§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
g) Bei dem Verkaufe eines Schiffes durch den Schiffer ist der Konsul berufen, die Vermögens-Interessen des betreffenden Rheders wahrzunehmen 1). Es handelt sich hier nur um den Fall, wenn der Schiffer von dem Rheder zum Verkaufe keine Vollmacht hat und nicht in der Lage ist, die Anordnung des Rheders oder Korrespondent-Rheders einzuholen, sondern kraft seiner gesetzlichen Stellvertretungsbefugniß zum Verkauf des Schiffes schreitet. Dazu ist er nur im Falle "dringender Nothwendigkeit" ermächtigt und nachdem dieselbe durch das Gericht des Ortes nach Anhörung von Sachverständigen festgestellt ist. Bei dieser Feststellung ist der Reichskonsul, wo ein solcher vorhanden ist, zuzuziehen und derselbe hat dabei als Abwesenheits-Kurator des Schiffseigenthümers dessen Interesse zu vertreten.
Auch wenn der Schiffer eine Bodmerei-Schuld aufneh- men will, kann er vor Ausstellung des Bodmereibriefs die Noth- wendigkeit der Eingehung des Geschäfts durch den Konsul beglau- bigen lassen 2). Bei der dem Konsul hierbei obliegenden caussae cognitio handelt derselbe als curator absentis theils des Rheders theils der Ladungsbetheiligten 3). Die vom Konsul ertheilte Be- scheinigung begründet die Vermuthung, daß der Schiffer zur Ein- gehung des Geschäfts in dem vorliegenden Umfang befugt gewesen sei; der Gegenbeweis ist jedoch zugelassen 4).
d) Die Reichskonsuln sind befugt, an Stelle eines verstorbe- nen, erkrankten oder sonst zur Führung des Schiffes untauglich gewordeuen Schiffers auf den Antrag der Betheiligten einen neuen Schiffsführer einzusetzen5). Wenn der Rheder oder Korrespondent-Rheder selbst für die Bestellung eines andern Schiffs- führers sorgt oder dazu in der Lage ist, fällt dieses Recht des Konsuls weg; zunächst wird derselbe daher, wenn es thunlich ist, den Rheder benachrichtigen und die Anweisung desselben einholen
1) Handelsgesetzb. Art. 499. Konsulatsges. §. 37.
2) Handelsgesetzb. Art. 686. Konsulatsges. §. 37.
3) Wenn der Eigenthümer des Schiffs oder der Ladung in die Verpfän- dung eingewilligt oder den Schiffer dazu bevollmächtigt hat, liegt ein Bodmerei- Vertrag im Sinne des H.-G.-B.'s überhaupt nicht vor. H.-G.-B. Art. 680.
4) H.-G.-B. Art. 686.
5) Konsulatsges. §. 35. Vgl. König, Handb. S. 235.
§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
γ) Bei dem Verkaufe eines Schiffes durch den Schiffer iſt der Konſul berufen, die Vermögens-Intereſſen des betreffenden Rheders wahrzunehmen 1). Es handelt ſich hier nur um den Fall, wenn der Schiffer von dem Rheder zum Verkaufe keine Vollmacht hat und nicht in der Lage iſt, die Anordnung des Rheders oder Korreſpondent-Rheders einzuholen, ſondern kraft ſeiner geſetzlichen Stellvertretungsbefugniß zum Verkauf des Schiffes ſchreitet. Dazu iſt er nur im Falle „dringender Nothwendigkeit“ ermächtigt und nachdem dieſelbe durch das Gericht des Ortes nach Anhörung von Sachverſtändigen feſtgeſtellt iſt. Bei dieſer Feſtſtellung iſt der Reichskonſul, wo ein ſolcher vorhanden iſt, zuzuziehen und derſelbe hat dabei als Abweſenheits-Kurator des Schiffseigenthümers deſſen Intereſſe zu vertreten.
Auch wenn der Schiffer eine Bodmerei-Schuld aufneh- men will, kann er vor Ausſtellung des Bodmereibriefs die Noth- wendigkeit der Eingehung des Geſchäfts durch den Konſul beglau- bigen laſſen 2). Bei der dem Konſul hierbei obliegenden caussae cognitio handelt derſelbe als curator absentis theils des Rheders theils der Ladungsbetheiligten 3). Die vom Konſul ertheilte Be- ſcheinigung begründet die Vermuthung, daß der Schiffer zur Ein- gehung des Geſchäfts in dem vorliegenden Umfang befugt geweſen ſei; der Gegenbeweis iſt jedoch zugelaſſen 4).
