Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. der auswärtigen Politik. Denn da das Reich allein Kriegerklären und Frieden schließen kann und der Kaiser den Ober- befehl über die Machtmittel des Reiches (Heer und Marine) hat, so ist auch die gesammte auswärtige Politik, die hiervon untrenn- bar ist, für das ganze Reich nothwendig eine einheitliche und eine für alle Bundesglieder gemeinschaftliche Angelegenheit. Dasselbe gilt von allen internationalen Handels- und Schifffahrts- Angelegenheiten und der Handels-Politik wegen der ver- fassungsmäßig anerkannten Einheit des Zollgebietes und der Han- delsmarine. Ferner gehören hierher die Angelegenheiten des Post- und Telegraphen-Wesens, die internationalen Militair- und Marine-Angelegenheiten, Niederlassungs-Verhältnisse, Freizügigkeit zwischen dem Gebiete des Reichs und dem des auswärtigen Staates, Gewerbebetrieb der Deutschen im Auslande oder der Ausländer in Deutschland, Auslieferung von Flüchtigen, sowie Unterstützung und Uebernahme hülfsbedürftiger Angehöriger, Auswanderungs- Sachen, internationale Verhandlungen über das Maaß-, Münz- und Gewichtssystem, über Patentschutz, den Schutz von Fabrik- zeichen und Waaren-Marken, über Musterschutz und Schutz des geistigen Eigenthums, über die Rechtshülfe und die Beglaubi- gung von öffentlichen Urkunden, über internationale Maßregeln der Medicinal- und Veterinärpolizei, über Angelegenheiten des Preß- und Vereinswesens; alle die Reichsfinanzen berührenden internationalen Angelegenheiten; endlich alle Angelegenheiten, welche zum Gegenstande eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und dem Staat, bei dessen Souverain der Reichs- gesandte beglaubigt ist, gemacht worden sind. In allen diesen Angelegenheiten ist jede Einmischung eines 1) Wenn der Reichsgesandte glaubt, daß der Einfluß und die Thätigkeit eines Landesgesandten zur Geltendmachung allgemeiner Deutscher Interessen von Nutzen sein könnte, so ist eine Mitwirkung des Landesgesandten nicht nur zulässig, sondern durch die Gemeinsamkeit der Deutschen Interessen geboten und es ist dem entsprechend in dem Bayr. Schlußprotok. v. 23. Nov. 1870 16*
§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. der auswärtigen Politik. Denn da das Reich allein Kriegerklären und Frieden ſchließen kann und der Kaiſer den Ober- befehl über die Machtmittel des Reiches (Heer und Marine) hat, ſo iſt auch die geſammte auswärtige Politik, die hiervon untrenn- bar iſt, für das ganze Reich nothwendig eine einheitliche und eine für alle Bundesglieder gemeinſchaftliche Angelegenheit. Daſſelbe gilt von allen internationalen Handels- und Schifffahrts- Angelegenheiten und der Handels-Politik wegen der ver- faſſungsmäßig anerkannten Einheit des Zollgebietes und der Han- delsmarine. Ferner gehören hierher die Angelegenheiten des Poſt- und Telegraphen-Weſens, die internationalen Militair- und Marine-Angelegenheiten, Niederlaſſungs-Verhältniſſe, Freizügigkeit zwiſchen dem Gebiete des Reichs und dem des auswärtigen Staates, Gewerbebetrieb der Deutſchen im Auslande oder der Ausländer in Deutſchland, Auslieferung von Flüchtigen, ſowie Unterſtützung und Uebernahme hülfsbedürftiger Angehöriger, Auswanderungs- Sachen, internationale Verhandlungen über das Maaß-, Münz- und Gewichtsſyſtem, über Patentſchutz, den Schutz von Fabrik- zeichen und Waaren-Marken, über Muſterſchutz und Schutz des geiſtigen Eigenthums, über die Rechtshülfe und die