III. Bei jeder ausgedehnten und an viele Geschäftsführer vertheilten Verwaltung sind zur Erhaltung der Einheit und Ord- nung nicht blos leitende Organe erforderlich, welche die ausfüh- renden instruiren und ihnen ihre Thätigkeit vorschreiben, sondern es ist auch eine stetige und wirksame Beaufsichtigung erfor- derlich. Hieraus ergibt sich eine dritte Art von Verwaltungs- geschäften, die ebensowohl von der unmittelbaren Geschäftsführung, wie von der Ertheilung von Anweisungen und Instructionen be- grifflich verschieden ist, wenngleich sie mit dieser letzteren Art von Geschäften thatsächlich oft verbunden ist. Die controllirende Thätig- keit hat die Eigenthümlichkeit, daß sie nach Außen hin nicht wirk- sam zu werden braucht, ja es in unmittelbarer Weise nicht einmal werden kann. Die genaueste und sorgfältigste Controlle hat ein durchaus negatives Ergebniß, wenn die Thätigkeit der controllirten Behörden eine vollkommen ordnungsmäßige und zufriedenstellende ist. Nur wenn Fehler der unteren Behörden bemerkt werden, wenn diese Behörden etwa Rechtssätze oder die ihnen ertheilten Instruk- tionen verletzen oder unrichtig anwenden, oder wenn ihre Geschäfts- führung als unzweckmäßig oder nutzlos erscheint, führt die Con- trole zu einem Einschreiten. Die beaufsichtigende Thätigkeit der Instanzen hat aber zunächst und unmittelbar nur den Erfolg, daß die Fehler, Rechtswidrigkeiten oder Mängel constatirt werden. Möglicherweise hat diese Feststellung gar keine weiteren Folgen. Sie kann aber Veranlassung geben zu Handlungen sehr verschie- denen Inhaltes, z. B. zur gerichtlichen Verfolgung des pflicht- widrigen Beamten oder zur Einleitung einer Disciplinar-Unter- suchung gegen ihn oder zur Einziehung des Ersatzes für den von ihm verursachten Schaden; ferner aber zum Erlaß einer Verfügung, welche dem Beamten eine bestimmte Handlung oder Unterlassung vorschreibt, oder einer Verwaltungs-Verordnung, durch die das Verhalten einer Behörde für gewisse Fälle geregelt wird; oder sie kann endlich zur Vorbereitung eines Gesetzes dienen, durch welches die Collision zwischen dem für nothwendig erachteten Verhalten der Verwaltungs-Behörden und dem bestehenden Recht beseitigt wird.
Die Beaufsichtigung der Verwaltung ist an sich kein Rechts- geschäft, überhaupt kein Willensact, sondern eine geistige Thätig- keit von lediglich factischer Natur, die an sich nicht nur ohne alle
Laband, Reichsstaatsrecht. II. 15
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
III. Bei jeder ausgedehnten und an viele Geſchäftsführer vertheilten Verwaltung ſind zur Erhaltung der Einheit und Ord- nung nicht blos leitende Organe erforderlich, welche die ausfüh- renden inſtruiren und ihnen ihre Thätigkeit vorſchreiben, ſondern es iſt auch eine ſtetige und wirkſame Beaufſichtigung erfor- derlich. Hieraus ergibt ſich eine dritte Art von Verwaltungs- geſchäften, die ebenſowohl von der unmittelbaren Geſchäftsführung, wie von der Ertheilung von Anweiſungen und Inſtructionen be- grifflich verſchieden iſt, wenngleich ſie mit dieſer letzteren Art von Geſchäften thatſächlich oft verbunden iſt. Die controllirende Thätig- keit hat die Eigenthümlichkeit, daß ſie nach Außen hin nicht wirk- ſam zu werden braucht, ja es in unmittelbarer Weiſe nicht einmal werden kann. Die genaueſte und ſorgfältigſte Controlle hat ein durchaus negatives Ergebniß, wenn die Thätigkeit der controllirten Behörden eine vollkommen ordnungsmäßige und zufriedenſtellende iſt. Nur wenn Fehler der unteren Behörden bemerkt werden, wenn dieſe Behörden etwa Rechtsſätze oder die ihnen ertheilten Inſtruk- tionen verletzen oder unrichtig anwenden, oder wenn ihre Geſchäfts- führung als unzweckmäßig oder nutzlos erſcheint, führt die Con- trole zu einem Einſchreiten. Die beaufſichtigende Thätigkeit der Inſtanzen hat aber zunächſt und unmittelbar nur den Erfolg, daß die Fehler, Rechtswidrigkeiten oder Mängel conſtatirt werden. Möglicherweiſe hat dieſe Feſtſtellung gar keine weiteren Folgen. Sie kann aber Veranlaſſung geben zu Handlungen ſehr verſchie- denen Inhaltes, z. B. zur gerichtlichen Verfolgung des pflicht- widrigen Beamten oder zur Einleitung einer Disciplinar-Unter- ſuchung gegen ihn oder zur Einziehung des Erſatzes für den von ihm verurſachten Schaden; ferner aber zum Erlaß einer Verfügung, welche dem Beamten eine beſtimmte Handlung oder Unterlaſſung vorſchreibt, oder einer Verwaltungs-Verordnung, durch die das Verhalten einer Behörde für gewiſſe Fälle geregelt wird; oder ſie kann endlich zur Vorbereitung eines Geſetzes dienen, durch welches die Colliſion zwiſchen dem für nothwendig erachteten Verhalten der Verwaltungs-Behörden und dem beſtehenden Recht beſeitigt wird.
