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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 48. Die Zuständigkeit des Reichstages.

2) Eine vielfache Anwendung findet die Form der Genehmi-
gung statt des Gesetzes in Finanz-Angelegenheiten. Zwar fehlt
in der Reichsverfassung eine Bestimmung, wie sie Art. 104 Abs. 1
der Preuß.-Verf.-Urk. enthält: "Zu Etats-Ueberscheitungen ist die
nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich," durch welche
für diese Genehmigung ein völliges Parallelgebiet zu der Fest-
stellung des jährlichen Etats in der Form der Gesetzgebung ge-
schaffen wird. Dadurch, daß diese Form nicht ausdrücklich in der
Verfassung erwähnt wird, sie ist aber keineswegs ausgeschlossen.
In der Praxis des Reichsrechts hat in der That neben der Form
eines Nachtrags-Etats-Gesetzes, durch welches der gesetzlich festge-
stellte Etat ergänzt oder verändert wird, die Form der "Genehmi-
gung" der Etats-Ueberschreitungen unter Uebereinstimmung der
Regierung und des Reichstages seit 1872 Anwendung gefunden 1)
und der im Jahr 1873 und später wiederholt vorgelegte Gesetz-
entwurf über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des
Reiches beabsichtigte, diese Praxis zu sanctioniren, indem er im
§. 6 vorschrieb, daß in der, dem Bundesrathe und dem Reichs-
tage vorzulegenden Uebersicht die Etats-Ueberschreitungen und die
außeretatsmäßigen Ausgaben "behufs deren nachträglicher Ge-
nehmigung" besonders nachzuweisen sind.

Auch das Gesetz v. 30. Mai 1873 über den Festungsbau
Art. VII. (R.-G.-Bl. S. 125) bestimmt, daß eine Nachweisung
der Ueberschreitung solcher Etats und der außeretatsmäßigen Ein-
nahmen und Ausgaben jedesmal spätestens in dem auf das Etats-
jahr folgenden zweiten Jahre dem Bundesrathe und dem Reichs-
tage "zur nachträglichen Genehmigung" vorzulegen ist. Eine ähn-
liche Bestimmung enthält das Gesetz über das Verwaltungs-Ver-
mögen des Reiches vom 25. Mai 1873 §. 10 u. §. 11 (R.-G.-Bl.
S. 15) 2) hinsichtlich der Einnahmen aus der Veräußerung von
Gegenständen, welche sich im Besitz der Reichsverwaltung befinden.


petenz des Reiches gegen die der Einzelstaaten ab. Es giebt keinen Bereich
der Reichsgesetzgebung als den nach Art 4, der jedoch nach Art. 78 selbst wieder
veränderlich ist. Vgl. auch v. Mohl Reichsstaatsr. S. 335 Note 1.
1) Vgl. über diesen Punkt die Verhandlungen im Reichstage am 23. Juni
1873. Stenogr. Ber. S. 1344 ff.
2) Vgl. auch Ges. v. 8. Juli 1872 Art. IV. (R.-G.-Bl. S. 290) und den
Gesetzentw. über die Verwaltung der Einnahmen u. Ausgaben des Reiches
§. 2. und §. 3.
§. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages.

2) Eine vielfache Anwendung findet die Form der Genehmi-
gung ſtatt des Geſetzes in Finanz-Angelegenheiten. Zwar fehlt
in der Reichsverfaſſung eine Beſtimmung, wie ſie Art. 104 Abſ. 1
der Preuß.-Verf.-Urk. enthält: „Zu Etats-Ueberſcheitungen iſt die
nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich,“ durch welche
für dieſe Genehmigung ein völliges Parallelgebiet zu der Feſt-
ſtellung des jährlichen Etats in der Form der Geſetzgebung ge-
ſchaffen wird. Dadurch, daß dieſe Form nicht ausdrücklich in der
Verfaſſung erwähnt wird, ſie iſt aber keineswegs ausgeſchloſſen.
In der Praxis des Reichsrechts hat in der That neben der Form
eines Nachtrags-Etats-Geſetzes, durch welches der geſetzlich feſtge-
ſtellte Etat ergänzt oder verändert wird, die Form der „Genehmi-
gung“ der Etats-Ueberſchreitungen unter Uebereinſtimmung der
Regierung und des Reichstages ſeit 1872 Anwendung gefunden 1)
und der im Jahr 1873 und ſpäter wiederholt vorgelegte Geſetz-
entwurf über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des
Reiches beabſichtigte, dieſe Praxis zu ſanctioniren, indem er im
§. 6 vorſchrieb, daß in der, dem Bundesrathe und dem Reichs-
tage vorzulegenden Ueberſicht die Etats-Ueberſchreitungen und die
außeretatsmäßigen Ausgaben „behufs deren nachträglicher Ge-
nehmigung“ beſonders nachzuweiſen ſind.

