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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 60. Die Wirkungen der Reichsgesetze.
nue." Nach Maßgabe der Entfernung der Departements-Haupt-
stadt von der Reichs-Hauptstadt wird darauf im Abs. 3 desselben
Artikels die Frist bestimmt, mit deren Ablauf die Vermuthung
eintritt, daß die Promulgation in dem Departement gemeinkundig
sei. "La promulgation faite par l'Empereur sera reputee con-
nue
"
... Eine Consequenz dieses Grundsatzes ist die, daß so-
lange ein französisches Departement von einer feindlichen Macht
occupirt ist oder die Verbindung der Departements-Hauptstadt mit
Paris unterbrochen ist, ein in dieser Zeit verkündetes Gesetz in
dem Departement verbindliche Kraft nicht erlangen kann. Die
französische Praxis hat diesen Grundsatz stets als einen zweifel-
losen in Anwendung gebracht 1). Die vom Art. 1 des Code civ.
hingestellte Vermuthung fällt daher weg, wenn die Unmöglich-
keit
, daß ein Gesetz Gemeinkundigkeit habe erlangen können, dar-
gethan wird.

Der Art. 2 der R.-V. dagegen knüpft nicht die Verbindlich-
keit der Gesetze an die Voraussetzung ihrer Gemeinkundigkeit, und
die Vermuthung ihrer Gemeinkundigkeit an den Ablauf einer ge-
wissen Frist, sondern die verbindliche Kraft tritt unmittelbar durch
den Ablauf dieser Frist ein, ohne alle Rücksicht darauf, ob diese
Frist die Gemeinkundigkeit ermöglichte oder nicht. Daher ist
es auch zulässig, den Anfang der Geltung auf den Tag der Ver-
kündigung selbst zu bestimmen, also auf einen Zeitpunkt, an wel-
chem das Stück des Reichsgesetzblattes noch gar nicht im ganzen
Umfang des Bundesgebietes verbreitet sein kann 2). Aus dem-
selben Grunde ist es ohne Belang, ob das Reichsgesetzblatt in der
That in allen Theilen des Bundesgebietes Verbreitung gefunden

1) Vgl. v. Richthofen in Hirth's Annalen 1874 S. 535 fg.
2) Die Beispiele dafür sind sehr zahlreich. Einige der wichtigsten sind
folgende: Ges. v. 29. Mai 1868 §. 5 B.-G.-Bl. S. 238 (Aufhebung der Schuld-
haft); Ges. vom 27. März 1870 § 6 B.-G.-Bl. S. 15 (Verbot der Ausgabe
von Banknoten). Gesetze vom 21. Juli 1870 B.-G.-Bl. S. 497. 498. Ferner
sämmtliche Verordnungen, welche Ausfuhr- und Einfuhr-Verbote enthalten oder
dieselben wieder aufheben. -- Gesetze, die im fernen Auslande beobachtet wer-
den müssen, sollten geraume Zeit vor dem Beginn ihrer Geltung verkündet
werden. Dies geschieht aber nicht immer; so ist z. B. in der am 30. Dez.
1871 (R.-G.-Bl. S. 479) verkündigten Verordnung zur Verhütung des Zu-
sammenstoßens der Schiffe auf See der Anfang ihrer Geltung auf den 1. Jan.
1872 festgesetzt.

§. 60. Die Wirkungen der Reichsgeſetze.
nue Nach Maßgabe der Entfernung der Departements-Haupt-
ſtadt von der Reichs-Hauptſtadt wird darauf im Abſ. 3 deſſelben
Artikels die Friſt beſtimmt, mit deren Ablauf die Vermuthung
eintritt, daß die Promulgation in dem Departement gemeinkundig
ſei. »La promulgation faite par l’Empereur sera réputée con-
nue
«
… Eine Conſequenz dieſes Grundſatzes iſt die, daß ſo-
lange ein franzöſiſches Departement von einer feindlichen Macht
occupirt iſt oder die Verbindung der Departements-Hauptſtadt mit
Paris unterbrochen iſt, ein in dieſer Zeit verkündetes Geſetz in
dem Departement verbindliche Kraft nicht erlangen kann. Die
franzöſiſche Praxis hat dieſen Grundſatz ſtets als einen zweifel-
loſen in Anwendung gebracht 1). Die vom Art. 1 des Code civ.
hingeſtellte Vermuthung fällt daher weg, wenn die Unmöglich-
keit
, daß ein Geſetz Gemeinkundigkeit habe erlangen können, dar-
gethan wird.

