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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen.
Reichsgesetze; es findet daher auf sie der Art. 2 der R.-V. An-
wendung. Durch Einf. der R.-V. sind die Bestimmungen des
Gesetz vom 3. Juli 1871, insoweit sie mit den Anordnungen
der Reichs-Verfassung im Widerspruch stehen, aufgehoben 1).
Durch das Gesetz vom 2. Mai 1877 aber sind diese Bestimmun-
gen nicht wieder in Kraft gesetzt worden, da dieses Gesetz über die
Verkündigung der Landesgesetze für Elsaß-Lothringen gänzlich
schweigt. Man könnte sich allenfalls darauf berufen, daß auch das
Gesetzblatt für Elsaß-Lothr. begrifflich "ein Reichsgesetzblatt" sei
und daher die Verkündigung mittelst desselben den Anforderungen
des Art. 2 der R.-V. genüge; offenbar setzt aber dieser Art. 2
sowie die zur Ausführung desselben ergangene V. v. 26. Juli
1867 ein einheitliches, alle Reichsgesetze in sich vereinigendes Ge-
setzblatt voraus.

Eine bisher unangefochtene Praxis hat aber die Verkündi-
gung der Landesgesetze für Elsaß-Lothringen in dem Gesetzblatt
für Elsaß-Lothringen für rechtswirksam erachtet und es sprechen
dafür in der That Gründe der Zweckmäßigkeit 2). Empfehlens-

1) Die Motive zum Ges. v. 25. Juni 1873 S. 8 (Drucksachen 1873 Bd.
III. Nro. 177) berühren diese Frage, entscheiden sie aber ohne zutreffende
Gründe im entgegengesetzten Sinn. Art. 2 der R.-V. muß auf die für E.-L.
erlassenen Gesetze uneingeschränkte Anwendung finden, weil das Gesetz
vom 25. Juni 1873 die R.-V. in Elsaß-Lothr. "mit der Maßgabe" ein-
führte, daß dem in Art. 1 der Verf. bezeichneten Bundesgebiete das Gebiet
des Reichslandes hinzutritt, und weil das Ges. v. 9. Juni 1871 §. 3 Abs. 4
die Gesetzgebungskompetenz des Reiches auch auf die der Reichsgesetzgebung in
den Bundesstaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten erstreckt hat.
2) Hinsichtlich der im Wege der Reichsgesetzgebung erlassenen Landes-
gesetze für E.-L. hat das bisherige Verfahren die Folge, daß manche Gesetze
doppelt, nämlich im Reichs-Gesetzbl. und im Gesetzbl. f. E.-L. verkündigt
werden. So z. B. das Ges. v. 15. Nov. 1874 (Münzges.) im R.-G.-Bl. S.
131, ausgegeben am 19. November und im Gesetzbl. f. E.-L. S. 39, ausge-
geben am 25. Nov.; das Ges. v. 19. Dez. 1874 (Maß- u. Gew.) im R.-G.-Bl.
1875 S. 1 (ausgegeb. am 11. Januar) und im Gesetzbl. f. E.-L. S. 1 (aus-
gegeben am 5. Januar); das Ges. v. 8. Februar 1875 im R.-G.-Bl. S. 69
(22. Febr.) und im Gesetzbl. f. E.-L. S. 9 (19. Febr.); das Ges. v. 11. Febr.
1875 im R.-G.-Bl. S. 61 (18. Febr.), im Gesetzbl. f. E-L. S. 49 (vom 23.
Febr.). Diese doppelte Verkündigung eines und desselben Gesetzes widerspricht
nicht nur dem juristischen Begriffe der Gesetzes-Verkündigung, sondern führt
auch zu dem sonderbaren Resultat, daß der Tag, an welchem das Gesetz in
Wirksamkeit tritt, sich verschieden bestimmt, je nachdem die vierzehntäge Frist
Laband, Reichsstaatsrecht. II. 10

