſchen und Poſtſendungen ſtattfinden, wofern dieſelbe nach den
Beſtimmungen der Landesgeſetze geſtattet iſt. In Wirklichkeit
dürfte dies kaum irgendwo der Fall ſein 4).

d) Die Rechtsfolgen einer widerrechtlichen Verletzung des
Briefgeheimniſſes beſtimmen ſich nach den Bd. I. §. 41 entwickelten
Grundſätzen, welche auf dieſen Fall einfach Anwendung finden. Die
Folgen ſind theils disciplinariſche, theils privatrechtliche, theils
ſtrafrechtliche.

α) Jeder Poſt- und Telegraphenbeamte, welcher das Brief-
geheimniß in dem oben dargelegten Umfange verletzt, verübt eine
Verletzung ſeiner Amtspflicht und ſetzt ſich dadurch einer Disci-
plinarbeſtrafung
aus. Zum Thatbeſtande gehört Nichts weiter
als die Verletzung der Dienſtpflicht; es iſt nicht erforderlich, daß

1) Strafproc.-Ordn. §. 101 Abſ. 3.
2) Konkurs-Ordn. §. 111 Abſ. 1.
3) ebendaſ. Abſ. 2.
4) Insbeſondere kann §. 91 I. 10 der Preuß. Allgem. Gerichts-Ordnung
nicht mehr Anwendung finden. Ebenſowenig das Reſcript v. 31. Oktob. 1791
(Gad, Haftpflicht S. 36 Note 22). Sie ſind bereits durch Art. 33 der Preuß.
Verf.-Urkunde für beſeitigt anzuſehen.
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[306/0320] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. zutheilen, inſofern nicht deſſen Vorenthaltung durch die Rückſicht auf die Unterſuchung geboten iſt 1). β) in Konkurſen. Auf Anordnung des Konkursgerichts haben die Poſt- und Telegraphen-Anſtalten alle für den Gemein- ſchuldner eingehenden Sendungen, Briefe und Depeſchen dem Ver- walter auszuhändigen, welcher zur Eröffnung derſelben berechtigt iſt 2). Dieſe Anordnung kann das Konkursgericht auf Antrag des Gemeinſchuldners nach Anhörung des Verwalters aufheben oder beſchränken 3). γ) In civilprozeſſualiſchen Fällen hat das Poſtgeſ. §. 5 ebenfalls Beſchränkungen des Briefgeheimniſſes vorbehalten. Die Reichs-Civilproceß-Ordnung hat indeſſen die Beſchlagnahme von Briefen, telegraphiſchen Depeſchen und anderen Poſtſendungen nicht zugelaſſen. Nur in denjenigen Fällen, welche nach §. 3 des Einf.-Geſetzes zur Civiproceß-Ordnung nicht nach den Vorſchriften der letzteren zu behandeln ſind, weil ſie nicht vor die ordentlichen Gerichte gehören, könnte auch nach dem Inkrafttreten der Civil- proceß-Ordnung eine richterliche Beſchlagnahme von Briefen, De- peſchen und Poſtſendungen ſtattfinden, wofern dieſelbe nach den Beſtimmungen der Landesgeſetze geſtattet iſt. In Wirklichkeit dürfte dies kaum irgendwo der Fall ſein 4). d) Die Rechtsfolgen einer widerrechtlichen Verletzung des Briefgeheimniſſes beſtimmen ſich nach den Bd. I. §. 41 entwickelten Grundſätzen, welche auf dieſen Fall einfach Anwendung finden. Die Folgen ſind theils disciplinariſche, theils privatrechtliche, theils ſtrafrechtliche. α) Jeder Poſt- und Telegraphenbeamte, welcher das Brief- geheimniß in dem oben dargelegten Umfange verletzt, verübt eine Verletzung ſeiner Amtspflicht und ſetzt ſich dadurch einer Disci- plinarbeſtrafung aus. Zum Thatbeſtande gehört Nichts weiter als die Verletzung der Dienſtpflicht; es iſt nicht erforderlich, daß 1) Strafproc.-Ordn. §. 101 Abſ. 3. 2) Konkurs-Ordn. §. 111 Abſ. 1. 3) ebendaſ. Abſ. 2. 4) Insbeſondere kann §. 91 I. 10 der Preuß. Allgem. Gerichts-Ordnung nicht mehr Anwendung finden. Ebenſowenig das Reſcript v. 31. Oktob. 1791 (Gad, Haftpflicht S. 36 Note 22). Sie ſind bereits durch Art. 33 der Preuß. Verf.-Urkunde für beſeitigt anzuſehen.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/320>, abgerufen am 23.11.2024.