Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 67. Der Begriff der Verwaltung. formellen Rechtsgrund, kraft dessen die Behörde bei ihrer, auf dieRealisirung der Staatsaufgaben gerichteten Thätigkeit in der Lage ist, dem Einzelnen etwas befehlen oder verbieten, von ihm Lei- stungen oder Unterlassungen erzwingen zu können. Es kann darin allerdings zugleich eine Normirung der dem Staate obliegenden Pflichten liegen; denn da die Gesetzgebung der Regierung nur die- jenigen Eingriffe in die Rechtssphäre des Einzelnen gestattet, welche für die Ausführung der staatlichen Aufgaben nothwendig erscheinen, so liegt in der Einräumung einer Befugniß der Staatsgewalt zu- gleich die Anerkennung, daß sich die Thätigkeit der Staatsregie- rung in dieser Richtung erstrecken soll, daß also die Regierung von der ihr zugewiesenen Befugniß nicht nur Gebrauch machen darf, sondern auch Gebrauch machen soll. Allein, wenn das Gesetz bestimmt, daß jeder wehrfähige Rekruten einzuziehen oder Zölle zu erheben, während der Erbe oder Gläubiger
nach freiem Belieben die Geltendmachung seines Rechtes unterlassen darf, kann man nicht einwenden. Es beruht dieser Unterschied auf dem Gegensatz der öffentlichen Rechte, denen Pflichten entsprechen, gegen die Privatrechte, bei denen dies nicht der Fall ist. Weil der Staat die Aufgabe hat für die Lan- desvertheidigung zu sorgen, ergiebt sich die Pflicht der Behörden, für militä- risch ausgebildete Mannschaften zu sorgen und deshalb auch unter Anderem von dem, dem Staate eingeräumten Aushebungs-Recht Gebrauch zu machen. Die Pflicht des Staates wird dadurch aber keineswegs erfüllt; die Armee- Verwaltung hat noch unzählige andere Aufgaben, die in keinem Sinne als Ausführung der Militärgesetze bezeichnet werden können. Die Behörden dürfen zwar nur nach Maßgabe des Dienstpflicht-Gesetzes und der anderen Mili- tärgesetze Rekruten einziehen; aber sie thun dies nicht, damit diese Ge- setze ausgeführt werden, sondern damit die Aufgabe des Staates, wehrhaft zu sein, erfüllt werde. Aehnliches gilt von der polizeilichen Thätigkeit. §. 67. Der Begriff der Verwaltung. formellen Rechtsgrund, kraft deſſen die Behörde bei ihrer, auf dieRealiſirung der Staatsaufgaben gerichteten Thätigkeit in der Lage iſt, dem Einzelnen etwas befehlen oder verbieten, von ihm Lei- ſtungen oder Unterlaſſungen erzwingen zu können. Es kann darin allerdings zugleich eine Normirung der dem Staate obliegenden Pflichten liegen; denn da die Geſetzgebung der Regierung nur die- jenigen Eingriffe in die Rechtsſphäre des Einzelnen geſtattet, welche für die Ausführung der ſtaatlichen Aufgaben nothwendig erſcheinen, ſo liegt in der Einräumung einer Befugniß der Staatsgewalt zu- gleich die Anerkennung, daß ſich die Thätigkeit der Staatsregie- rung in dieſer Richtung erſtrecken ſoll, daß alſo die Regierung von der ihr zugewieſenen Befugniß nicht nur Gebrauch machen darf, ſondern auch Gebrauch machen ſoll. Allein, wenn das Geſetz beſtimmt, daß jeder wehrfähige Rekruten einzuziehen oder Zölle zu erheben, während der Erbe oder Gläubiger
nach freiem Belieben die Geltendmachung ſeines Rechtes unterlaſſen darf, kann man nicht einwenden. Es beruht dieſer Unterſchied auf dem Gegenſatz der öffentlichen Rechte, denen Pflichten entſprechen, gegen die Privatrechte, bei denen dies nicht der Fall iſt. Weil der Staat die Aufgabe hat für die Lan- desvertheidigung zu ſorgen, ergiebt ſich die Pflicht der Behörden, für militä- riſch ausgebildete Mannſchaften zu ſorgen und deshalb auch unter Anderem von dem, dem Staate eingeräumten Aushebungs-Recht Gebrauch zu machen. Die Pflicht des Staates wird dadurch aber keineswegs erfüllt; die Armee- Verwaltung hat noch unzählige andere Aufgaben, die in keinem Sinne als Ausführung der Militärgeſetze bezeichnet werden können. Die Behörden dürfen zwar nur nach Maßgabe des Dienſtpflicht-Geſetzes und der anderen Mili- tärgeſetze Rekruten einziehen; aber ſie thun dies nicht, damit dieſe Ge- ſetze ausgeführt werden, ſondern damit die Aufgabe des Staates, wehrhaft zu ſein, erfüllt werde. Aehnliches gilt von der polizeilichen Thätigkeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0218" n="204"/><fw place="top" type="header">§. 