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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 56. Der Begriff und die Erfordernisse des Gesetzes.
tion als Consentement royal und in der französischen Literatur
des constitutionellen Staatsrechts war die Auffassung durchweg
herrschend, daß die Sanction des Gesetzes durch den König ein der
Genehmigung des Gesetzes durch die Kammern gleichartiger
Akt, eine Erklärung von gleichem Willens-Inhalte sei.

Diese Anschauungen wurden auch in Deutschland geltend 1).
Fast alle Darstellungen des Deutschen Staatsrechts, auch wenn sie
die Lehre von der Theilung der Gewalten verwerfen und von dem
sogen. monarchischen Prinzip ausgehen, erfordern zum Zustande-
kommen eines Gesetzes den "übereinstimmenden Willen" des Landes-
herrn und des Landtages, ohne zu erkennen, daß die Genehmigung
eines Gesetzes durch den Landtag eine Willenserklärung von ganz
anderem Inhalte ist als die Genehmigung eines Gesetzes durch den
Landesherrn. Der Sprachgebrauch wurde immer allgemeiner, dem
Landesherrn ein "Veto" und zwar das sogenannte absolute Veto
beizulegen 2). Dadurch wurde das ihm zustehende Recht der Sanc-
tion unter den verkehrtesten Gesichtspunkt gebracht, indem das
Wesen der landesherrlichen Befugniß, wenn sie ein Veto wäre,
nicht darin bestände, ein Gesetz zu erlassen, sondern den Gesetzgeber
(Landtag) an der Ausübung seines Rechtes zu hindern 3). Daß
man aus dieser falschen Auffassung keine Consequenzen zog, beruhte
wesentlich darauf, daß die Behandlung des Staatsrechts eine vor-
wiegend politische war, welche sich um die juristische Logik nicht
kümmerte.


1) Vgl. v. Mohl, Staatsr., Völkerr., Politik II. S. 476. Am deutlich-
sten Grotefend, Staatsr. §. 621 S. 634: "Die Entschließungen sowohl des
Souverains und des Landtages als auch jeder der beiden Kammern dieses
letzteren stehen sich hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung völlig gleich". Auch
Bluntschli sagt noch in der 5ten Aufl. seines Allgemeinen Staatsr. (1876)
S. 132 ausdrücklich: "Was die Abstimmung durch die Kammern, ist die Sanc-
tion des Hauptes."
2) Vrgl. Murhard, Das königl. Veto in der constitut. Monarchie 1832.
Klüber, Oeffentl. R. §. 295 Note a). Zöpfl, Grunds. des Staatsr. II.
§. 373 Nr. IV. v. Rönne, Preuß. Staatsr. I. 1. §. 46 (S. 175). Weiß,
Staatsr. §. 309 spricht sogar von einem wechselseitigen Veto der Regie-
rung und der Stände; ebenso Westerkamp S. 95 fg. von einem wechsel-
seitigen Veto des Reichstages und des Bundesrathes hinsichtlich der Reichs-
gesetze.
3) Nicht das Veto, sondern das Placet steht dem Könige zu. Vgl. auch
Zachariä II. S. 163 und Bluntschli a. a. O. S. 433.

§. 56. Der Begriff und die Erforderniſſe des Geſetzes.
tion als Consentement royal und in der franzöſiſchen Literatur
des conſtitutionellen Staatsrechts war die Auffaſſung durchweg
herrſchend, daß die Sanction des Geſetzes durch den König ein der
Genehmigung des Geſetzes durch die Kammern gleichartiger
Akt, eine Erklärung von gleichem Willens-Inhalte ſei.

Dieſe Anſchauungen wurden auch in Deutſchland geltend 1).
Faſt alle Darſtellungen des Deutſchen Staatsrechts, auch wenn ſie
die Lehre von der Theilung der Gewalten verwerfen und von dem
ſogen. monarchiſchen Prinzip ausgehen, erfordern zum Zuſtande-
kommen eines Geſetzes den „übereinſtimmenden Willen“ des Landes-
herrn und des Landtages, ohne zu erkennen, daß die Genehmigung
eines Geſetzes durch den Landtag eine Willenserklärung von ganz
anderem Inhalte iſt als die Genehmigung eines Geſetzes durch den
Landesherrn. Der Sprachgebrauch wurde immer allgemeiner, dem
Landesherrn ein „Veto“ und zwar das ſogenannte abſolute Veto
beizulegen 2). Dadurch wurde das ihm zuſtehende Recht der Sanc-
tion unter den verkehrteſten Geſichtspunkt gebracht, indem das
Weſen der landesherrlichen Befugniß, wenn ſie ein Veto wäre,
nicht darin beſtände, ein Geſetz zu erlaſſen, ſondern den Geſetzgeber
(Landtag) an der Ausübung ſeines Rechtes zu hindern 3). Daß
man aus dieſer falſchen Auffaſſung keine Conſequenzen zog, beruhte
weſentlich darauf, daß die Behandlung des Staatsrechts eine vor-
wiegend politiſche war, welche ſich um die juriſtiſche Logik nicht
kümmerte.


