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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 67. Der Begriff der Verwaltung.
schriften durch Ernennung der Beamten, Herstellung von Dienst-
gebäuden u. s. w. zur Verwirklichung bringen. Insoweit aber
eine gesetzliche Anordnung nicht getroffen ist, erscheint die auf die
Organisirung der Aemter gerichtete Verwaltungsthätigkeit auch hier
nicht als Ausführung oder Vollziehung von Gesetzen, sondern
als Bethätigung der Handlungsfreiheit innerhalb der gesetzlichen
Schranken.

IV. In den vorhergehenden Erörterungen ist der Begriff der
Gesetzgebung durchweg im materiellen Sinne des Wortes d. h. als
Sanction von Rechtsregeln verwendet worden; ganz anders aber
gestaltet sich das Verhältniß von Verwaltung und Gesetzgebung,
wenn der letztere Ausdruck im formellen Sinne genommen wird.
Es ist oben bereits dargethan worden, daß jeder überhaupt mög-
liche Willensact des Staates in die Form des Gesetzes gekleidet
werden kann; in diesem Sinne besteht daher kein Gegensatz zwi-
schen Gesetzgebung und Verwaltung, sondern das Gesetz kann selbst
seinem Inhalte nach ein Verwaltungsakt sein. Insbesondere kann
das Gesetz gewisse Handlungen der Regierung vorschreiben; z. B.
die Herstellung einer Eisenbahn, eines Festungswerkes, eines Par-
lamentsgebäudes, die Aufnahme oder Tilgung einer Anleihe, die
Ansammlung eines Fonds, die Errichtung einer Anstalt u. s. w.

Ferner kann in der Form des Gesetzes den Behörden eine
mehr oder minder ausführliche Instruktion über die Art und Weise
ihrer Thätigkeit gegeben werden. Der Betrieb der Bankgeschäfte,
der Post- und Telegraphen-Anstalt, die Ausprägung von Münzen,
die Anlage und Verwaltung von Staatsgeldern, die Thätigkeit
der Behörden im Interesse der Gesundheitspflege, der Sicherheit
des Verkehrs, der Hebung von Handel, Industrie und Landwirth-
schaft, der Verbreitung von Kenntnissen und Bildung im Volke
u. s. w. kann durch allgemeine Anordnungen geregelt werden,
welche in der Form der Gesetzgebung ergehen. In den Gesetzen
finden sich unzählige Bestimmungen, welche ihrem Inhalte nach
ebenso gut in Reglements oder allgemeinen Verfügungen ihren
Platz haben könnten. Gesetze dieser Art sind im materiellen Sinne
Verwaltungsakte; sie enthalten keinen Rechtsbefehl, son-
dern einen Verwaltungsbefehl.

Diesen Gesetzen gegenüber ist die Verwaltung allerdings Voll-
ziehung, d. h. Ausführung des in gesetzlicher Form ergangenen

Laband, Reichsstaatsrecht. II. 14

§. 67. Der Begriff der Verwaltung.
ſchriften durch Ernennung der Beamten, Herſtellung von Dienſt-
gebäuden u. ſ. w. zur Verwirklichung bringen. Inſoweit aber
eine geſetzliche Anordnung nicht getroffen iſt, erſcheint die auf die
Organiſirung der Aemter gerichtete Verwaltungsthätigkeit auch hier
nicht als Ausführung oder Vollziehung von Geſetzen, ſondern
als Bethätigung der Handlungsfreiheit innerhalb der geſetzlichen
Schranken.

IV. In den vorhergehenden Erörterungen iſt der Begriff der
Geſetzgebung durchweg im materiellen Sinne des Wortes d. h. als
Sanction von Rechtsregeln verwendet worden; ganz anders aber
geſtaltet ſich das Verhältniß von Verwaltung und Geſetzgebung,
wenn der letztere Ausdruck im formellen Sinne genommen wird.
Es iſt oben bereits dargethan worden, daß jeder überhaupt mög-
liche Willensact des Staates in die Form des Geſetzes gekleidet
werden kann; in dieſem Sinne beſteht daher kein Gegenſatz zwi-
ſchen Geſetzgebung und Verwaltung, ſondern das Geſetz kann ſelbſt
ſeinem Inhalte nach ein Verwaltungsakt ſein. Insbeſondere kann
das Geſetz gewiſſe Handlungen der Regierung vorſchreiben; z. B.
die Herſtellung einer Eiſenbahn, eines Feſtungswerkes, eines Par-
lamentsgebäudes, die Aufnahme oder Tilgung einer Anleihe, die
Anſammlung eines Fonds, die Errichtung einer Anſtalt u. ſ. w.