67. Der Begriff der Verwaltung.</fw><lb/> formellen Rechtsgrund, kraft deſſen die Behörde bei ihrer, auf die<lb/> Realiſirung der Staatsaufgaben gerichteten Thätigkeit in der Lage<lb/> iſt, dem Einzelnen etwas befehlen oder verbieten, von ihm Lei-<lb/> ſtungen oder Unterlaſſungen erzwingen zu können. Es kann darin<lb/> allerdings zugleich eine Normirung der dem Staate obliegenden<lb/> Pflichten liegen; denn da die Geſetzgebung der Regierung nur die-<lb/> jenigen Eingriffe in die Rechtsſphäre des Einzelnen geſtattet, welche<lb/> für die Ausführung der ſtaatlichen Aufgaben nothwendig erſcheinen,<lb/> ſo liegt in der Einräumung einer Befugniß der Staatsgewalt zu-<lb/> gleich die Anerkennung, daß ſich die Thätigkeit der Staatsregie-<lb/> rung in dieſer Richtung erſtrecken ſoll, daß alſo die Regierung von<lb/> der ihr zugewieſenen Befugniß nicht nur Gebrauch machen <hi rendition="#g">darf,</hi><lb/> ſondern auch Gebrauch machen <hi rendition="#g">ſoll</hi>.</p><lb/> <p>Allein, wenn das Geſetz beſtimmt, daß jeder wehrfähige<lb/> Deutſche dienſtpflichtig iſt, ſo hat die Verwaltung dadurch nicht die<lb/> Aufgabe, dieſes Geſetz <hi rendition="#g">auszuführen,</hi> d. h. wirklich jeden wehr-<lb/> fähigen Deutſchen ohne Ausnahme zur Fahne einzuberufen; ſon-<lb/> dern es wird ihr nur das Recht dazu verliehen und jeder wehr-<lb/> fähige Deutſche hat die Pflicht, <hi rendition="#g">wenn</hi> er zum Dienſt einberufen<lb/> wird, Folge zu leiſten. Ja es kann durch Geſetz die Regierung<lb/> mit Befugniſſen ausgeſtattet werden, die dieſelbe regelmäßig nicht<lb/> verwerthet, ſondern die ſie nur für den Nothfall in Reſerve hat,<lb/> von denen ſie vielleicht niemals thatſächlich Gebrauch macht, ſo daß<lb/><note xml:id="seg2pn_25_2" prev="#seg2pn_25_1" place="foot" n="1)">Rekruten einzuziehen oder Zölle zu erheben, während der Erbe oder Gläubiger<lb/> nach freiem Belieben die Geltendmachung ſeines Rechtes unterlaſſen darf, kann<lb/> man nicht einwenden. Es beruht dieſer Unterſchied auf dem Gegenſatz der<lb/> öffentlichen Rechte, denen Pflichten entſprechen, gegen die Privatrechte, bei<lb/> denen dies nicht der Fall iſt. Weil der Staat die Aufgabe hat für die Lan-<lb/> desvertheidigung zu ſorgen, ergiebt ſich die Pflicht der Behörden, für militä-<lb/> riſch ausgebildete Mannſchaften zu ſorgen und deshalb auch unter Anderem<lb/> von dem, dem Staate eingeräumten Aushebungs-Recht Gebrauch zu machen.<lb/> Die Pflicht des Staates wird dadurch aber keineswegs erfüllt; die Armee-<lb/> Verwaltung hat noch unzählige andere Aufgaben, die in keinem Sinne als<lb/> Ausführung der Militärgeſetze bezeichnet werden können. Die Behörden dürfen<lb/> zwar nur <hi rendition="#g">nach Maßgabe</hi> des Dienſtpflicht-Geſetzes und der anderen Mili-<lb/> tärgeſetze Rekruten einziehen; aber ſie thun dies nicht, <hi rendition="#g">damit dieſe Ge-<lb/> ſetze ausgeführt werden,</hi> ſondern damit die Aufgabe des Staates,<lb/> wehrhaft zu ſein, erfüllt werde. Aehnliches gilt von der polizeilichen Thätigkeit.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0218]
§. 67. Der Begriff der Verwaltung.
