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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 65. Die staatsrechtliche Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge.
sätze. Die Behörden und Unterthanen werden nicht durch Rechts-
geschäfte, sondern nur durch Befehle ihrer Staatsgewalt zum Ge-
horsam verpflichtet; sie werden demgemäß auch zur Befolgung der
in einem Staatsvertrage vereinbarten Regeln nicht durch den
Staatsvertrag selbst, sondern nur durch den staatlichen Befehl,
diese Regeln zu befolgen, verpflichtet. Von diesem Gesichtspunkte
aus ergiebt sich als logische Consequenz der Satz: die staatsrecht-
liche Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge beruht nicht auf deren
Abschluß, sondern auf dem Befehl des Staates, den Inhalt des
Vertrages als bindende Vorschrift anzusehen.

Nach dem Inhalte dieses Befehls bestimmen sich die staats-
rechtlichen Erfordernisse desselben. Wenn das Reich in dem Ver-
trage sich zur Vornahme einzelner Handlungen verpflichtet hat, zu
welchen die Behörden nach Maßgabe der bestehenden Gesetze be-
fugt sind, so genügt eine einfache Verfügung an die ressortmäßigen
Behörden, durch welche ihnen die Vornahme dieser Handlungen
aufgetragen wird. Enthält der Vertrag Vereinbarungen über all-
gemeine Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen, welche zur
Ausführung von Reichsgesetzen dienen 1), so ist nach Art. 7 Ziff. 2
der Bundesrath zum Erlaß von Anordnungen befugt, falls nicht
durch Reichsgesetz der Erlaß solcher Anordnungen dem Kaiser oder
einer Reichsbehörde übertragen ist. Dagegen ist die Uebereinstim-
mung von Bundesrath und Reichstag erforderlich, wenn zur Aus-
führung des Vertrages ein Gesetzesbefehl nothwendig ist. Dies
ist aber nicht nur dann der Fall, wenn der Vertrag Rechtsvor-
schriften
enthält, welche das bestehende Recht aufheben, abändern,
ergänzen, sondern auch dann, wenn er irgend einen Gegenstand
betrifft, welcher im Deutschen Reich in der Form der Gesetz-
gebung
erledigt werden muß oder erledigt zu werden pflegt,
insbesondere auch wenn er Verwaltungsregeln betrifft, die
im Deutschen Reich durch Gesetze sanctionirt worden sind 2).

1) Z. B. über Zollabfertigungen, über Gewerbebetrieb, Schiffsvermessungs-
papiere u. dgl.
2) Vgl. darüber unten §. 67 IV. Wenn die Ausführung des Vertrages
mit Geldausgaben verknüpft ist, so ist es erforderlich, daß diese Ausgaben in
das Reichsbudget-Gesetz aufgenommen, also vom Bundesrath und Reichstag
bewilligt werden. Vgl. die S. 185 Note 1 angeführten Beispiele.

§. 65. Die ſtaatsrechtliche Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge.
ſätze. Die Behörden und Unterthanen werden nicht durch Rechts-
geſchäfte, ſondern nur durch Befehle ihrer Staatsgewalt zum Ge-
horſam verpflichtet; ſie werden demgemäß auch zur Befolgung der
in einem Staatsvertrage vereinbarten Regeln nicht durch den
Staatsvertrag ſelbſt, ſondern nur durch den ſtaatlichen Befehl,
dieſe Regeln zu befolgen, verpflichtet. Von dieſem Geſichtspunkte
aus ergiebt ſich als logiſche Conſequenz der Satz: die ſtaatsrecht-
liche Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge beruht nicht auf deren
Abſchluß, ſondern auf dem Befehl des Staates, den Inhalt des
Vertrages als bindende Vorſchrift anzuſehen.