§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
Reichsgeſetze; es findet daher auf ſie der Art. 2 der R.-V. An-
wendung. Durch Einf. der R.-V. ſind die Beſtimmungen des
Geſetz vom 3. Juli 1871, inſoweit ſie mit den Anordnungen
der Reichs-Verfaſſung im Widerſpruch ſtehen, aufgehoben 1).
Durch das Geſetz vom 2. Mai 1877 aber ſind dieſe Beſtimmun-
gen nicht wieder in Kraft geſetzt worden, da dieſes Geſetz über die
Verkündigung der Landesgeſetze für Elſaß-Lothringen gänzlich
ſchweigt. Man könnte ſich allenfalls darauf berufen, daß auch das
Geſetzblatt für Elſaß-Lothr. begrifflich „ein Reichsgeſetzblatt“ ſei
und daher die Verkündigung mittelſt deſſelben den Anforderungen
des Art. 2 der R.-V. genüge; offenbar ſetzt aber dieſer Art. 2
ſowie die zur Ausführung deſſelben ergangene V. v. 26. Juli
1867 ein einheitliches, alle Reichsgeſetze in ſich vereinigendes Ge-
ſetzblatt voraus.

Eine bisher unangefochtene Praxis hat aber die Verkündi-
gung der Landesgeſetze für Elſaß-Lothringen in dem Geſetzblatt
für Elſaß-Lothringen für rechtswirkſam erachtet und es ſprechen
dafür in der That Gründe der Zweckmäßigkeit 2). Empfehlens-

