Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 68. Die Formen der Verwaltung.
einer genau bestimmten Schablone abschließen müssen. Diese Aus-
nahmen beruhen theils auf dem finanziellen Interesse des Staates,
sind also durch den Antheil der Volksvertretung an der Ordnung
der Staatswirthschaft begründet, theils auf der Fürsorge für die
Wohlfahrt des Volkes. Ein Beispiel für die Ausnahmen der
ersten Klasse bieten die Anleihegesetze. In denselben kann nicht
nur die Regierung zur Aufnahme einer Anleihe in gewissem Be-
trage ermächtigt werden, sondern es kann zugleich vorgeschrieben
werden, unter welchen Bedingungen das Geschäft geschlossen, wie
die Anleihe aufgebracht, verzinst, getilgt werden soll. Ebenso kann
ein Gesetz, welches die Regierung ermächtigt, eine Eisenbahn zu
kaufen oder in eigenen Betrieb zu nehmen, die Bedingungen ge-
nau feststellen, welche in dem zu diesem Zwecke abzuschließenden
Vertrage zu vereinbaren sind.

Für die zweite Klasse von Ausnahmen bietet ein besonders
anschauliches Beispiel die Post. Es würde ganz unerträglich sein,
wenn bei der Aufgabe jedes einzelnen Briefes die Bedingungen
speziell verabredet werden müßten oder auch nur dürften, unter
denen die Postanstalt die Beförderung desselben übernimmt. Diese
in unzähligen Fällen abzuschließenden Verträge müssen einen voll-
kommen stereotypen Inhalt haben. Nun ist es allerdings möglich,
daß die Verwaltungsbehörden selbst diesen Inhalt allgemein fest-
stellen, insbesondere auch den zu entrichtenden Gebührenbetrag
fixiren. Dies ist gegenwärtig der Fall bei dem Geschäftsbetrieb der
Telegraphen-Anstalt, der Eisenbahnen, mehreren Geschäftszweigen der
Post u. s. w. Es kann aber auch durch Gesetz der Inhalt dieser
Verträge fixirt werden, wie dies namentlich hinsichtlich der Beför-
derung von Briefen geschehen ist. Der gesetzlich festgestellte Porto-
Tarif enthält keine Rechtssätze, sondern ist ein Preis-Verzeichniß;
aber die Verwaltung darf nicht unter anderen Bedingungen Brief-
beförderungs-Verträge abschließen, als unter den gesetzlich festge-
stellten. Ebenso können die Anstellungs-Verträge mit Beamten von
der Regierung nicht anders abgeschlossen werden, als nach den im
Beamtengesetz gegebenen Vorschriften, namentlich in Betreff der
Gehalts- und Pensionsansprüche. Aber nicht nur die vom Staate
zu zahlenden oder zu erhebenden Geldbeträge, sondern auch der
gesammte übrige Inhalt der von der Verwaltung abzuschließenden
Verträge kann für gewisse Arten der letzteren durch Gesetz allge-

§. 68. Die Formen der Verwaltung.
einer genau beſtimmten Schablone abſchließen müſſen. Dieſe Aus-
nahmen beruhen theils auf dem finanziellen Intereſſe des Staates,
ſind alſo durch den Antheil der Volksvertretung an der Ordnung
der Staatswirthſchaft begründet, theils auf der Fürſorge für die
Wohlfahrt des Volkes. Ein Beiſpiel für die Ausnahmen der
erſten Klaſſe bieten die Anleihegeſetze. In denſelben kann nicht
nur die Regierung zur Aufnahme einer Anleihe in gewiſſem Be-
trage ermächtigt werden, ſondern es kann zugleich vorgeſchrieben
werden, unter welchen Bedingungen das Geſchäft geſchloſſen, wie
die Anleihe aufgebracht, verzinſt, getilgt werden ſoll. Ebenſo kann
ein Geſetz, welches die Regierung ermächtigt, eine Eiſenbahn zu
kaufen oder in eigenen Betrieb zu nehmen, die Bedingungen ge-
nau feſtſtellen, welche in dem zu dieſem Zwecke abzuſchließenden
Vertrage zu vereinbaren ſind.

