fondern er findet an demselben für seine Thätigkeit, die er sich frei gestaltet, rechtliche Normen und Schranken; ebenso hat der Staat durch das von ihm selbst gesetzte Recht nicht den Inhalt seiner Thätigkeit bestimmt, sondern derselben rechtliche Schranken auferlegt.
Staats-Verwaltung kann man daher definiren als die freie Thätigkeit der Staatsregierung behufs Durchführung der staat- lichen Aufgaben innerhalb der von der Rechtsordnung des Staates gesteckten Gränzen.
II. Dieses reine und einfache Verhältniß der Verwaltung zur Gesetzgebung genügt und ist thatsächlich aufrecht erhalten, wo der Staat für die Erfüllung seiner Thätigkeit sich der allgemeinen, für alle Rechtssubjecte geltenden Rechtsordnung unterwirft und sich mit derselben zufrieden giebt. Für die Verwaltung von Domänen und Forsten, von fiskalischen Bergwerken und Fabriken, für den Betrieb von Banquiergeschäften durch den Staat (Seehandlung) u. s. w. gelten in der That im Allgemeinen die Grundsätze des allgemeinen Rechts, innerhalb deren die Staatsregierung ganz die- selbe Handlungsfreiheit hat wieder Einzelne. Wenn der Staat für die Beförderung der Briefe und Packete mittelst der Post diejeni- gen Rechtssätze gelten läßt, welche für alle Frachtführer im All- gemeinen bestehen, so bedarf es keines Postgesetzes; ein solches wird nur dann nothwendig, wenn der Staat sich das Monopol der Briefbeförderung beilegt und wenn er hinsichtlich seiner An- sprüche und Pflichten besondere Rechtsregeln aufzustellen für an- gemessen erachtet. Auch wenn der Staat seine militärischen Streit- kräfte, wie dies unter der Herrschaft des Werbesystems der Fall war, durch gewöhnlichen Dienstvertrag sich verschafft, so wie der Fabrikherr seine Arbeiter oder der Rheder seine Schiffsleute mie- thet, bedarf die Verwaltung keines Militärgesetzes. Erst wenn die Dienstpflicht der Unterthanen anerkannt und geregelt und das Mi- litärverhältniß anderen, besonderen Rechtsgrundsätzen unterstellt werden soll, als sie das sonst geltende allgemeine Recht enthält, wird ein Militärgesetz für die Verwaltung unentbehrlich.
Ebensowenig bedarf es eines Schulgesetzes, wenn die Erthei- lung von Unterricht Jedem freisteht und der Staat von dieser Freiheit unter den für Alle geltenden Regeln durch Errichtung von Schulen Gebrauch macht.
§. 67. Der Begriff der Verwaltung.
fondern er findet an demſelben für ſeine Thätigkeit, die er ſich frei geſtaltet, rechtliche Normen und Schranken; ebenſo hat der Staat durch das von ihm ſelbſt geſetzte Recht nicht den Inhalt ſeiner Thätigkeit beſtimmt, ſondern derſelben rechtliche Schranken auferlegt.
Staats-Verwaltung kann man daher definiren als die freie Thätigkeit der Staatsregierung behufs Durchführung der ſtaat- lichen Aufgaben innerhalb der von der Rechtsordnung des Staates geſteckten Gränzen.
II. Dieſes reine und einfache Verhältniß der Verwaltung zur Geſetzgebung genügt und iſt thatſächlich aufrecht erhalten, wo der Staat für die Erfüllung ſeiner Thätigkeit ſich der allgemeinen, für alle Rechtsſubjecte geltenden Rechtsordnung unterwirft und ſich mit derſelben zufrieden giebt. Für die Verwaltung von Domänen und Forſten, von fiskaliſchen Bergwerken und Fabriken, für den Betrieb von Banquiergeſchäften durch den Staat (Seehandlung) u. ſ. w. gelten in der That im Allgemeinen die Grundſätze des allgemeinen Rechts, innerhalb deren die Staatsregierung ganz die- ſelbe Handlungsfreiheit hat wieder Einzelne. Wenn der Staat für die Beförderung der Briefe und Packete mittelſt der Poſt diejeni- gen Rechtsſätze gelten läßt, welche für alle Frachtführer im All- gemeinen beſtehen, ſo bedarf es keines Poſtgeſetzes; ein ſolches wird nur dann nothwendig, wenn der Staat ſich das Monopol der Briefbeförderung beilegt und wenn er hinſichtlich ſeiner An- ſprüche und Pflichten beſondere Rechtsregeln aufzuſtellen für an- gemeſſen erachtet. Auch wenn der Staat ſeine militäriſchen Streit- kräfte, wie dies unter der Herrſchaft des Werbeſyſtems der Fall war, durch gewöhnlichen Dienſtvertrag ſich verſchafft, ſo wie der Fabrikherr ſeine Arbeiter oder der Rheder ſeine Schiffsleute mie- thet, bedarf die Verwaltung keines Militärgeſetzes. Erſt wenn die Dienſtpflicht der Unterthanen anerkannt und geregelt und das Mi- litärverhältniß anderen, beſonderen Rechtsgrundſätzen unterſtellt werden ſoll, als ſie das ſonſt geltende allgemeine Recht enthält, wird ein Militärgeſetz für die Verwaltung unentbehrlich.