Auch das Geſetz v. 30. Mai 1873 über den Feſtungsbau
Art. VII. (R.-G.-Bl. S. 125) beſtimmt, daß eine Nachweiſung
der Ueberſchreitung ſolcher Etats und der außeretatsmäßigen Ein-
nahmen und Ausgaben jedesmal ſpäteſtens in dem auf das Etats-
jahr folgenden zweiten Jahre dem Bundesrathe und dem Reichs-
tage „zur nachträglichen Genehmigung“ vorzulegen iſt. Eine ähn-
liche Beſtimmung enthält das Geſetz über das Verwaltungs-Ver-
mögen des Reiches vom 25. Mai 1873 §. 10 u. §. 11 (R.-G.-Bl.
S. 15) 2) hinſichtlich der Einnahmen aus der Veräußerung von
Gegenſtänden, welche ſich im Beſitz der Reichsverwaltung befinden.


petenz des Reiches gegen die der Einzelſtaaten ab. Es giebt keinen Bereich
der Reichsgeſetzgebung als den nach Art 4, der jedoch nach Art. 78 ſelbſt wieder
veränderlich iſt. Vgl. auch v. Mohl Reichsſtaatsr. S. 335 Note 1.
1) Vgl. über dieſen Punkt die Verhandlungen im Reichstage am 23. Juni
1873. Stenogr. Ber. S. 1344 ff.
2) Vgl. auch Geſ. v. 8. Juli 1872 Art. IV. (R.-G.-Bl. S. 290) und den
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§. 2. und §. 3.
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[512/0532] §. 48. Die Zuſtändigkeit des Reichstages. 2) Eine vielfache Anwendung findet die Form der Genehmi- gung ſtatt des Geſetzes in Finanz-Angelegenheiten. Zwar fehlt in der Reichsverfaſſung eine Beſtimmung, wie ſie Art. 104 Abſ. 1 der Preuß.-Verf.-Urk. enthält: „Zu Etats-Ueberſcheitungen iſt die nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich,“ durch welche für dieſe Genehmigung ein völliges Parallelgebiet zu der Feſt- ſtellung des jährlichen Etats in der Form der Geſetzgebung ge- ſchaffen wird. Dadurch, daß dieſe Form nicht ausdrücklich in der Verfaſſung erwähnt wird, ſie iſt aber keineswegs ausgeſchloſſen. In der Praxis des Reichsrechts hat in der That neben der Form eines Nachtrags-Etats-Geſetzes, durch welches der geſetzlich feſtge- ſtellte Etat ergänzt oder verändert wird, die Form der „Genehmi- gung“ der Etats-Ueberſchreitungen unter Uebereinſtimmung der Regierung und des Reichstages ſeit 1872 Anwendung gefunden 1) und der im Jahr 1873 und ſpäter wiederholt vorgelegte Geſetz- entwurf über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches beabſichtigte, dieſe Praxis zu ſanctioniren, indem er im §. 6 vorſchrieb, daß in der, dem Bundesrathe und dem Reichs- tage vorzulegenden Ueberſicht die Etats-Ueberſchreitungen und die außeretatsmäßigen Ausgaben „behufs deren nachträglicher Ge- nehmigung“ beſonders nachzuweiſen ſind. Auch das Geſetz v. 30. Mai 1873 über den Feſtungsbau Art. VII. (R.-G.-Bl. S. 125) beſtimmt, daß eine Nachweiſung der Ueberſchreitung ſolcher Etats und der außeretatsmäßigen Ein- nahmen und Ausgaben jedesmal ſpäteſtens in dem auf das Etats- jahr folgenden zweiten Jahre dem Bundesrathe und dem Reichs- tage „zur nachträglichen Genehmigung“ vorzulegen iſt. Eine ähn- liche Beſtimmung enthält das Geſetz über das Verwaltungs-Ver- mögen des Reiches vom 25. Mai 1873 §. 10 u. §. 11 (R.-G.-Bl. S. 15) 2) hinſichtlich der Einnahmen aus der Veräußerung von Gegenſtänden, welche ſich im Beſitz der Reichsverwaltung befinden. 2) 1) Vgl. über dieſen Punkt die Verhandlungen im Reichstage am 23. Juni 1873. Stenogr. Ber. S. 1344 ff. 2) Vgl. auch Geſ. v. 8. Juli 1872 Art. IV. (R.-G.-Bl. S. 290) und den Geſetzentw. über die Verwaltung der Einnahmen u. Ausgaben des Reiches §. 2. und §. 3. 2) petenz des Reiches gegen die der Einzelſtaaten ab. Es giebt keinen Bereich der Reichsgeſetzgebung als den nach Art 4, der jedoch nach Art. 78 ſelbſt wieder veränderlich iſt. Vgl. auch v. Mohl Reichsſtaatsr. S. 335 Note 1.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/532>, abgerufen am 22.11.2024.