Nach dem Inhalte dieſes Befehls beſtimmen ſich die ſtaats-
rechtlichen Erforderniſſe deſſelben. Wenn das Reich in dem Ver-
trage ſich zur Vornahme einzelner Handlungen verpflichtet hat, zu
welchen die Behörden nach Maßgabe der beſtehenden Geſetze be-
fugt ſind, ſo genügt eine einfache Verfügung an die reſſortmäßigen
Behörden, durch welche ihnen die Vornahme dieſer Handlungen
aufgetragen wird. Enthält der Vertrag Vereinbarungen über all-
gemeine Verwaltungsvorſchriften und Einrichtungen, welche zur
Ausführung von Reichsgeſetzen dienen 1), ſo iſt nach Art. 7 Ziff. 2
der Bundesrath zum Erlaß von Anordnungen befugt, falls nicht
durch Reichsgeſetz der Erlaß ſolcher Anordnungen dem Kaiſer oder
einer Reichsbehörde übertragen iſt. Dagegen iſt die Uebereinſtim-
mung von Bundesrath und Reichstag erforderlich, wenn zur Aus-
führung des Vertrages ein Geſetzesbefehl nothwendig iſt. Dies
iſt aber nicht nur dann der Fall, wenn der Vertrag Rechtsvor-
ſchriften
enthält, welche das beſtehende Recht aufheben, abändern,
ergänzen, ſondern auch dann, wenn er irgend einen Gegenſtand
betrifft, welcher im Deutſchen Reich in der Form der Geſetz-
gebung
erledigt werden muß oder erledigt zu werden pflegt,
insbeſondere auch wenn er Verwaltungsregeln betrifft, die
im Deutſchen Reich durch Geſetze ſanctionirt worden ſind 2).

1) Z. B. über Zollabfertigungen, über Gewerbebetrieb, Schiffsvermeſſungs-
papiere u. dgl.
2) Vgl. darüber unten §. 67 IV. Wenn die Ausführung des Vertrages
mit Geldausgaben verknüpft iſt, ſo iſt es erforderlich, daß dieſe Ausgaben in
das Reichsbudget-Geſetz aufgenommen, alſo vom Bundesrath und Reichstag
bewilligt werden. Vgl. die S. 185 Note 1 angeführten Beiſpiele.
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[186/0200] §. 65. Die ſtaatsrechtliche Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge. ſätze. Die Behörden und Unterthanen werden nicht durch Rechts- geſchäfte, ſondern nur durch Befehle ihrer Staatsgewalt zum Ge- horſam verpflichtet; ſie werden demgemäß auch zur Befolgung der in einem Staatsvertrage vereinbarten Regeln nicht durch den Staatsvertrag ſelbſt, ſondern nur durch den ſtaatlichen Befehl, dieſe Regeln zu befolgen, verpflichtet. Von dieſem Geſichtspunkte aus ergiebt ſich als logiſche Conſequenz der Satz: die ſtaatsrecht- liche Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge beruht nicht auf deren Abſchluß, ſondern auf dem Befehl des Staates, den Inhalt des Vertrages als bindende Vorſchrift anzuſehen. Nach dem Inhalte dieſes Befehls beſtimmen ſich die ſtaats- rechtlichen Erforderniſſe deſſelben. Wenn das Reich in dem Ver- trage ſich zur Vornahme einzelner Handlungen verpflichtet hat, zu welchen die Behörden nach Maßgabe der beſtehenden Geſetze be- fugt ſind, ſo genügt eine einfache Verfügung an die reſſortmäßigen Behörden, durch welche ihnen die Vornahme dieſer Handlungen aufgetragen wird. Enthält der Vertrag Vereinbarungen über all- gemeine Verwaltungsvorſchriften und Einrichtungen, welche zur Ausführung von Reichsgeſetzen dienen 1), ſo iſt nach Art. 7 Ziff. 2 der Bundesrath zum Erlaß von Anordnungen befugt, falls nicht durch Reichsgeſetz der Erlaß ſolcher Anordnungen dem Kaiſer oder einer Reichsbehörde übertragen iſt. Dagegen iſt die Uebereinſtim- mung von Bundesrath und Reichstag erforderlich, wenn zur Aus- führung des Vertrages ein Geſetzesbefehl nothwendig iſt. Dies iſt aber nicht nur dann der Fall, wenn der Vertrag Rechtsvor- ſchriften enthält, welche das beſtehende Recht aufheben, abändern, ergänzen, ſondern auch dann, wenn er irgend einen Gegenſtand betrifft, welcher im Deutſchen Reich in der Form der Geſetz- gebung erledigt werden muß oder erledigt zu werden pflegt, insbeſondere auch wenn er Verwaltungsregeln betrifft, die im Deutſchen Reich durch Geſetze ſanctionirt worden ſind 2). 1) Z. B. über Zollabfertigungen, über Gewerbebetrieb, Schiffsvermeſſungs- papiere u. dgl. 2) Vgl. darüber unten §. 67 IV. Wenn die Ausführung des Vertrages mit Geldausgaben verknüpft iſt, ſo iſt es erforderlich, daß dieſe Ausgaben in das Reichsbudget-Geſetz aufgenommen, alſo vom Bundesrath und Reichstag bewilligt werden. Vgl. die S. 185 Note 1 angeführten Beiſpiele.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/200>, abgerufen am 23.11.2024.