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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
"Der Staat X tritt am 1. Juli 1867 in den Norddeutschen
Bund ein."

Denn die Verfassung des Norddeutschen Bundes konnte in
einem Einzelstaat gar nicht anders in Kraft treten, als durch
Gründung des Norddeutschen Bundes, resp. Eintreten in denselben;
und kein Staat konnte anders in den Norddeutschen Bund ein-
treten als dadurch, daß die Verfassung des letzteren in seinem Ge-
biete in Kraft trat.

Hieraus ergiebt sich: Nicht die Norddeutsche Bundesverfassung
ist ein übereinstimmendes Landesgesetz der Einzelstaaten, nicht ihre
Sanction wird für jeden Staat besonders von der Landesstaats-
gewalt ertheilt, sondern der Entschluß des Staates, in den
durch diese Verfassung definirten Bund einzutreten, ist in jedem
Einzelstaat durch Landesgesetz erklärt worden. Object der Publi-
kationsgesetze vom Juni 1867 sind nicht die Bestimmungen der
Norddeutschen Bundesverfassung an sich, sondern Object ist die
Erklärung des Beitritts zu demjenigen Bunde, welcher in dieser
Verfassung definirt ist. Kein Staat war im Stande, diese Ver-
fassung bei sich als Landesgesetz einzuführen, wol aber konnte jeder
Staat für seine (ideelle) Person in der Form des Gesetzes erklären,
daß er am 1. Juli 1867 an der Errichtung des Norddeutschen
Bundes Theil nehmen werde. Nicht die zahlreichen Bestimmungen
der Bundesverfassung sind von jedem Einzelstaat für sein Gebiet
als Landesgesetz eingeführt worden, sondern die Publikationspatente
sanctioniren nur einen einzigen Satz, der überall derselbe ist, und
der lautet: Der Staat X gehört vom 1. Juli 1867 an zum nord-
deutschen Bunde.

Eben darum aber haben diese Publicationspatente keinen bloß
negativen Inhalt, wie Hänel annimmt, indem sie das mit der
Norddeutschen Bundesverfassung im Widerspruch stehende Verfas-
sungsrecht der Einzelstaaten aufheben. Hänel will für den Nord-
deutschen Bund erst die Bahn frei machen, indem er die Hinder-
nisse, welche die Landesverfassungen bieten, durch die Publikations-
gesetze beseitigen und dann in den geschaffenen freien Raum den
Norddeutschen Bund eintreten läßt. Dies ist undenkbar. Man
kann sich keinen Staat auch nur während einer Secunde in einem
Zustande denken, in welchem sein Verfassungsrecht in soweit auf-
gehoben ist, als es mit der Bundesverfassung im Widerspruch

§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
„Der Staat X tritt am 1. Juli 1867 in den Norddeutſchen
Bund ein.“

Denn die Verfaſſung des Norddeutſchen Bundes konnte in
einem Einzelſtaat gar nicht anders in Kraft treten, als durch
Gründung des Norddeutſchen Bundes, reſp. Eintreten in denſelben;
und kein Staat konnte anders in den Norddeutſchen Bund ein-
treten als dadurch, daß die Verfaſſung des letzteren in ſeinem Ge-
biete in Kraft trat.

Hieraus ergiebt ſich: Nicht die Norddeutſche Bundesverfaſſung
iſt ein übereinſtimmendes Landesgeſetz der Einzelſtaaten, nicht ihre
Sanction wird für jeden Staat beſonders von der Landesſtaats-
gewalt ertheilt, ſondern der Entſchluß des Staates, in den
durch dieſe Verfaſſung definirten Bund einzutreten, iſt in jedem
Einzelſtaat durch Landesgeſetz erklärt worden. Object der Publi-
kationsgeſetze vom Juni 1867 ſind nicht die Beſtimmungen der
Norddeutſchen Bundesverfaſſung an ſich, ſondern Object iſt die
Erklärung des Beitritts zu demjenigen Bunde, welcher in dieſer
Verfaſſung definirt iſt. Kein Staat war im Stande, dieſe Ver-
faſſung bei ſich als Landesgeſetz einzuführen, wol aber konnte jeder
Staat für ſeine (ideelle) Perſon in der Form des Geſetzes erklären,
daß er am 1. Juli 1867 an der Errichtung des Norddeutſchen
Bundes Theil nehmen werde. Nicht die zahlreichen Beſtimmungen
der Bundesverfaſſung ſind von jedem Einzelſtaat für ſein Gebiet
als Landesgeſetz eingeführt worden, ſondern die Publikationspatente
ſanctioniren nur einen einzigen Satz, der überall derſelbe iſt, und
der lautet: Der Staat X gehört vom 1. Juli 1867 an zum nord-
deutſchen Bunde.

