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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
wenn der Schiffsführer Weigerungsgründe vorschützt. Die Nicht-
befolgung des ordnungsmäßig (schriftlich) ertheilten Befehles des
Seemanns-Amtes (Konsulates) wird mit einer Geldstrafe bis zu
150 Mark oder mit Haft bestraft 1).

Hoheitsrechte des Reiches haben die Konsulate in ihrer Eigen-
schaft als Seemannsämter ferner insofern auszuüben, als ihnen
eine vorläufige Entscheidung sowohl bei bürgerlichen Strei-
tigkeiten als in gewissen Straffällen zusteht 2) und zwar nach fol-
genden Grundsätzen:

a) Dem Schiffsmann ist es reichsgesetzlich verboten, den
Schiffer vor einem fremden Gericht zu belangen; ausgenommen
ist allein die Geltendmachung von Forderungen aus dem Dienst-
oder Heuervertrage im Falle eines Zwangsverkaufs des
Schiffes. Der Schiffer, welcher diesem Verbote zuwiderhandelt,
ist nicht nur für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich,
sondern er wird außerdem der bis dahin verdienten Heuer ver-
lustig. Wenn der Streitfall von solcher Beschaffenheit ist, daß er
keinen Aufschub erleidet, so ist der Schiffsmann befugt, die vor-
läufige
Entscheidung des Seemannsamtes nachzusuchen, und der
Schiffer ist verpflichtet, die Gelegenheit dazu ohne dringenden
Grund nicht zu versagen 3). Die Entscheidung des Seemanns-
amtes (Konsulates) muß von beiden Theilen vorläufig befolgt
werden; es bleibt ihnen aber unbenommen, nach Beendigung der
Reise ihre Rechte vor der zuständigen Behörde geltend zu machen 4).


(R.-G.-Bl. S. 432 fg.) enthalten. In dem im §. 1 Abs. 2 dieses Gesetzes vor-
gesehenen Falle besteht die gleiche Befugniß auch hinsichtlich hülfsbedürftiger
ausländischer Seeleute behufs der Rückbeförderung derselben in ihr Heimaths-
land. -- Die Instruction v. 22. Febr. 1873 zu §. 26 des Konsulats-Gesetzes
enthält die näheren Vorschriften über das vom Konsul zu beobachtende Ver-
fahren. Hänel und Lesse S. 68.
1) Gesetz v. 27. Dez. 1872 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 434).
2) Abgesehen von der ihnen obliegenden gütlichen Vermittlung bei Strei-
tigkeiten, welche bei Gelegenheit der Abmusterung zur Sprache kommen. See-
manns-Ordn. §. 104.
3) Ebenso ist der Schiffer befugt, die Entscheidung des Konsulates
gegen den Matrosen anzurufen. Urth. des Reichs-Oberhandelsgerichts
v. 17. Febr. 1874 (Entsch. Bd. 12 S. 419. 420).
4) Seemanns-Ordn. §. 105. Diese Bestimmung ist im Wesentlichen
dem Handels-Gesetzb. Art. 537 entnommen. Eine wirkliche Gerichts-
barkeit
ist in dieser Funktion nicht enthalten; denn der Zweck dieser Be-
17*

§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
wenn der Schiffsführer Weigerungsgründe vorſchützt. Die Nicht-
befolgung des ordnungsmäßig (ſchriftlich) ertheilten Befehles des
Seemanns-Amtes (Konſulates) wird mit einer Geldſtrafe bis zu
150 Mark oder mit Haft beſtraft 1).

Hoheitsrechte des Reiches haben die Konſulate in ihrer Eigen-
ſchaft als Seemannsämter ferner inſofern auszuüben, als ihnen
eine vorläufige Entſcheidung ſowohl bei bürgerlichen Strei-
tigkeiten als in gewiſſen Straffällen zuſteht 2) und zwar nach fol-
genden Grundſätzen:

α) Dem Schiffsmann iſt es reichsgeſetzlich verboten, den
Schiffer vor einem fremden Gericht zu belangen; ausgenommen
iſt allein die Geltendmachung von Forderungen aus dem Dienſt-
oder Heuervertrage im Falle eines Zwangsverkaufs des
Schiffes. Der Schiffer, welcher dieſem Verbote zuwiderhandelt,
iſt nicht nur für den daraus entſtehenden Schaden verantwortlich,
ſondern er wird außerdem der bis dahin verdienten Heuer ver-
luſtig. Wenn der Streitfall von ſolcher Beſchaffenheit iſt, daß er
keinen Aufſchub erleidet, ſo iſt der Schiffsmann befugt, die vor-
läufige
Entſcheidung des Seemannsamtes nachzuſuchen, und der
Schiffer iſt verpflichtet, die Gelegenheit dazu ohne dringenden
Grund nicht zu verſagen 3). Die Entſcheidung des Seemanns-
amtes (Konſulates) muß von beiden Theilen vorläufig befolgt
werden; es bleibt ihnen aber unbenommen, nach Beendigung der
Reiſe ihre Rechte vor der zuſtändigen Behörde geltend zu machen 4).