1) Vgl. v. Mohl, Staatsr., Völkerr., Politik II. S. 476. Am deutlich-
ſten Grotefend, Staatsr. §. 621 S. 634: „Die Entſchließungen ſowohl des
Souverains und des Landtages als auch jeder der beiden Kammern dieſes
letzteren ſtehen ſich hinſichtlich der rechtlichen Bedeutung völlig gleich“. Auch
Bluntſchli ſagt noch in der 5ten Aufl. ſeines Allgemeinen Staatsr. (1876)
S. 132 ausdrücklich: „Was die Abſtimmung durch die Kammern, iſt die Sanc-
tion des Hauptes.“
2) Vrgl. Murhard, Das königl. Veto in der conſtitut. Monarchie 1832.
Klüber, Oeffentl. R. §. 295 Note a). Zöpfl, Grundſ. des Staatsr. II.
§. 373 Nr. IV. v. Rönne, Preuß. Staatsr. I. 1. §. 46 (S. 175). Weiß,
Staatsr. §. 309 ſpricht ſogar von einem wechſelſeitigen Veto der Regie-
rung und der Stände; ebenſo Weſterkamp S. 95 fg. von einem wechſel-
ſeitigen Veto des Reichstages und des Bundesrathes hinſichtlich der Reichs-
geſetze.
3) Nicht das Veto, ſondern das Placet ſteht dem Könige zu. Vgl. auch
Zachariä II. S. 163 und Bluntſchli a. a. O. S. 433.
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[8/0022] §. 56. Der Begriff und die Erforderniſſe des Geſetzes. tion als Consentement royal und in der franzöſiſchen Literatur des conſtitutionellen Staatsrechts war die Auffaſſung durchweg herrſchend, daß die Sanction des Geſetzes durch den König ein der Genehmigung des Geſetzes durch die Kammern gleichartiger Akt, eine Erklärung von gleichem Willens-Inhalte ſei. Dieſe Anſchauungen wurden auch in Deutſchland geltend 1). Faſt alle Darſtellungen des Deutſchen Staatsrechts, auch wenn ſie die Lehre von der Theilung der Gewalten verwerfen und von dem ſogen. monarchiſchen Prinzip ausgehen, erfordern zum Zuſtande- kommen eines Geſetzes den „übereinſtimmenden Willen“ des Landes- herrn und des Landtages, ohne zu erkennen, daß die Genehmigung eines Geſetzes durch den Landtag eine Willenserklärung von ganz anderem Inhalte iſt als die Genehmigung eines Geſetzes durch den Landesherrn. Der Sprachgebrauch wurde immer allgemeiner, dem Landesherrn ein „Veto“ und zwar das ſogenannte abſolute Veto beizulegen 2). Dadurch wurde das ihm zuſtehende Recht der Sanc- tion unter den verkehrteſten Geſichtspunkt gebracht, indem das Weſen der landesherrlichen Befugniß, wenn ſie ein Veto wäre, nicht darin beſtände, ein Geſetz zu erlaſſen, ſondern den Geſetzgeber (Landtag) an der Ausübung ſeines Rechtes zu hindern 3). Daß man aus dieſer falſchen Auffaſſung keine Conſequenzen zog, beruhte weſentlich darauf, daß die Behandlung des Staatsrechts eine vor- wiegend politiſche war, welche ſich um die juriſtiſche Logik nicht kümmerte. 1) Vgl. v. Mohl, Staatsr., Völkerr., Politik II. S. 476. Am deutlich- ſten Grotefend, Staatsr. §. 621 S. 634: „Die Entſchließungen ſowohl des Souverains und des Landtages als auch jeder der beiden Kammern dieſes letzteren ſtehen ſich hinſichtlich der rechtlichen Bedeutung völlig gleich“. Auch Bluntſchli ſagt noch in der 5ten Aufl. ſeines Allgemeinen Staatsr. (1876) S. 132 ausdrücklich: „Was die Abſtimmung durch die Kammern, iſt die Sanc- tion des Hauptes.“ 2) Vrgl. Murhard, Das königl. Veto in der conſtitut. Monarchie 1832. Klüber, Oeffentl. R. §. 295 Note a). Zöpfl, Grundſ. des Staatsr. II. §. 373 Nr. IV. v. Rönne, Preuß. Staatsr. I. 1. §. 46 (S. 175). Weiß, Staatsr. §. 309 ſpricht ſogar von einem wechſelſeitigen Veto der Regie- rung und der Stände; ebenſo Weſterkamp S. 95 fg. von einem wechſel- ſeitigen Veto des Reichstages und des Bundesrathes hinſichtlich der Reichs- geſetze. 3) Nicht das Veto, ſondern das Placet ſteht dem Könige zu. Vgl. auch Zachariä II. S. 163 und Bluntſchli a. a. O. S. 433.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/22>, abgerufen am 24.11.2024.