Für die zweite Klaſſe von Ausnahmen bietet ein beſonders
anſchauliches Beiſpiel die Poſt. Es würde ganz unerträglich ſein,
wenn bei der Aufgabe jedes einzelnen Briefes die Bedingungen
ſpeziell verabredet werden müßten oder auch nur dürften, unter
denen die Poſtanſtalt die Beförderung deſſelben übernimmt. Dieſe
in unzähligen Fällen abzuſchließenden Verträge müſſen einen voll-
kommen ſtereotypen Inhalt haben. Nun iſt es allerdings möglich,
daß die Verwaltungsbehörden ſelbſt dieſen Inhalt allgemein feſt-
ſtellen, insbeſondere auch den zu entrichtenden Gebührenbetrag
fixiren. Dies iſt gegenwärtig der Fall bei dem Geſchäftsbetrieb der
Telegraphen-Anſtalt, der Eiſenbahnen, mehreren Geſchäftszweigen der
Poſt u. ſ. w. Es kann aber auch durch Geſetz der Inhalt dieſer
Verträge fixirt werden, wie dies namentlich hinſichtlich der Beför-
derung von Briefen geſchehen iſt. Der geſetzlich feſtgeſtellte Porto-
Tarif enthält keine Rechtsſätze, ſondern iſt ein Preis-Verzeichniß;
aber die Verwaltung darf nicht unter anderen Bedingungen Brief-
beförderungs-Verträge abſchließen, als unter den geſetzlich feſtge-
ſtellten. Ebenſo können die Anſtellungs-Verträge mit Beamten von
der Regierung nicht anders abgeſchloſſen werden, als nach den im
Beamtengeſetz gegebenen Vorſchriften, namentlich in Betreff der
Gehalts- und Penſionsanſprüche. Aber nicht nur die vom Staate
zu zahlenden oder zu erhebenden Geldbeträge, ſondern auch der
geſammte übrige Inhalt der von der Verwaltung abzuſchließenden
Verträge kann für gewiſſe Arten der letzteren durch Geſetz allge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0229" n="215"/><fw place="top" type="header">§. 68. Die Formen der Verwaltung.</fw><lb/>
einer genau be&#x017F;timmten Schablone ab&#x017F;chließen mü&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;e Aus-<lb/>
nahmen beruhen theils auf dem finanziellen Intere&#x017F;&#x017F;e des Staates,<lb/>
&#x017F;ind al&#x017F;o durch den Antheil der Volksvertretung an der Ordnung<lb/>
der Staatswirth&#x017F;chaft begründet, theils auf der Für&#x017F;orge für die<lb/>
Wohlfahrt des Volkes. Ein Bei&#x017F;piel für die Ausnahmen der<lb/>
er&#x017F;ten Kla&#x017F;&#x017F;e bieten die Anleihege&#x017F;etze. In den&#x017F;elben kann nicht<lb/>
nur die Regierung zur Aufnahme einer Anleihe in gewi&#x017F;&#x017F;em Be-<lb/>
trage ermächtigt werden, &#x017F;ondern es <hi rendition="#g">kann</hi> zugleich vorge&#x017F;chrieben<lb/>
werden, unter welchen Bedingungen das Ge&#x017F;chäft ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, wie<lb/>
die Anleihe aufgebracht, verzin&#x017F;t, getilgt werden &#x017F;oll. Eben&#x017F;o kann<lb/>
ein Ge&#x017F;etz, welches die Regierung ermächtigt, eine Ei&#x017F;enbahn zu<lb/>
kaufen oder in eigenen Betrieb zu nehmen, die Bedingungen ge-<lb/>
nau fe&#x017F;t&#x017F;tellen, welche in dem zu die&#x017F;em Zwecke abzu&#x017F;chließenden<lb/>
Vertrage zu vereinbaren &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Für die zweite Kla&#x017F;&#x017F;e von Ausnahmen bietet ein be&#x017F;onders<lb/>
an&#x017F;chauliches Bei&#x017F;piel die Po&#x017F;t. Es würde ganz unerträglich &#x017F;ein,<lb/>
wenn bei der Aufgabe jedes einzelnen Briefes die Bedingungen<lb/>
&#x017F;peziell verabredet werden müßten oder auch nur dürften, unter<lb/>
denen die Po&#x017F;tan&#x017F;talt die Beförderung de&#x017F;&#x017F;elben übernimmt. Die&#x017F;e<lb/>
in unzähligen Fällen abzu&#x017F;chließenden Verträge mü&#x017F;&#x017F;en einen voll-<lb/>
kommen &#x017F;tereotypen Inhalt haben. Nun i&#x017F;t es allerdings möglich,<lb/>
daß die Verwaltungsbehörden &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;en Inhalt allgemein fe&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tellen, insbe&#x017F;ondere auch den zu entrichtenden Gebührenbetrag<lb/>
fixiren. Dies i&#x017F;t gegenwärtig der Fall bei dem Ge&#x017F;chäftsbetrieb der<lb/>