(R.-G.-Bl. S. 432 fg.) enthalten. In dem im §. 1 Abſ. 2 dieſes Geſetzes vor-
geſehenen Falle beſteht die gleiche Befugniß auch hinſichtlich hülfsbedürftiger
ausländiſcher Seeleute behufs der Rückbeförderung derſelben in ihr Heimaths-
land. — Die Inſtruction v. 22. Febr. 1873 zu §. 26 des Konſulats-Geſetzes
enthält die näheren Vorſchriften über das vom Konſul zu beobachtende Ver-
fahren. Hänel und Leſſe S. 68.
1) Geſetz v. 27. Dez. 1872 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 434).
2) Abgeſehen von der ihnen obliegenden gütlichen Vermittlung bei Strei-
tigkeiten, welche bei Gelegenheit der Abmuſterung zur Sprache kommen. See-
manns-Ordn. §. 104.
3) Ebenſo iſt der Schiffer befugt, die Entſcheidung des Konſulates
gegen den Matroſen anzurufen. Urth. des Reichs-Oberhandelsgerichts
v. 17. Febr. 1874 (Entſch. Bd. 12 S. 419. 420).
4) Seemanns-Ordn. §. 105. Dieſe Beſtimmung iſt im Weſentlichen
dem Handels-Geſetzb. Art. 537 entnommen. Eine wirkliche Gerichts-
barkeit
iſt in dieſer Funktion nicht enthalten; denn der Zweck dieſer Be-
17*
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[259/0273] §. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. wenn der Schiffsführer Weigerungsgründe vorſchützt. Die Nicht- befolgung des ordnungsmäßig (ſchriftlich) ertheilten Befehles des Seemanns-Amtes (Konſulates) wird mit einer Geldſtrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft beſtraft 1). Hoheitsrechte des Reiches haben die Konſulate in ihrer Eigen- ſchaft als Seemannsämter ferner inſofern auszuüben, als ihnen eine vorläufige Entſcheidung ſowohl bei bürgerlichen Strei- tigkeiten als in gewiſſen Straffällen zuſteht 2) und zwar nach fol- genden Grundſätzen: α) Dem Schiffsmann iſt es reichsgeſetzlich verboten, den Schiffer vor einem fremden Gericht zu belangen; ausgenommen iſt allein die Geltendmachung von Forderungen aus dem Dienſt- oder Heuervertrage im Falle eines Zwangsverkaufs des Schiffes. Der Schiffer, welcher dieſem Verbote zuwiderhandelt, iſt nicht nur für den daraus entſtehenden Schaden verantwortlich, ſondern er wird außerdem der bis dahin verdienten Heuer ver- luſtig. Wenn der Streitfall von ſolcher Beſchaffenheit iſt, daß er keinen Aufſchub erleidet, ſo iſt der Schiffsmann befugt, die vor- läufige Entſcheidung des Seemannsamtes nachzuſuchen, und der Schiffer iſt verpflichtet, die Gelegenheit dazu ohne dringenden Grund nicht zu verſagen 3). Die Entſcheidung des Seemanns- amtes (Konſulates) muß von beiden Theilen vorläufig befolgt werden; es bleibt ihnen aber unbenommen, nach Beendigung der Reiſe ihre Rechte vor der zuſtändigen Behörde geltend zu machen 4). 5) 1) Geſetz v. 27. Dez. 1872 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 434). 2) Abgeſehen von der ihnen obliegenden gütlichen Vermittlung bei Strei- tigkeiten, welche bei Gelegenheit der Abmuſterung zur Sprache kommen. See- manns-Ordn. §. 104. 3) Ebenſo iſt der Schiffer befugt, die Entſcheidung des Konſulates gegen den Matroſen anzurufen. Urth. des Reichs-Oberhandelsgerichts v. 17. Febr. 1874 (Entſch. Bd. 12 S. 419. 420). 4) Seemanns-Ordn. §. 105. Dieſe Beſtimmung iſt im Weſentlichen dem Handels-Geſetzb. Art. 537 entnommen. Eine wirkliche Gerichts- barkeit iſt in dieſer Funktion nicht enthalten; denn der Zweck dieſer Be- 5) (R.-G.-Bl. S. 432 fg.) enthalten. In dem im §. 1 Abſ. 2 dieſes Geſetzes vor- geſehenen Falle beſteht die gleiche Befugniß auch hinſichtlich hülfsbedürftiger ausländiſcher Seeleute behufs der Rückbeförderung derſelben in ihr Heimaths- land. — Die Inſtruction v. 22. Febr. 1873 zu §. 26 des Konſulats-Geſetzes enthält die näheren Vorſchriften über das vom Konſul zu beobachtende Ver- fahren. Hänel und Leſſe S. 68. 17*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/273>, abgerufen am 26.11.2024.