formellen Rechtsgrund, kraft deſſen die Behörde bei ihrer, auf die
Realiſirung der Staatsaufgaben gerichteten Thätigkeit in der Lage
iſt, dem Einzelnen etwas befehlen oder verbieten, von ihm Lei-
ſtungen oder Unterlaſſungen erzwingen zu können. Es kann darin
allerdings zugleich eine Normirung der dem Staate obliegenden
Pflichten liegen; denn da die Geſetzgebung der Regierung nur die-
jenigen Eingriffe in die Rechtsſphäre des Einzelnen geſtattet, welche
für die Ausführung der ſtaatlichen Aufgaben nothwendig erſcheinen,
ſo liegt in der Einräumung einer Befugniß der Staatsgewalt zu-
gleich die Anerkennung, daß ſich die Thätigkeit der Staatsregie-
rung in dieſer Richtung erſtrecken ſoll, daß alſo die Regierung von
der ihr zugewieſenen Befugniß nicht nur Gebrauch machen darf,
ſondern auch Gebrauch machen ſoll.
Allein, wenn das Geſetz beſtimmt, daß jeder wehrfähige
Deutſche dienſtpflichtig iſt, ſo hat die Verwaltung dadurch nicht die
Aufgabe, dieſes Geſetz auszuführen, d. h. wirklich jeden wehr-
fähigen Deutſchen ohne Ausnahme zur Fahne einzuberufen; ſon-
dern es wird ihr nur das Recht dazu verliehen und jeder wehr-
fähige Deutſche hat die Pflicht, wenn er zum Dienſt einberufen
wird, Folge zu leiſten. Ja es kann durch Geſetz die Regierung
mit Befugniſſen ausgeſtattet werden, die dieſelbe regelmäßig nicht
verwerthet, ſondern die ſie nur für den Nothfall in Reſerve hat,
von denen ſie vielleicht niemals thatſächlich Gebrauch macht, ſo daß
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1) Rekruten einzuziehen oder Zölle zu erheben, während der Erbe oder Gläubiger
nach freiem Belieben die Geltendmachung ſeines Rechtes unterlaſſen darf, kann
man nicht einwenden. Es beruht dieſer Unterſchied auf dem Gegenſatz der
öffentlichen Rechte, denen Pflichten entſprechen, gegen die Privatrechte, bei
denen dies nicht der Fall iſt. Weil der Staat die Aufgabe hat für die Lan-
desvertheidigung zu ſorgen, ergiebt ſich die Pflicht der Behörden, für militä-
riſch ausgebildete Mannſchaften zu ſorgen und deshalb auch unter Anderem
von dem, dem Staate eingeräumten Aushebungs-Recht Gebrauch zu machen.
Die Pflicht des Staates wird dadurch aber keineswegs erfüllt; die Armee-
Verwaltung hat noch unzählige andere Aufgaben, die in keinem Sinne als
Ausführung der Militärgeſetze bezeichnet werden können. Die Behörden dürfen
zwar nur nach Maßgabe des Dienſtpflicht-Geſetzes und der anderen Mili-
tärgeſetze Rekruten einziehen; aber ſie thun dies nicht, damit dieſe Ge-
ſetze ausgeführt werden, ſondern damit die Aufgabe des Staates,
wehrhaft zu ſein, erfüllt werde. Aehnliches gilt von der polizeilichen Thätigkeit.
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