Telegraphen-An&#x017F;talt, der Ei&#x017F;enbahnen, mehreren Ge&#x017F;chäftszweigen der<lb/>
Po&#x017F;t u. &#x017F;. w. Es kann aber auch <hi rendition="#g">durch Ge&#x017F;etz</hi> der Inhalt die&#x017F;er<lb/>
Verträge fixirt werden, wie dies namentlich hin&#x017F;ichtlich der Beför-<lb/>
derung von Briefen ge&#x017F;chehen i&#x017F;t. Der ge&#x017F;etzlich fe&#x017F;tge&#x017F;tellte Porto-<lb/>
Tarif enthält keine Rechts&#x017F;ätze, &#x017F;ondern i&#x017F;t ein Preis-Verzeichniß;<lb/>
aber die Verwaltung darf nicht unter anderen Bedingungen Brief-<lb/>
beförderungs-Verträge ab&#x017F;chließen, als unter den ge&#x017F;etzlich fe&#x017F;tge-<lb/>
&#x017F;tellten. Eben&#x017F;o können die An&#x017F;tellungs-Verträge mit Beamten von<lb/>
der Regierung nicht anders abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden, als nach den im<lb/>
Beamtenge&#x017F;etz gegebenen Vor&#x017F;chriften, namentlich in Betreff der<lb/>
Gehalts- und Pen&#x017F;ionsan&#x017F;prüche. Aber nicht nur die vom Staate<lb/>
zu zahlenden oder zu erhebenden Geldbeträge, &#x017F;ondern auch der<lb/>
ge&#x017F;ammte übrige Inhalt der von der Verwaltung abzu&#x017F;chließenden<lb/>
Verträge kann für gewi&#x017F;&#x017F;e Arten der letzteren durch Ge&#x017F;etz allge-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0229] §. 68. Die Formen der Verwaltung. einer genau beſtimmten Schablone abſchließen müſſen. Dieſe Aus- nahmen beruhen theils auf dem finanziellen Intereſſe des Staates, ſind alſo durch den Antheil der Volksvertretung an der Ordnung der Staatswirthſchaft begründet, theils auf der Fürſorge für die Wohlfahrt des Volkes. Ein Beiſpiel für die Ausnahmen der erſten Klaſſe bieten die Anleihegeſetze. In denſelben kann nicht nur die Regierung zur Aufnahme einer Anleihe in gewiſſem Be- trage ermächtigt werden, ſondern es kann zugleich vorgeſchrieben werden, unter welchen Bedingungen das Geſchäft geſchloſſen, wie die Anleihe aufgebracht, verzinſt, getilgt werden ſoll. Ebenſo kann ein Geſetz, welches die Regierung ermächtigt, eine Eiſenbahn zu kaufen oder in eigenen Betrieb zu nehmen, die Bedingungen ge- nau feſtſtellen, welche in dem zu dieſem Zwecke abzuſchließenden Vertrage zu vereinbaren ſind. Für die zweite Klaſſe von Ausnahmen bietet ein beſonders anſchauliches Beiſpiel die Poſt. Es würde ganz unerträglich ſein, wenn bei der Aufgabe jedes einzelnen Briefes die Bedingungen ſpeziell verabredet werden müßten oder auch nur dürften, unter denen die Poſtanſtalt die Beförderung deſſelben übernimmt. Dieſe in unzähligen Fällen abzuſchließenden Verträge müſſen einen voll- kommen ſtereotypen Inhalt haben. Nun iſt es allerdings möglich, daß die Verwaltungsbehörden ſelbſt dieſen Inhalt allgemein feſt- ſtellen, insbeſondere auch den zu entrichtenden Gebührenbetrag fixiren. Dies iſt gegenwärtig der Fall bei dem Geſchäftsbetrieb der Telegraphen-Anſtalt, der Eiſenbahnen, mehreren Geſchäftszweigen der Poſt u. ſ. w. Es kann aber auch durch Geſetz der Inhalt dieſer Verträge fixirt werden, wie dies namentlich hinſichtlich der Beför- derung von Briefen geſchehen iſt. Der geſetzlich feſtgeſtellte Porto- Tarif enthält keine Rechtsſätze, ſondern iſt ein Preis-Verzeichniß; aber die Verwaltung darf nicht unter anderen Bedingungen Brief- beförderungs-Verträge abſchließen, als unter den geſetzlich feſtge- ſtellten. Ebenſo können die Anſtellungs-Verträge mit Beamten von der Regierung nicht anders abgeſchloſſen werden, als nach den im Beamtengeſetz gegebenen Vorſchriften, namentlich in Betreff der Gehalts- und Penſionsanſprüche. Aber nicht nur die vom Staate zu zahlenden oder zu erhebenden Geldbeträge, ſondern auch der geſammte übrige Inhalt der von der Verwaltung abzuſchließenden Verträge kann für gewiſſe Arten der letzteren durch Geſetz allge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/229
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/229>, abgerufen am 27.11.2024.