Die Beaufſichtigung der Verwaltung iſt an ſich kein Rechts- geſchäft, überhaupt kein Willensact, ſondern eine geiſtige Thätig- keit von lediglich factiſcher Natur, die an ſich nicht nur ohne alle
Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 15
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0239"n="225"/><fwplace="top"type="header">§. 68. Die Formen der Verwaltung.</fw><lb/><p><hirendition="#aq">III.</hi> Bei jeder ausgedehnten und an viele Geſchäftsführer<lb/>
vertheilten Verwaltung ſind zur Erhaltung der Einheit und Ord-<lb/>
nung nicht blos leitende Organe erforderlich, welche die ausfüh-<lb/>
renden inſtruiren und ihnen ihre Thätigkeit vorſchreiben, ſondern<lb/>
es iſt auch eine ſtetige und wirkſame <hirendition="#g">Beaufſichtigung</hi> erfor-<lb/>
derlich. Hieraus ergibt ſich eine dritte Art von Verwaltungs-<lb/>
geſchäften, die ebenſowohl von der unmittelbaren Geſchäftsführung,<lb/>
wie von der Ertheilung von Anweiſungen und Inſtructionen be-<lb/>
grifflich verſchieden iſt, wenngleich ſie mit dieſer letzteren Art von<lb/>
Geſchäften thatſächlich oft verbunden iſt. Die controllirende Thätig-<lb/>
keit hat die Eigenthümlichkeit, daß ſie nach Außen hin nicht wirk-<lb/>ſam zu werden braucht, ja es in unmittelbarer Weiſe nicht einmal<lb/>
werden kann. Die genaueſte und ſorgfältigſte Controlle hat ein<lb/>
durchaus negatives Ergebniß, wenn die Thätigkeit der controllirten<lb/>
Behörden eine vollkommen ordnungsmäßige und zufriedenſtellende<lb/>
iſt. Nur wenn Fehler der unteren Behörden bemerkt werden, wenn<lb/>
dieſe Behörden etwa Rechtsſätze oder die ihnen ertheilten Inſtruk-<lb/>
tionen verletzen oder unrichtig anwenden, oder wenn ihre Geſchäfts-<lb/>
führung als unzweckmäßig oder nutzlos erſcheint, führt die Con-<lb/>
trole zu einem Einſchreiten. Die beaufſichtigende Thätigkeit der<lb/>
Inſtanzen hat aber zunächſt und unmittelbar nur den Erfolg, daß<lb/>
die Fehler, Rechtswidrigkeiten oder Mängel <hirendition="#g">conſtatirt</hi> werden.<lb/>
Möglicherweiſe hat dieſe Feſtſtellung gar keine weiteren Folgen.<lb/>
Sie <hirendition="#g">kann</hi> aber Veranlaſſung geben zu Handlungen ſehr verſchie-<lb/>
denen Inhaltes, z. B. zur gerichtlichen Verfolgung des pflicht-<lb/>
widrigen Beamten oder zur Einleitung einer Disciplinar-Unter-<lb/>ſuchung gegen ihn oder zur Einziehung des Erſatzes für den von<lb/>
ihm verurſachten Schaden; ferner aber zum Erlaß einer Verfügung,<lb/>
welche dem Beamten eine beſtimmte Handlung oder Unterlaſſung<lb/>
vorſchreibt, oder einer Verwaltungs-Verordnung, durch die das<lb/>
Verhalten einer Behörde für gewiſſe Fälle geregelt wird; oder ſie<lb/>
kann endlich zur Vorbereitung eines Geſetzes dienen, durch welches<lb/>
die Colliſion zwiſchen dem für nothwendig erachteten Verhalten der<lb/>
Verwaltungs-Behörden und dem beſtehenden Recht beſeitigt wird.</p><lb/><p>Die Beaufſichtigung der Verwaltung iſt an ſich kein Rechts-<lb/>
geſchäft, überhaupt kein Willensact, ſondern eine geiſtige Thätig-<lb/>
keit von lediglich factiſcher Natur, die an ſich nicht nur ohne alle<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Laband</hi>, Reichsſtaatsrecht. <hirendition="#aq">II.</hi> 15</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[225/0239]
§. 68. Die Formen der Verwaltung.