1) Die Motive zum Geſ. v. 25. Juni 1873 S. 8 (Druckſachen 1873 Bd.
III. Nro. 177) berühren dieſe Frage, entſcheiden ſie aber ohne zutreffende
Gründe im entgegengeſetzten Sinn. Art. 2 der R.-V. muß auf die für E.-L.
erlaſſenen Geſetze uneingeſchränkte Anwendung finden, weil das Geſetz
vom 25. Juni 1873 die R.-V. in Elſaß-Lothr. „mit der Maßgabe“ ein-
führte, daß dem in Art. 1 der Verf. bezeichneten Bundesgebiete das Gebiet
des Reichslandes hinzutritt, und weil das Geſ. v. 9. Juni 1871 §. 3 Abſ. 4
die Geſetzgebungskompetenz des Reiches auch auf die der Reichsgeſetzgebung in
den Bundesſtaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten erſtreckt hat.
2) Hinſichtlich der im Wege der Reichsgeſetzgebung erlaſſenen Landes-
geſetze für E.-L. hat das bisherige Verfahren die Folge, daß manche Geſetze
doppelt, nämlich im Reichs-Geſetzbl. und im Geſetzbl. f. E.-L. verkündigt
werden. So z. B. das Geſ. v. 15. Nov. 1874 (Münzgeſ.) im R.-G.-Bl. S.
131, ausgegeben am 19. November und im Geſetzbl. f. E.-L. S. 39, ausge-
geben am 25. Nov.; das Geſ. v. 19. Dez. 1874 (Maß- u. Gew.) im R.-G.-Bl.
1875 S. 1 (ausgegeb. am 11. Januar) und im Geſetzbl. f. E.-L. S. 1 (aus-
gegeben am 5. Januar); das Geſ. v. 8. Februar 1875 im R.-G.-Bl. S. 69
(22. Febr.) und im Geſetzbl. f. E.-L. S. 9 (19. Febr.); das Geſ. v. 11. Febr.
1875 im R.-G.-Bl. S. 61 (18. Febr.), im Geſetzbl. f. E-L. S. 49 (vom 23.
Febr.). Dieſe doppelte Verkündigung eines und deſſelben Geſetzes widerſpricht
nicht nur dem juriſtiſchen Begriffe der Geſetzes-Verkündigung, ſondern führt
auch zu dem ſonderbaren Reſultat, daß der Tag, an welchem das Geſetz in
Wirkſamkeit tritt, ſich verſchieden beſtimmt, je nachdem die vierzehntäge Friſt
Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 10
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[145/0159] §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. Reichsgeſetze; es findet daher auf ſie der Art. 2 der R.-V. An- wendung. Durch Einf. der R.-V. ſind die Beſtimmungen des Geſetz vom 3. Juli 1871, inſoweit ſie mit den Anordnungen der Reichs-Verfaſſung im Widerſpruch ſtehen, aufgehoben 1). Durch das Geſetz vom 2. Mai 1877 aber ſind dieſe Beſtimmun- gen nicht wieder in Kraft geſetzt worden, da dieſes Geſetz über die Verkündigung der Landesgeſetze für Elſaß-Lothringen gänzlich ſchweigt. Man könnte ſich allenfalls darauf berufen, daß auch das Geſetzblatt für Elſaß-Lothr. begrifflich „ein Reichsgeſetzblatt“ ſei und daher die Verkündigung mittelſt deſſelben den Anforderungen des Art. 2 der R.-V. genüge; offenbar ſetzt aber dieſer Art. 2 ſowie die zur Ausführung deſſelben ergangene V. v. 26. Juli 1867 ein einheitliches, alle Reichsgeſetze in ſich vereinigendes Ge- ſetzblatt voraus. Eine bisher unangefochtene Praxis hat aber die Verkündi- gung der Landesgeſetze für Elſaß-Lothringen in dem Geſetzblatt für Elſaß-Lothringen für rechtswirkſam erachtet und es ſprechen dafür in der That Gründe der Zweckmäßigkeit 2). Empfehlens- 1) Die Motive zum Geſ. v. 25. Juni 1873 S. 8 (Druckſachen 1873 Bd. III. Nro. 177) berühren dieſe Frage, entſcheiden ſie aber ohne zutreffende Gründe im entgegengeſetzten Sinn. Art. 2 der R.-V. muß auf die für E.-L. erlaſſenen Geſetze uneingeſchränkte Anwendung finden, weil das Geſetz vom 25. Juni 1873 die R.-V. in Elſaß-Lothr. „mit der Maßgabe“ ein- führte, daß dem in Art. 1 der Verf. bezeichneten Bundesgebiete das Gebiet des Reichslandes hinzutritt, und weil das Geſ. v. 9. Juni 1871 §. 3 Abſ. 4 die Geſetzgebungskompetenz des Reiches auch auf die der Reichsgeſetzgebung in den Bundesſtaaten nicht unterliegenden Angelegenheiten erſtreckt hat. 2) Hinſichtlich der im Wege der Reichsgeſetzgebung erlaſſenen Landes- geſetze für E.-L. hat das bisherige Verfahren die Folge, daß manche Geſetze doppelt, nämlich im Reichs-Geſetzbl. und im Geſetzbl. f. E.-L. verkündigt werden. So z. B. das Geſ. v. 15. Nov. 1874 (Münzgeſ.) im R.-G.-Bl. S. 131, ausgegeben am 19. November und im Geſetzbl. f. E.-L. S. 39, ausge- geben am 25. Nov.; das Geſ. v. 19. Dez. 1874 (Maß- u. Gew.) im R.-G.-Bl. 1875 S. 1 (ausgegeb. am 11. Januar) und im Geſetzbl. f. E.-L. S. 1 (aus- gegeben am 5. Januar); das Geſ. v. 8. Februar 1875 im R.-G.-Bl. S. 69 (22. Febr.) und im Geſetzbl. f. E.-L. S. 9 (19. Febr.); das Geſ. v. 11. Febr. 1875 im R.-G.-Bl. S. 61 (18. Febr.), im Geſetzbl. f. E-L. S. 49 (vom 23. Febr.). Dieſe doppelte Verkündigung eines und deſſelben Geſetzes widerſpricht nicht nur dem juriſtiſchen Begriffe der Geſetzes-Verkündigung, ſondern führt auch zu dem ſonderbaren Reſultat, daß der Tag, an welchem das Geſetz in Wirkſamkeit tritt, ſich verſchieden beſtimmt, je nachdem die vierzehntäge Friſt Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 10

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/159>, abgerufen am 27.11.2024.