Ferner kann in der Form des Geſetzes den Behörden eine
mehr oder minder ausführliche Inſtruktion über die Art und Weiſe
ihrer Thätigkeit gegeben werden. Der Betrieb der Bankgeſchäfte,
der Poſt- und Telegraphen-Anſtalt, die Ausprägung von Münzen,
die Anlage und Verwaltung von Staatsgeldern, die Thätigkeit
der Behörden im Intereſſe der Geſundheitspflege, der Sicherheit
des Verkehrs, der Hebung von Handel, Induſtrie und Landwirth-
ſchaft, der Verbreitung von Kenntniſſen und Bildung im Volke
u. ſ. w. kann durch allgemeine Anordnungen geregelt werden,
welche in der Form der Geſetzgebung ergehen. In den Geſetzen
finden ſich unzählige Beſtimmungen, welche ihrem Inhalte nach
ebenſo gut in Reglements oder allgemeinen Verfügungen ihren
Platz haben könnten. Geſetze dieſer Art ſind im materiellen Sinne
Verwaltungsakte; ſie enthalten keinen Rechtsbefehl, ſon-
dern einen Verwaltungsbefehl.

Dieſen Geſetzen gegenüber iſt die Verwaltung allerdings Voll-
ziehung, d. h. Ausführung des in geſetzlicher Form ergangenen

Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 14
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[209/0223] §. 67. Der Begriff der Verwaltung. ſchriften durch Ernennung der Beamten, Herſtellung von Dienſt- gebäuden u. ſ. w. zur Verwirklichung bringen. Inſoweit aber eine geſetzliche Anordnung nicht getroffen iſt, erſcheint die auf die Organiſirung der Aemter gerichtete Verwaltungsthätigkeit auch hier nicht als Ausführung oder Vollziehung von Geſetzen, ſondern als Bethätigung der Handlungsfreiheit innerhalb der geſetzlichen Schranken. IV. In den vorhergehenden Erörterungen iſt der Begriff der Geſetzgebung durchweg im materiellen Sinne des Wortes d. h. als Sanction von Rechtsregeln verwendet worden; ganz anders aber geſtaltet ſich das Verhältniß von Verwaltung und Geſetzgebung, wenn der letztere Ausdruck im formellen Sinne genommen wird. Es iſt oben bereits dargethan worden, daß jeder überhaupt mög- liche Willensact des Staates in die Form des Geſetzes gekleidet werden kann; in dieſem Sinne beſteht daher kein Gegenſatz zwi- ſchen Geſetzgebung und Verwaltung, ſondern das Geſetz kann ſelbſt ſeinem Inhalte nach ein Verwaltungsakt ſein. Insbeſondere kann das Geſetz gewiſſe Handlungen der Regierung vorſchreiben; z. B. die Herſtellung einer Eiſenbahn, eines Feſtungswerkes, eines Par- lamentsgebäudes, die Aufnahme oder Tilgung einer Anleihe, die Anſammlung eines Fonds, die Errichtung einer Anſtalt u. ſ. w. Ferner kann in der Form des Geſetzes den Behörden eine mehr oder minder ausführliche Inſtruktion über die Art und Weiſe ihrer Thätigkeit gegeben werden. Der Betrieb der Bankgeſchäfte, der Poſt- und Telegraphen-Anſtalt, die Ausprägung von Münzen, die Anlage und Verwaltung von Staatsgeldern, die Thätigkeit der Behörden im Intereſſe der Geſundheitspflege, der Sicherheit des Verkehrs, der Hebung von Handel, Induſtrie und Landwirth- ſchaft, der Verbreitung von Kenntniſſen und Bildung im Volke u. ſ. w. kann durch allgemeine Anordnungen geregelt werden, welche in der Form der Geſetzgebung ergehen. In den Geſetzen finden ſich unzählige Beſtimmungen, welche ihrem Inhalte nach ebenſo gut in Reglements oder allgemeinen Verfügungen ihren Platz haben könnten. Geſetze dieſer Art ſind im materiellen Sinne Verwaltungsakte; ſie enthalten keinen Rechtsbefehl, ſon- dern einen Verwaltungsbefehl. Dieſen Geſetzen gegenüber iſt die Verwaltung allerdings Voll- ziehung, d. h. Ausführung des in geſetzlicher Form ergangenen Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 14

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/223>, abgerufen am 23.11.2024.