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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen.
2. Mai 1877 die Sanction der Landesgesetze dem Kaiser
übertragen, während sie nach der Reichs-Verfassung dem
Bundesrath zusteht. Alles was oben S. 127 fg. über diesen
Unterschied für die Zeit bis zum 31. Dezember 1873 aus-
geführt worden ist, findet auch Anwendung auf die Zeit seit der
Rechtskraft des Gesetzes vom 2. Mai 1877. Der Bundesrath
hat demnach keine andere Befugniß, wie der Landesausschuß; er
ist der eigentliche Gesetzgeber nicht; seine Zustimmung ist lediglich
eine Voraussetzung für den Erlaß eines Gesetzes Seitens des
Kaisers. Zwar unterscheidet die Fassung des §. 1 cit. die Zu-
stimmung des Bundesrathes von derjenigen des Landesausschusses
durch eine verschiedene Art der Erwähnung; wirklich entscheidend
aber ist allein der Satz, daß dem Kaiser das Placet der Landes-
gesetze zusteht und er nicht rechtlich verpflichtet ist, ein vom
Bundesrath beschlossenes Gesetz auszufertigen und zu ver-
kündigen 1).

c) Die Ausfertigung der Landesgesetze erfolgt wie die
der Reichsgesetze durch den Kaiser. Durch dieselbe wird unter
Verantwortlichkeit des gegenzeichnenden Reichskanzlers formell con-
statirt, daß der Landesausschuß und der Bundesrath den beste-
henden Rechtsvorschriften gemäß dem Gesetz zugestimmt haben.

d) Die Verkündigung der Landesgesetze für Elsaß-Loth-
ringen erfolgt auch nach Einführung der R.-V. noch durch das
Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen 2) und zwar auch dann, wenn sie
im Wege der Reichsgesetzgebung erlassen werden 3). Die Richtig-
keit dieses Verfahrens ist aber staatsrechlich äußerst bedenklich.
Denn auch diese Gesetze sind, wie wiederholt dargethan worden ist,

1) Während bei den eigentlichen Reichsgesetzen, wie oben S. 29 ff. ausge-
führt wurde, die Zustimmung des Bundesrathes etwas wesentlich Anderes be-
deutet wie die Zustimmung des Reichstages, werden im Art. 5 der R.-V. und
in der Promulgationsformel der Reichsgesetze beide ganz gleichartig neben
einander genannt. Für die Landesgesetze von Elsaß-Lothringen dagegen, bei
deren Zustandekommen Bundesrath und Landesausschuß in der That ganz
gleiche
Funktionen haben, bestimmt §. 1 des Gesetzes v. 2 Mai 1877 mit
einer stylistischen Geschmacklosigkeit, die bei den R.-G. leider nicht selten ist:
"Landesgesetze ... werden mit Zustimmung des Bundesraths vom
Kaiser erlassen, wenn der ... Landesausschuß denselben zugestimmt hat."
2) Vgl. Bd. I. S. 589.
3) Dieser Weg war ja bis zum Ges. v. 2. Mai 1877 der einzige.

§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
2. Mai 1877 die Sanction der Landesgeſetze dem Kaiſer
übertragen, während ſie nach der Reichs-Verfaſſung dem
Bundesrath zuſteht. Alles was oben S. 127 fg. über dieſen
Unterſchied für die Zeit bis zum 31. Dezember 1873 aus-
geführt worden iſt, findet auch Anwendung auf die Zeit ſeit der
Rechtskraft des Geſetzes vom 2. Mai 1877. Der Bundesrath
hat demnach keine andere Befugniß, wie der Landesausſchuß; er
iſt der eigentliche Geſetzgeber nicht; ſeine Zuſtimmung iſt lediglich
eine Vorausſetzung für den Erlaß eines Geſetzes Seitens des
Kaiſers. Zwar unterſcheidet die Faſſung des §. 1 cit. die Zu-
ſtimmung des Bundesrathes von derjenigen des Landesausſchuſſes
durch eine verſchiedene Art der Erwähnung; wirklich entſcheidend
aber iſt allein der Satz, daß dem Kaiſer das Placet der Landes-
geſetze zuſteht und er nicht rechtlich verpflichtet iſt, ein vom
Bundesrath beſchloſſenes Geſetz auszufertigen und zu ver-
kündigen 1).

c) Die Ausfertigung der Landesgeſetze erfolgt wie die
der Reichsgeſetze durch den Kaiſer. Durch dieſelbe wird unter
Verantwortlichkeit des gegenzeichnenden Reichskanzlers formell con-
ſtatirt, daß der Landesausſchuß und der Bundesrath den beſte-
henden Rechtsvorſchriften gemäß dem Geſetz zugeſtimmt haben.