Ebenſowenig bedarf es eines Schulgeſetzes, wenn die Erthei- lung von Unterricht Jedem freiſteht und der Staat von dieſer Freiheit unter den für Alle geltenden Regeln durch Errichtung von Schulen Gebrauch macht.
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[201/0215]
§. 67. Der Begriff der Verwaltung.
fondern er findet an demſelben für ſeine Thätigkeit, die er ſich
frei geſtaltet, rechtliche Normen und Schranken; ebenſo hat der
Staat durch das von ihm ſelbſt geſetzte Recht nicht den Inhalt
ſeiner Thätigkeit beſtimmt, ſondern derſelben rechtliche Schranken
auferlegt.
Staats-Verwaltung kann man daher definiren als die freie
Thätigkeit der Staatsregierung behufs Durchführung der ſtaat-
lichen Aufgaben innerhalb der von der Rechtsordnung des Staates
geſteckten Gränzen.
II. Dieſes reine und einfache Verhältniß der Verwaltung zur
Geſetzgebung genügt und iſt thatſächlich aufrecht erhalten, wo der
Staat für die Erfüllung ſeiner Thätigkeit ſich der allgemeinen,
für alle Rechtsſubjecte geltenden Rechtsordnung unterwirft und ſich
mit derſelben zufrieden giebt. Für die Verwaltung von Domänen
und Forſten, von fiskaliſchen Bergwerken und Fabriken, für den
Betrieb von Banquiergeſchäften durch den Staat (Seehandlung)
u. ſ. w. gelten in der That im Allgemeinen die Grundſätze des
allgemeinen Rechts, innerhalb deren die Staatsregierung ganz die-
ſelbe Handlungsfreiheit hat wieder Einzelne. Wenn der Staat für
die Beförderung der Briefe und Packete mittelſt der Poſt diejeni-
gen Rechtsſätze gelten läßt, welche für alle Frachtführer im All-
gemeinen beſtehen, ſo bedarf es keines Poſtgeſetzes; ein ſolches
wird nur dann nothwendig, wenn der Staat ſich das Monopol
der Briefbeförderung beilegt und wenn er hinſichtlich ſeiner An-
ſprüche und Pflichten beſondere Rechtsregeln aufzuſtellen für an-
gemeſſen erachtet. Auch wenn der Staat ſeine militäriſchen Streit-
kräfte, wie dies unter der Herrſchaft des Werbeſyſtems der Fall
war, durch gewöhnlichen Dienſtvertrag ſich verſchafft, ſo wie der
Fabrikherr ſeine Arbeiter oder der Rheder ſeine Schiffsleute mie-
thet, bedarf die Verwaltung keines Militärgeſetzes. Erſt wenn die
Dienſtpflicht der Unterthanen anerkannt und geregelt und das Mi-
litärverhältniß anderen, beſonderen Rechtsgrundſätzen unterſtellt
werden ſoll, als ſie das ſonſt geltende allgemeine Recht enthält,
wird ein Militärgeſetz für die Verwaltung unentbehrlich.
Ebenſowenig bedarf es eines Schulgeſetzes, wenn die Erthei-
lung von Unterricht Jedem freiſteht und der Staat von dieſer
Freiheit unter den für Alle geltenden Regeln durch Errichtung von
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/215>, abgerufen am 27.11.2024.
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