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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 48. Die Zuständigkeit des Reichstages.
die ihr obliegende Verwaltung ordnungsmäßig geführt und darüber
ordnungsmäßig Rechnung gelegt hat. Wenn der Reichstag beide
Fragen bejahend entscheidet, so geschieht dies in der Form 1), daß
er erstens erklärt:
daß die Reichsschuldenkommission durch Ueberreichung des
. . . . Berichtes der Bestimmung des Gesetzes vom . . . .
Genüge gethan habe 2)

und daß er ferner beschließt:
der Reichsschulden-Verwaltung (Verwaltung des Reichskriegs-
schatzes, Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds) für die im
Berichte erörterten Rechnungen Entlastung zu ertheilen.

Der rechtliche Charakter dieser Beschlüsse ist derselbe, wie bei
der Ertheilung der Entlastung auf Grund der Jahres-Rechnung.
Bundesrath und Reichstag stehen auch hier der Finanzverwaltung
und der Reichsschuldenkommission völlig gleichberechtigt und mit
denselben Funktionen gegenüber und geben das Anerkenntniß ordent-
licher und gesetzmäßiger Verwaltung getrennt und unabhängig von
einander ab.

3) Das Mittel der Berichterstattung, um dem Reichstag eine
Kontrole der Verwaltung zu ermöglichen und zu sichern, ist nicht
auf die Finanz-Angelegenheiten beschränkt. Es kann bei allen
größeren Verwaltungsoperationen Anwendung finden und die Re-
gierung kann sich aus politischen Rücksichten dieser Berichterstattung
in der Regel kaum entziehen, wenn der Reichstag sie verlangt.

Eine staatsrechtliche Pflicht der Regierung zur Erstattung
von periodischen Berichten besteht aber nur, wenn dieselbe durch
eine besondere Gesetzes-Bestimmung ausdrücklich vorgeschrieben ist.
Dies ist z. B. geschehen durch das Gesetz über die Vereinigung
von Elsaß-Lothringen v. 9. Juni 1871 §. 3 Abs. 3, wonach dem
Reichstage bis zur Einführung der R.-V. über die erlassenen Ge-
setze und allgemeinen Anordnungen und über den Fortgang der
Verwaltung jährlich Mittheilung zu machen war; ferner durch das
Ges. v. 4. Dez. 1871 §. 11 Abs. 3 (R.-G.Bl. S. 406) über die

1) Vgl. z. B. Stenogr. Berichte 1873 S. 1190.
2) Diese Erklärung kann aber vom Reichstage auch stillschweigend
abgegeben werden, indem gegen den Bericht keine Ausstellung erhoben und
dem darin enthaltenen Antrage gemäß die Entlastung ausgesprochen wird.
Vgl. Stenogr. Berichte 1874/5 S. 1190.

§. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages.
die ihr obliegende Verwaltung ordnungsmäßig geführt und darüber
ordnungsmäßig Rechnung gelegt hat. Wenn der Reichstag beide
Fragen bejahend entſcheidet, ſo geſchieht dies in der Form 1), daß
er erſtens erklärt:
daß die Reichsſchuldenkommiſſion durch Ueberreichung des
. . . . Berichtes der Beſtimmung des Geſetzes vom . . . .
Genüge gethan habe 2)

und daß er ferner beſchließt:
der Reichsſchulden-Verwaltung (Verwaltung des Reichskriegs-
ſchatzes, Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds) für die im
Berichte erörterten Rechnungen Entlaſtung zu ertheilen.

Der rechtliche Charakter dieſer Beſchlüſſe iſt derſelbe, wie bei
der Ertheilung der Entlaſtung auf Grund der Jahres-Rechnung.
Bundesrath und Reichstag ſtehen auch hier der Finanzverwaltung
und der Reichsſchuldenkommiſſion völlig gleichberechtigt und mit
denſelben Funktionen gegenüber und geben das Anerkenntniß ordent-
licher und geſetzmäßiger Verwaltung getrennt und unabhängig von
einander ab.

3) Das Mittel der Berichterſtattung, um dem Reichstag eine
Kontrole der Verwaltung zu ermöglichen und zu ſichern, iſt nicht
auf die Finanz-Angelegenheiten beſchränkt. Es kann bei allen
größeren Verwaltungsoperationen Anwendung finden und die Re-
gierung kann ſich aus politiſchen Rückſichten dieſer Berichterſtattung
in der Regel kaum entziehen, wenn der Reichstag ſie verlangt.