d) Die Verkündigung der Landesgeſetze für Elſaß-Loth-
ringen erfolgt auch nach Einführung der R.-V. noch durch das
Geſetzblatt für Elſaß-Lothringen 2) und zwar auch dann, wenn ſie
im Wege der Reichsgeſetzgebung erlaſſen werden 3). Die Richtig-
keit dieſes Verfahrens iſt aber ſtaatsrechlich äußerſt bedenklich.
Denn auch dieſe Geſetze ſind, wie wiederholt dargethan worden iſt,

1) Während bei den eigentlichen Reichsgeſetzen, wie oben S. 29 ff. ausge-
führt wurde, die Zuſtimmung des Bundesrathes etwas weſentlich Anderes be-
deutet wie die Zuſtimmung des Reichstages, werden im Art. 5 der R.-V. und
in der Promulgationsformel der Reichsgeſetze beide ganz gleichartig neben
einander genannt. Für die Landesgeſetze von Elſaß-Lothringen dagegen, bei
deren Zuſtandekommen Bundesrath und Landesausſchuß in der That ganz
gleiche
Funktionen haben, beſtimmt §. 1 des Geſetzes v. 2 Mai 1877 mit
einer ſtyliſtiſchen Geſchmackloſigkeit, die bei den R.-G. leider nicht ſelten iſt:
„Landesgeſetze … werden mit Zuſtimmung des Bundesraths vom
Kaiſer erlaſſen, wenn der … Landesausſchuß denſelben zugeſtimmt hat.“
2) Vgl. Bd. I. S. 589.
3) Dieſer Weg war ja bis zum Geſ. v. 2. Mai 1877 der einzige.
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[144/0158] §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. 2. Mai 1877 die Sanction der Landesgeſetze dem Kaiſer übertragen, während ſie nach der Reichs-Verfaſſung dem Bundesrath zuſteht. Alles was oben S. 127 fg. über dieſen Unterſchied für die Zeit bis zum 31. Dezember 1873 aus- geführt worden iſt, findet auch Anwendung auf die Zeit ſeit der Rechtskraft des Geſetzes vom 2. Mai 1877. Der Bundesrath hat demnach keine andere Befugniß, wie der Landesausſchuß; er iſt der eigentliche Geſetzgeber nicht; ſeine Zuſtimmung iſt lediglich eine Vorausſetzung für den Erlaß eines Geſetzes Seitens des Kaiſers. Zwar unterſcheidet die Faſſung des §. 1 cit. die Zu- ſtimmung des Bundesrathes von derjenigen des Landesausſchuſſes durch eine verſchiedene Art der Erwähnung; wirklich entſcheidend aber iſt allein der Satz, daß dem Kaiſer das Placet der Landes- geſetze zuſteht und er nicht rechtlich verpflichtet iſt, ein vom Bundesrath beſchloſſenes Geſetz auszufertigen und zu ver- kündigen 1). c) Die Ausfertigung der Landesgeſetze erfolgt wie die der Reichsgeſetze durch den Kaiſer. Durch dieſelbe wird unter Verantwortlichkeit des gegenzeichnenden Reichskanzlers formell con- ſtatirt, daß der Landesausſchuß und der Bundesrath den beſte- henden Rechtsvorſchriften gemäß dem Geſetz zugeſtimmt haben. d) Die Verkündigung der Landesgeſetze für Elſaß-Loth- ringen erfolgt auch nach Einführung der R.-V. noch durch das Geſetzblatt für Elſaß-Lothringen 2) und zwar auch dann, wenn ſie im Wege der Reichsgeſetzgebung erlaſſen werden 3). Die Richtig- keit dieſes Verfahrens iſt aber ſtaatsrechlich äußerſt bedenklich. Denn auch dieſe Geſetze ſind, wie wiederholt dargethan worden iſt, 1) Während bei den eigentlichen Reichsgeſetzen, wie oben S. 29 ff. ausge- führt wurde, die Zuſtimmung des Bundesrathes etwas weſentlich Anderes be- deutet wie die Zuſtimmung des Reichstages, werden im Art. 5 der R.-V. und in der Promulgationsformel der Reichsgeſetze beide ganz gleichartig neben einander genannt. Für die Landesgeſetze von Elſaß-Lothringen dagegen, bei deren Zuſtandekommen Bundesrath und Landesausſchuß in der That ganz gleiche Funktionen haben, beſtimmt §. 1 des Geſetzes v. 2 Mai 1877 mit einer ſtyliſtiſchen Geſchmackloſigkeit, die bei den R.-G. leider nicht ſelten iſt: „Landesgeſetze … werden mit Zuſtimmung des Bundesraths vom Kaiſer erlaſſen, wenn der … Landesausſchuß denſelben zugeſtimmt hat.“ 2) Vgl. Bd. I. S. 589. 3) Dieſer Weg war ja bis zum Geſ. v. 2. Mai 1877 der einzige.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/158>, abgerufen am 24.11.2024.