Eben darum aber haben dieſe Publicationspatente keinen bloß
negativen Inhalt, wie Hänel annimmt, indem ſie das mit der
Norddeutſchen Bundesverfaſſung im Widerſpruch ſtehende Verfaſ-
ſungsrecht der Einzelſtaaten aufheben. Hänel will für den Nord-
deutſchen Bund erſt die Bahn frei machen, indem er die Hinder-
niſſe, welche die Landesverfaſſungen bieten, durch die Publikations-
geſetze beſeitigen und dann in den geſchaffenen freien Raum den
Norddeutſchen Bund eintreten läßt. Dies iſt undenkbar. Man
kann ſich keinen Staat auch nur während einer Secunde in einem
Zuſtande denken, in welchem ſein Verfaſſungsrecht in ſoweit auf-
gehoben iſt, als es mit der Bundesverfaſſung im Widerſpruch

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[31/0051] §. 2. Die Gründung des nordd. Bundes. „Der Staat X tritt am 1. Juli 1867 in den Norddeutſchen Bund ein.“ Denn die Verfaſſung des Norddeutſchen Bundes konnte in einem Einzelſtaat gar nicht anders in Kraft treten, als durch Gründung des Norddeutſchen Bundes, reſp. Eintreten in denſelben; und kein Staat konnte anders in den Norddeutſchen Bund ein- treten als dadurch, daß die Verfaſſung des letzteren in ſeinem Ge- biete in Kraft trat. Hieraus ergiebt ſich: Nicht die Norddeutſche Bundesverfaſſung iſt ein übereinſtimmendes Landesgeſetz der Einzelſtaaten, nicht ihre Sanction wird für jeden Staat beſonders von der Landesſtaats- gewalt ertheilt, ſondern der Entſchluß des Staates, in den durch dieſe Verfaſſung definirten Bund einzutreten, iſt in jedem Einzelſtaat durch Landesgeſetz erklärt worden. Object der Publi- kationsgeſetze vom Juni 1867 ſind nicht die Beſtimmungen der Norddeutſchen Bundesverfaſſung an ſich, ſondern Object iſt die Erklärung des Beitritts zu demjenigen Bunde, welcher in dieſer Verfaſſung definirt iſt. Kein Staat war im Stande, dieſe Ver- faſſung bei ſich als Landesgeſetz einzuführen, wol aber konnte jeder Staat für ſeine (ideelle) Perſon in der Form des Geſetzes erklären, daß er am 1. Juli 1867 an der Errichtung des Norddeutſchen Bundes Theil nehmen werde. Nicht die zahlreichen Beſtimmungen der Bundesverfaſſung ſind von jedem Einzelſtaat für ſein Gebiet als Landesgeſetz eingeführt worden, ſondern die Publikationspatente ſanctioniren nur einen einzigen Satz, der überall derſelbe iſt, und der lautet: Der Staat X gehört vom 1. Juli 1867 an zum nord- deutſchen Bunde. Eben darum aber haben dieſe Publicationspatente keinen bloß negativen Inhalt, wie Hänel annimmt, indem ſie das mit der Norddeutſchen Bundesverfaſſung im Widerſpruch ſtehende Verfaſ- ſungsrecht der Einzelſtaaten aufheben. Hänel will für den Nord- deutſchen Bund erſt die Bahn frei machen, indem er die Hinder- niſſe, welche die Landesverfaſſungen bieten, durch die Publikations- geſetze beſeitigen und dann in den geſchaffenen freien Raum den Norddeutſchen Bund eintreten läßt. Dies iſt undenkbar. Man kann ſich keinen Staat auch nur während einer Secunde in einem Zuſtande denken, in welchem ſein Verfaſſungsrecht in ſoweit auf- gehoben iſt, als es mit der Bundesverfaſſung im Widerſpruch

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/51>, abgerufen am 25.11.2024.