δ) Die Reichskonſuln ſind befugt, an Stelle eines verſtorbe- nen, erkrankten oder ſonſt zur Führung des Schiffes untauglich gewordeuen Schiffers auf den Antrag der Betheiligten einen neuen Schiffsführer einzuſetzen5). Wenn der Rheder oder Korreſpondent-Rheder ſelbſt für die Beſtellung eines andern Schiffs- führers ſorgt oder dazu in der Lage iſt, fällt dieſes Recht des Konſuls weg; zunächſt wird derſelbe daher, wenn es thunlich iſt, den Rheder benachrichtigen und die Anweiſung deſſelben einholen
1) Handelsgeſetzb. Art. 499. Konſulatsgeſ. §. 37.
2) Handelsgeſetzb. Art. 686. Konſulatsgeſ. §. 37.
3) Wenn der Eigenthümer des Schiffs oder der Ladung in die Verpfän- dung eingewilligt oder den Schiffer dazu bevollmächtigt hat, liegt ein Bodmerei- Vertrag im Sinne des H.-G.-B.’s überhaupt nicht vor. H.-G.-B. Art. 680.
4) H.-G.-B. Art. 686.
5) Konſulatsgeſ. §. 35. Vgl. König, Handb. S. 235.
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§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
γ) Bei dem Verkaufe eines Schiffes durch den Schiffer
iſt der Konſul berufen, die Vermögens-Intereſſen des betreffenden
Rheders wahrzunehmen 1). Es handelt ſich hier nur um den Fall,
wenn der Schiffer von dem Rheder zum Verkaufe keine Vollmacht
hat und nicht in der Lage iſt, die Anordnung des Rheders oder
Korreſpondent-Rheders einzuholen, ſondern kraft ſeiner geſetzlichen
Stellvertretungsbefugniß zum Verkauf des Schiffes ſchreitet. Dazu
iſt er nur im Falle „dringender Nothwendigkeit“ ermächtigt und
nachdem dieſelbe durch das Gericht des Ortes nach Anhörung von
Sachverſtändigen feſtgeſtellt iſt. Bei dieſer Feſtſtellung iſt der
Reichskonſul, wo ein ſolcher vorhanden iſt, zuzuziehen und derſelbe
hat dabei als Abweſenheits-Kurator des Schiffseigenthümers deſſen
Intereſſe zu vertreten.
Auch wenn der Schiffer eine Bodmerei-Schuld aufneh-
men will, kann er vor Ausſtellung des Bodmereibriefs die Noth-
wendigkeit der Eingehung des Geſchäfts durch den Konſul beglau-
bigen laſſen 2). Bei der dem Konſul hierbei obliegenden caussae
cognitio handelt derſelbe als curator absentis theils des Rheders
theils der Ladungsbetheiligten 3). Die vom Konſul ertheilte Be-
ſcheinigung begründet die Vermuthung, daß der Schiffer zur Ein-
gehung des Geſchäfts in dem vorliegenden Umfang befugt geweſen
ſei; der Gegenbeweis iſt jedoch zugelaſſen 4).
δ) Die Reichskonſuln ſind befugt, an Stelle eines verſtorbe-
nen, erkrankten oder ſonſt zur Führung des Schiffes untauglich
gewordeuen Schiffers auf den Antrag der Betheiligten einen neuen
Schiffsführer einzuſetzen 5). Wenn der Rheder oder
Korreſpondent-Rheder ſelbſt für die Beſtellung eines andern Schiffs-
führers ſorgt oder dazu in der Lage iſt, fällt dieſes Recht des
Konſuls weg; zunächſt wird derſelbe daher, wenn es thunlich iſt,
den Rheder benachrichtigen und die Anweiſung deſſelben einholen
1) Handelsgeſetzb. Art. 499. Konſulatsgeſ. §. 37.
2) Handelsgeſetzb. Art. 686. Konſulatsgeſ. §. 37.
3) Wenn der Eigenthümer des Schiffs oder der Ladung in die Verpfän-
dung eingewilligt oder den Schiffer dazu bevollmächtigt hat, liegt ein Bodmerei-
Vertrag im Sinne des H.-G.-B.’s überhaupt nicht vor. H.-G.-B. Art. 680.
4) H.-G.-B. Art. 686.
5) Konſulatsgeſ. §. 35. Vgl. König, Handb. S. 235.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/280>, abgerufen am 03.07.2024.
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