III. Bei jeder ausgedehnten und an viele Geſchäftsführer
vertheilten Verwaltung ſind zur Erhaltung der Einheit und Ord-
nung nicht blos leitende Organe erforderlich, welche die ausfüh-
renden inſtruiren und ihnen ihre Thätigkeit vorſchreiben, ſondern
es iſt auch eine ſtetige und wirkſame Beaufſichtigung erfor-
derlich. Hieraus ergibt ſich eine dritte Art von Verwaltungs-
geſchäften, die ebenſowohl von der unmittelbaren Geſchäftsführung,
wie von der Ertheilung von Anweiſungen und Inſtructionen be-
grifflich verſchieden iſt, wenngleich ſie mit dieſer letzteren Art von
Geſchäften thatſächlich oft verbunden iſt. Die controllirende Thätig-
keit hat die Eigenthümlichkeit, daß ſie nach Außen hin nicht wirk-
ſam zu werden braucht, ja es in unmittelbarer Weiſe nicht einmal
werden kann. Die genaueſte und ſorgfältigſte Controlle hat ein
durchaus negatives Ergebniß, wenn die Thätigkeit der controllirten
Behörden eine vollkommen ordnungsmäßige und zufriedenſtellende
iſt. Nur wenn Fehler der unteren Behörden bemerkt werden, wenn
dieſe Behörden etwa Rechtsſätze oder die ihnen ertheilten Inſtruk-
tionen verletzen oder unrichtig anwenden, oder wenn ihre Geſchäfts-
führung als unzweckmäßig oder nutzlos erſcheint, führt die Con-
trole zu einem Einſchreiten. Die beaufſichtigende Thätigkeit der
Inſtanzen hat aber zunächſt und unmittelbar nur den Erfolg, daß
die Fehler, Rechtswidrigkeiten oder Mängel conſtatirt werden.
Möglicherweiſe hat dieſe Feſtſtellung gar keine weiteren Folgen.
Sie kann aber Veranlaſſung geben zu Handlungen ſehr verſchie-
denen Inhaltes, z. B. zur gerichtlichen Verfolgung des pflicht-
widrigen Beamten oder zur Einleitung einer Disciplinar-Unter-
ſuchung gegen ihn oder zur Einziehung des Erſatzes für den von
ihm verurſachten Schaden; ferner aber zum Erlaß einer Verfügung,
welche dem Beamten eine beſtimmte Handlung oder Unterlaſſung
vorſchreibt, oder einer Verwaltungs-Verordnung, durch die das
Verhalten einer Behörde für gewiſſe Fälle geregelt wird; oder ſie
kann endlich zur Vorbereitung eines Geſetzes dienen, durch welches
die Colliſion zwiſchen dem für nothwendig erachteten Verhalten der
Verwaltungs-Behörden und dem beſtehenden Recht beſeitigt wird.
Die Beaufſichtigung der Verwaltung iſt an ſich kein Rechts-
geſchäft, überhaupt kein Willensact, ſondern eine geiſtige Thätig-
keit von lediglich factiſcher Natur, die an ſich nicht nur ohne alle
Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 15
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/239>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.