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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 64. Der Abschluß von Staatsverträgen.
II. Die Leitung der Verhandlungen.

Zu den dem Kaiser zustehenden Regierungsgeschäften gehört
die Leitung der Verhandlungen mit auswärtigen Staaten über
den Abschluß von Staatsverträgen, die Ernennung und Beglaubi-
gung der Beamten, denen die Führung der Verhandlungen über-
tragen ist, sowie die Ertheilung der Instruktionen für dieselben.
Eine Theilnahme einzelner Staaten an den Verhandlungen ist je-
doch in folgenden Fällen reichsgesetzlich zugesichert:

1. Bei Handels- und Schifffahrtsverträgen mit
Oesterreich und der Schweiz
ist der Kaiser verpflichtet, die
angränzenden Bundesstaaten zur Theilnahme an den dem Abschluß
vorangehenden Verhandlungen einzuladen, ohne daß diesen Staaten
aber ein Veto gegen den Abschluß des Vertrages zusteht, falls
eine Uebereinstimmung nicht zu erzielen ist 1).

2. Bei dem Abschlusse (d. h. den dem Abschluß vorhergehen-
den Verhandlungen) von Post- und Telegraphen-Ver-
trägen
mit außerdeutschen Staaten sollen Vertreter der an die
betreffenden Staaten angränzenden Bundesstaaten zur Wahrung
der besonderen Landesinteressen zugezogen werden 2).

Thatsächlich besteht die Uebung, die Genehmigung des
Bundesrathes schon zur Eröffnung der Verhandlungen
über alle diejenigen Gegenstände einzuholen, deren Regelung zur
Kompetenz des Bundesrathes nach Art. 7 der R.-V. gehört.

III. Die Perfection des Staatsvertrages.

Die Reichsverfassung enthält keine Vorschriften, in welcher
Form der Kaiser völkerrechtliche Verträge Namens des Reiches
abschließen solle; es gelten darüber vielmehr die allgemeinen, auf
der völkerrechtlichen Uebung beruhenden Sätze des Völkerrechts.
Die theoretische Möglichkeit, daß Staatsverträge mündlich oder
stillschweigend geschlossen werden, kann außer Betracht bleiben, da
praktisch der schriftliche Abschluß allein von Bedeutung ist. Die
Vertragsurkunde hat nicht nur den Zweck, ein authentisches Be-

1) Schlußprotok. zum Art. 8 §. 6 des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli
1867. B.-G.-Bl. 1867 S. 108. -- R.-V. Art. 40.
2) Schlußprotokoll zu dem Vertrage mit Bayern v. 23. Nov. 1870 (R.-
G.-Bl. 1871 S. 23) Art. XI.
§. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen.
II. Die Leitung der Verhandlungen.

Zu den dem Kaiſer zuſtehenden Regierungsgeſchäften gehört
die Leitung der Verhandlungen mit auswärtigen Staaten über
den Abſchluß von Staatsverträgen, die Ernennung und Beglaubi-
gung der Beamten, denen die Führung der Verhandlungen über-
tragen iſt, ſowie die Ertheilung der Inſtruktionen für dieſelben.
Eine Theilnahme einzelner Staaten an den Verhandlungen iſt je-
doch in folgenden Fällen reichsgeſetzlich zugeſichert:

1. Bei Handels- und Schifffahrtsverträgen mit
Oeſterreich und der Schweiz
iſt der Kaiſer verpflichtet, die
angränzenden Bundesſtaaten zur Theilnahme an den dem Abſchluß
vorangehenden Verhandlungen einzuladen, ohne daß dieſen Staaten
aber ein Veto gegen den Abſchluß des Vertrages zuſteht, falls
eine Uebereinſtimmung nicht zu erzielen iſt 1).

2. Bei dem Abſchluſſe (d. h. den dem Abſchluß vorhergehen-
den Verhandlungen) von Poſt- und Telegraphen-Ver-
trägen
mit außerdeutſchen Staaten ſollen Vertreter der an die
betreffenden Staaten angränzenden Bundesſtaaten zur Wahrung
der beſonderen Landesintereſſen zugezogen werden 2).