Eine ſtaatsrechtliche Pflicht der Regierung zur Erſtattung
von periodiſchen Berichten beſteht aber nur, wenn dieſelbe durch
eine beſondere Geſetzes-Beſtimmung ausdrücklich vorgeſchrieben iſt.
Dies iſt z. B. geſchehen durch das Geſetz über die Vereinigung
von Elſaß-Lothringen v. 9. Juni 1871 §. 3 Abſ. 3, wonach dem
Reichstage bis zur Einführung der R.-V. über die erlaſſenen Ge-
ſetze und allgemeinen Anordnungen und über den Fortgang der
Verwaltung jährlich Mittheilung zu machen war; ferner durch das
Geſ. v. 4. Dez. 1871 §. 11 Abſ. 3 (R.-G.Bl. S. 406) über die

1) Vgl. z. B. Stenogr. Berichte 1873 S. 1190.
2) Dieſe Erklärung kann aber vom Reichstage auch ſtillſchweigend
abgegeben werden, indem gegen den Bericht keine Ausſtellung erhoben und
dem darin enthaltenen Antrage gemäß die Entlaſtung ausgeſprochen wird.
Vgl. Stenogr. Berichte 1874/5 S. 1190.
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[518/0538] §. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages. die ihr obliegende Verwaltung ordnungsmäßig geführt und darüber ordnungsmäßig Rechnung gelegt hat. Wenn der Reichstag beide Fragen bejahend entſcheidet, ſo geſchieht dies in der Form 1), daß er erſtens erklärt: daß die Reichsſchuldenkommiſſion durch Ueberreichung des . . . . Berichtes der Beſtimmung des Geſetzes vom . . . . Genüge gethan habe 2) und daß er ferner beſchließt: der Reichsſchulden-Verwaltung (Verwaltung des Reichskriegs- ſchatzes, Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds) für die im Berichte erörterten Rechnungen Entlaſtung zu ertheilen. Der rechtliche Charakter dieſer Beſchlüſſe iſt derſelbe, wie bei der Ertheilung der Entlaſtung auf Grund der Jahres-Rechnung. Bundesrath und Reichstag ſtehen auch hier der Finanzverwaltung und der Reichsſchuldenkommiſſion völlig gleichberechtigt und mit denſelben Funktionen gegenüber und geben das Anerkenntniß ordent- licher und geſetzmäßiger Verwaltung getrennt und unabhängig von einander ab. 3) Das Mittel der Berichterſtattung, um dem Reichstag eine Kontrole der Verwaltung zu ermöglichen und zu ſichern, iſt nicht auf die Finanz-Angelegenheiten beſchränkt. Es kann bei allen größeren Verwaltungsoperationen Anwendung finden und die Re- gierung kann ſich aus politiſchen Rückſichten dieſer Berichterſtattung in der Regel kaum entziehen, wenn der Reichstag ſie verlangt. Eine ſtaatsrechtliche Pflicht der Regierung zur Erſtattung von periodiſchen Berichten beſteht aber nur, wenn dieſelbe durch eine beſondere Geſetzes-Beſtimmung ausdrücklich vorgeſchrieben iſt. Dies iſt z. B. geſchehen durch das Geſetz über die Vereinigung von Elſaß-Lothringen v. 9. Juni 1871 §. 3 Abſ. 3, wonach dem Reichstage bis zur Einführung der R.-V. über die erlaſſenen Ge- ſetze und allgemeinen Anordnungen und über den Fortgang der Verwaltung jährlich Mittheilung zu machen war; ferner durch das Geſ. v. 4. Dez. 1871 §. 11 Abſ. 3 (R.-G.Bl. S. 406) über die 1) Vgl. z. B. Stenogr. Berichte 1873 S. 1190. 2) Dieſe Erklärung kann aber vom Reichstage auch ſtillſchweigend abgegeben werden, indem gegen den Bericht keine Ausſtellung erhoben und dem darin enthaltenen Antrage gemäß die Entlaſtung ausgeſprochen wird. Vgl. Stenogr. Berichte 1874/5 S. 1190.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/538>, abgerufen am 22.11.2024.