Beglaubi- gung von öffentlichen Urkunden, über internationale Maßregeln der Medicinal- und Veterinärpolizei, über Angelegenheiten des Preß- und Vereinsweſens; alle die Reichsfinanzen berührenden internationalen Angelegenheiten; endlich alle Angelegenheiten, welche zum Gegenſtande eines völkerrechtlichen Vertrages zwiſchen dem Deutſchen Reich und dem Staat, bei deſſen Souverain der Reichs- geſandte beglaubigt iſt, gemacht worden ſind. In allen dieſen Angelegenheiten iſt jede Einmiſchung eines 1) Wenn der Reichsgeſandte glaubt, daß der Einfluß und die Thätigkeit eines Landesgeſandten zur Geltendmachung allgemeiner Deutſcher Intereſſen von Nutzen ſein könnte, ſo iſt eine Mitwirkung des Landesgeſandten nicht nur zuläſſig, ſondern durch die Gemeinſamkeit der Deutſchen Intereſſen geboten und es iſt dem entſprechend in dem Bayr. Schlußprotok. v. 23. Nov. 1870 16*
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§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
der auswärtigen Politik. Denn da das Reich allein Krieg
erklären und Frieden ſchließen kann und der Kaiſer den Ober-
befehl über die Machtmittel des Reiches (Heer und Marine) hat,
ſo iſt auch die geſammte auswärtige Politik, die hiervon untrenn-
bar iſt, für das ganze Reich nothwendig eine einheitliche und eine
für alle Bundesglieder gemeinſchaftliche Angelegenheit. Daſſelbe
gilt von allen internationalen Handels- und Schifffahrts-
Angelegenheiten und der Handels-Politik wegen der ver-
faſſungsmäßig anerkannten Einheit des Zollgebietes und der Han-
delsmarine. Ferner gehören hierher die Angelegenheiten des
Poſt- und Telegraphen-Weſens, die internationalen Militair- und
Marine-Angelegenheiten, Niederlaſſungs-Verhältniſſe, Freizügigkeit
zwiſchen dem Gebiete des Reichs und dem des auswärtigen Staates,
Gewerbebetrieb der Deutſchen im Auslande oder der Ausländer
in Deutſchland, Auslieferung von Flüchtigen, ſowie Unterſtützung
und Uebernahme hülfsbedürftiger Angehöriger, Auswanderungs-
Sachen, internationale Verhandlungen über das Maaß-, Münz-
und Gewichtsſyſtem, über Patentſchutz, den Schutz von Fabrik-
zeichen und Waaren-Marken, über Muſterſchutz und Schutz des
geiſtigen Eigenthums, über die Rechtshülfe und die Beglaubi-
gung von öffentlichen Urkunden, über internationale Maßregeln
der Medicinal- und Veterinärpolizei, über Angelegenheiten des
Preß- und Vereinsweſens; alle die Reichsfinanzen berührenden
internationalen Angelegenheiten; endlich alle Angelegenheiten, welche
zum Gegenſtande eines völkerrechtlichen Vertrages zwiſchen dem
Deutſchen Reich und dem Staat, bei deſſen Souverain der Reichs-
geſandte beglaubigt iſt, gemacht worden ſind.
In allen dieſen Angelegenheiten iſt jede Einmiſchung eines
Landesgeſandten ohne Zuſtimmung des Reichsgeſandten eine un-
befugte; ſie iſt eine Ueberſchreitung der den Bundesgliedern ver-
bliebenen Kompetenz und kann ſelbſt eine Verletzung der verfaſ-
ſungsmäßigen Bundespflichten ſein, ſo daß im äußerſten Falle
Art. 19 der R.-V. in Anwendung gebracht werden könnte 1).
1) Wenn der Reichsgeſandte glaubt, daß der Einfluß und die Thätigkeit
eines Landesgeſandten zur Geltendmachung allgemeiner Deutſcher Intereſſen
von Nutzen ſein könnte, ſo iſt eine Mitwirkung des Landesgeſandten nicht nur
zuläſſig, ſondern durch die Gemeinſamkeit der Deutſchen Intereſſen geboten
und es iſt dem entſprechend in dem Bayr. Schlußprotok. v. 23. Nov. 1870
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