Thatſächlich beſteht die Uebung, die Genehmigung des
Bundesrathes ſchon zur Eröffnung der Verhandlungen
über alle diejenigen Gegenſtände einzuholen, deren Regelung zur
Kompetenz des Bundesrathes nach Art. 7 der R.-V. gehört.

III. Die Perfection des Staatsvertrages.

Die Reichsverfaſſung enthält keine Vorſchriften, in welcher
Form der Kaiſer völkerrechtliche Verträge Namens des Reiches
abſchließen ſolle; es gelten darüber vielmehr die allgemeinen, auf
der völkerrechtlichen Uebung beruhenden Sätze des Völkerrechts.
Die theoretiſche Möglichkeit, daß Staatsverträge mündlich oder
ſtillſchweigend geſchloſſen werden, kann außer Betracht bleiben, da
praktiſch der ſchriftliche Abſchluß allein von Bedeutung iſt. Die
Vertragsurkunde hat nicht nur den Zweck, ein authentiſches Be-

1) Schlußprotok. zum Art. 8 §. 6 des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli
1867. B.-G.-Bl. 1867 S. 108. — R.-V. Art. 40.
2) Schlußprotokoll zu dem Vertrage mit Bayern v. 23. Nov. 1870 (R.-
G.-Bl. 1871 S. 23) Art. XI.
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[180/0194] §. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen. II. Die Leitung der Verhandlungen. Zu den dem Kaiſer zuſtehenden Regierungsgeſchäften gehört die Leitung der Verhandlungen mit auswärtigen Staaten über den Abſchluß von Staatsverträgen, die Ernennung und Beglaubi- gung der Beamten, denen die Führung der Verhandlungen über- tragen iſt, ſowie die Ertheilung der Inſtruktionen für dieſelben. Eine Theilnahme einzelner Staaten an den Verhandlungen iſt je- doch in folgenden Fällen reichsgeſetzlich zugeſichert: 1. Bei Handels- und Schifffahrtsverträgen mit Oeſterreich und der Schweiz iſt der Kaiſer verpflichtet, die angränzenden Bundesſtaaten zur Theilnahme an den dem Abſchluß vorangehenden Verhandlungen einzuladen, ohne daß dieſen Staaten aber ein Veto gegen den Abſchluß des Vertrages zuſteht, falls eine Uebereinſtimmung nicht zu erzielen iſt 1). 2. Bei dem Abſchluſſe (d. h. den dem Abſchluß vorhergehen- den Verhandlungen) von Poſt- und Telegraphen-Ver- trägen mit außerdeutſchen Staaten ſollen Vertreter der an die betreffenden Staaten angränzenden Bundesſtaaten zur Wahrung der beſonderen Landesintereſſen zugezogen werden 2). Thatſächlich beſteht die Uebung, die Genehmigung des Bundesrathes ſchon zur Eröffnung der Verhandlungen über alle diejenigen Gegenſtände einzuholen, deren Regelung zur Kompetenz des Bundesrathes nach Art. 7 der R.-V. gehört. III. Die Perfection des Staatsvertrages. Die Reichsverfaſſung enthält keine Vorſchriften, in welcher Form der Kaiſer völkerrechtliche Verträge Namens des Reiches abſchließen ſolle; es gelten darüber vielmehr die allgemeinen, auf der völkerrechtlichen Uebung beruhenden Sätze des Völkerrechts. Die theoretiſche Möglichkeit, daß Staatsverträge mündlich oder ſtillſchweigend geſchloſſen werden, kann außer Betracht bleiben, da praktiſch der ſchriftliche Abſchluß allein von Bedeutung iſt. Die Vertragsurkunde hat nicht nur den Zweck, ein authentiſches Be- 1) Schlußprotok. zum Art. 8 §. 6 des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867. B.-G.-Bl. 1867 S. 108. — R.-V. Art. 40. 2) Schlußprotokoll zu dem Vertrage mit Bayern v. 23. Nov. 1870 (R.- G.-Bl. 1871 S. 23) Art. XI.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/194>, abgerufen am 24.11.2024.