Der Art. 2 der R.-V. dagegen knüpft nicht die Verbindlich-
keit der Geſetze an die Vorausſetzung ihrer Gemeinkundigkeit, und
die Vermuthung ihrer Gemeinkundigkeit an den Ablauf einer ge-
wiſſen Friſt, ſondern die verbindliche Kraft tritt unmittelbar durch
den Ablauf dieſer Friſt ein, ohne alle Rückſicht darauf, ob dieſe
Friſt die Gemeinkundigkeit ermöglichte oder nicht. Daher iſt
es auch zuläſſig, den Anfang der Geltung auf den Tag der Ver-
kündigung ſelbſt zu beſtimmen, alſo auf einen Zeitpunkt, an wel-
chem das Stück des Reichsgeſetzblattes noch gar nicht im ganzen
Umfang des Bundesgebietes verbreitet ſein kann 2). Aus dem-
ſelben Grunde iſt es ohne Belang, ob das Reichsgeſetzblatt in der
That in allen Theilen des Bundesgebietes Verbreitung gefunden

1) Vgl. v. Richthofen in Hirth’s Annalen 1874 S. 535 fg.
2) Die Beiſpiele dafür ſind ſehr zahlreich. Einige der wichtigſten ſind
folgende: Geſ. v. 29. Mai 1868 §. 5 B.-G.-Bl. S. 238 (Aufhebung der Schuld-
haft); Geſ. vom 27. März 1870 § 6 B.-G.-Bl. S. 15 (Verbot der Ausgabe
von Banknoten). Geſetze vom 21. Juli 1870 B.-G.-Bl. S. 497. 498. Ferner
ſämmtliche Verordnungen, welche Ausfuhr- und Einfuhr-Verbote enthalten oder
dieſelben wieder aufheben. — Geſetze, die im fernen Auslande beobachtet wer-
den müſſen, ſollten geraume Zeit vor dem Beginn ihrer Geltung verkündet
werden. Dies geſchieht aber nicht immer; ſo iſt z. B. in der am 30. Dez.
1871 (R.-G.-Bl. S. 479) verkündigten Verordnung zur Verhütung des Zu-
ſammenſtoßens der Schiffe auf See der Anfang ihrer Geltung auf den 1. Jan.
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[102/0116] §. 60. Die Wirkungen der Reichsgeſetze. nue.« Nach Maßgabe der Entfernung der Departements-Haupt- ſtadt von der Reichs-Hauptſtadt wird darauf im Abſ. 3 deſſelben Artikels die Friſt beſtimmt, mit deren Ablauf die Vermuthung eintritt, daß die Promulgation in dem Departement gemeinkundig ſei. »La promulgation faite par l’Empereur sera réputée con- nue« … Eine Conſequenz dieſes Grundſatzes iſt die, daß ſo- lange ein franzöſiſches Departement von einer feindlichen Macht occupirt iſt oder die Verbindung der Departements-Hauptſtadt mit Paris unterbrochen iſt, ein in dieſer Zeit verkündetes Geſetz in dem Departement verbindliche Kraft nicht erlangen kann. Die franzöſiſche Praxis hat dieſen Grundſatz ſtets als einen zweifel- loſen in Anwendung gebracht 1). Die vom Art. 1 des Code civ. hingeſtellte Vermuthung fällt daher weg, wenn die Unmöglich- keit, daß ein Geſetz Gemeinkundigkeit habe erlangen können, dar- gethan wird. Der Art. 2 der R.-V. dagegen knüpft nicht die Verbindlich- keit der Geſetze an die Vorausſetzung ihrer Gemeinkundigkeit, und die Vermuthung ihrer Gemeinkundigkeit an den Ablauf einer ge- wiſſen Friſt, ſondern die verbindliche Kraft tritt unmittelbar durch den Ablauf dieſer Friſt ein, ohne alle Rückſicht darauf, ob dieſe Friſt die Gemeinkundigkeit ermöglichte oder nicht. Daher iſt es auch zuläſſig, den Anfang der Geltung auf den Tag der Ver- kündigung ſelbſt zu beſtimmen, alſo auf einen Zeitpunkt, an wel- chem das Stück des Reichsgeſetzblattes noch gar nicht im ganzen Umfang des Bundesgebietes verbreitet ſein kann 2). Aus dem- ſelben Grunde iſt es ohne Belang, ob das Reichsgeſetzblatt in der That in allen Theilen des Bundesgebietes Verbreitung gefunden 1) Vgl. v. Richthofen in Hirth’s Annalen 1874 S. 535 fg. 2) Die Beiſpiele dafür ſind ſehr zahlreich. Einige der wichtigſten ſind folgende: Geſ. v. 29. Mai 1868 §. 5 B.-G.-Bl. S. 238 (Aufhebung der Schuld- haft); Geſ. vom 27. März 1870 § 6 B.-G.-Bl. S. 15 (Verbot der Ausgabe von Banknoten). Geſetze vom 21. Juli 1870 B.-G.-Bl. S. 497. 498. Ferner ſämmtliche Verordnungen, welche Ausfuhr- und Einfuhr-Verbote enthalten oder dieſelben wieder aufheben. — Geſetze, die im fernen Auslande beobachtet wer- den müſſen, ſollten geraume Zeit vor dem Beginn ihrer Geltung verkündet werden. Dies geſchieht aber nicht immer; ſo iſt z. B. in der am 30. Dez. 1871 (R.-G.-Bl. S. 479) verkündigten Verordnung zur Verhütung des Zu- ſammenſtoßens der Schiffe auf See der Anfang ihrer Geltung auf den 1. Jan. 1872 feſtgeſetzt.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/116>, abgerufen am 27.11.2024.