I.Ohne Anspruch auf Pension und Amtstitel wird das Dienstverhältniß beendigt:
1) Auf Antrag des Beamten, welcher seine Entlassung fordert. Dieselbe kann demselben nicht verweigert werden. Obwohl das Reichsgesetz diesen Grundsatz nicht ausdrücklich ausspricht, so beruht er nicht nur auf einer allgemeinen Rechtsüberzeugung 1), einem wirklichen gemeinen Gewohnheitsrecht, sondern er ergiebt sich aus der Natur des Beamten-Verhältnisses 2). Dasselbe er- fordert von dem Beamten nicht bestimmt begränzte Leistungen, sondern die Hingabe seiner ganzen Persönlichkeit an den Staat zur Förderung des Staatswohls, Treue, Opferwilligkeit, Berufs- freudigkeit; es kann daher Niemand gezwungen in einem solchen Dienst gehalten werden. Aber das Recht des Beamten, das Dienst- verhältniß jeder Zeit aufzulösen, wird auch noch dadurch begründet, daß es das Correlat zu der Disciplinargewalt des Staates ist. Staat und Beamter stehen einander nicht wie gleichberechtigte Parteien, sondern wie Herr und Diener gegenüber; der Staat hat sein Hoheitsrecht, seine Disciplinargewalt, um den Diener zu zwingen; der Beamte hat den Schutz seiner Freiheit und Persön- lichkeit in dem Recht, den Dienst zu kündigen und sich dem dadurch begründeten Zwange zu entziehen. Ohne dieses Recht wäre der Staatsdienst Sclaverei.
Wenn ein Beamter von diesem Rechte Gebrauch macht, so hat er bis zur Ertheilung der Entlassung noch alle Rechte und Pflichten des Beamten und er hat daher die Amtsgeschäfte noch bis zu diesem Zeitpunkte zu führen. Die Entlassung der Reichs- beamten verfügt der Kaiser, beziehentl. die von ihm dazu ermächtigte Reichsbehörde 3). Hinsichtlich der mittelbaren Reichsbeamten kann es aber keinem Zweifel unterliegen, daß sie ihre Entlassung von dem Staate (Landesherrn) zu erhalten haben, der sie angestellt hat.
1) Vgl. Pözl im Staatswörterb. Bd. IX. S. 713. ZachariäII §. 142 S. 63 ff. SchulzeI. S. 346 fg.
2) Nur diejenigen Juristen, welche in der Uebernahme eines Staatsamtes lediglich die Erfüllung einer Unterthanenpflicht finden, erklären die Niederle- gung des Amtes für unstatthaft, z. B. Gönner S. 258. Auch in diesem Punkte zeigt sich aber der Gegensatz zwischen der Erfüllung von Unter- thanenpflichten durch Uebernahme eines Amtes und dem freiwilligen Eintritt in das Staatsdiener-Verhältniß.
3) Reichsverf. Art. 18 Abs. 1.
§. 45. Die Beendigung des Dienſtverhältniſſes.
I.Ohne Anſpruch auf Penſion und Amtstitel wird das Dienſtverhältniß beendigt:
1) Auf Antrag des Beamten, welcher ſeine Entlaſſung fordert. Dieſelbe kann demſelben nicht verweigert werden. Obwohl das Reichsgeſetz dieſen Grundſatz nicht ausdrücklich ausſpricht, ſo beruht er nicht nur auf einer allgemeinen Rechtsüberzeugung 1), einem wirklichen gemeinen Gewohnheitsrecht, ſondern er ergiebt ſich aus der Natur des Beamten-Verhältniſſes 2). Daſſelbe er- fordert von dem Beamten nicht beſtimmt begränzte Leiſtungen, ſondern die Hingabe ſeiner ganzen Perſönlichkeit an den Staat zur Förderung des Staatswohls, Treue, Opferwilligkeit, Berufs- freudigkeit; es kann daher Niemand gezwungen in einem ſolchen Dienſt gehalten werden. Aber das Recht des Beamten, das Dienſt- verhältniß jeder Zeit aufzulöſen, wird auch noch dadurch begründet, daß es das Correlat zu der Disciplinargewalt des Staates iſt. Staat und Beamter ſtehen einander nicht wie gleichberechtigte Parteien, ſondern wie Herr und Diener gegenüber; der Staat hat ſein Hoheitsrecht, ſeine Disciplinargewalt, um den Diener zu zwingen; der Beamte hat den Schutz ſeiner Freiheit und Perſön- lichkeit in dem Recht, den Dienſt zu kündigen und ſich dem dadurch begründeten Zwange zu entziehen. Ohne dieſes Recht wäre der Staatsdienſt Sclaverei.
Wenn ein Beamter von dieſem Rechte Gebrauch macht, ſo hat er bis zur Ertheilung der Entlaſſung noch alle Rechte und Pflichten des Beamten und er hat daher die Amtsgeſchäfte noch bis zu dieſem Zeitpunkte zu führen. Die Entlaſſung der Reichs- beamten verfügt der Kaiſer, beziehentl. die von ihm dazu ermächtigte Reichsbehörde 3). Hinſichtlich der mittelbaren Reichsbeamten kann es aber keinem Zweifel unterliegen, daß ſie ihre Entlaſſung von dem Staate (Landesherrn) zu erhalten haben, der ſie angeſtellt hat.
1) Vgl. Pözl im Staatswörterb. Bd. IX. S. 713. ZachariäII §. 142 S. 63 ff. SchulzeI. S. 346 fg.
2) Nur diejenigen Juriſten, welche in der Uebernahme eines Staatsamtes lediglich die Erfüllung einer Unterthanenpflicht finden, erklären die Niederle- gung des Amtes für unſtatthaft, z. B. Gönner S. 258. Auch in dieſem Punkte zeigt ſich aber der Gegenſatz zwiſchen der Erfüllung von Unter- thanenpflichten durch Uebernahme eines Amtes und dem freiwilligen Eintritt in das Staatsdiener-Verhältniß.
3) Reichsverf. Art. 18 Abſ. 1.
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§. 45. Die Beendigung des Dienſtverhältniſſes.
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das Reichsgeſetz dieſen Grundſatz nicht ausdrücklich ausſpricht, ſo
beruht er nicht nur auf einer allgemeinen Rechtsüberzeugung 1),
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fordert von dem Beamten nicht beſtimmt begränzte Leiſtungen,
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freudigkeit; es kann daher Niemand gezwungen in einem ſolchen
Dienſt gehalten werden. Aber das Recht des Beamten, das Dienſt-
verhältniß jeder Zeit aufzulöſen, wird auch noch dadurch begründet,
daß es das Correlat zu der Disciplinargewalt des Staates iſt.
Staat und Beamter ſtehen einander nicht wie gleichberechtigte
Parteien, ſondern wie Herr und Diener gegenüber; der Staat
hat ſein Hoheitsrecht, ſeine Disciplinargewalt, um den Diener zu
zwingen; der Beamte hat den Schutz ſeiner Freiheit und Perſön-
lichkeit in dem Recht, den Dienſt zu kündigen und ſich dem dadurch
begründeten Zwange zu entziehen. Ohne dieſes Recht wäre der
Staatsdienſt Sclaverei.
Wenn ein Beamter von dieſem Rechte Gebrauch macht, ſo
hat er bis zur Ertheilung der Entlaſſung noch alle Rechte und
Pflichten des Beamten und er hat daher die Amtsgeſchäfte noch
bis zu dieſem Zeitpunkte zu führen. Die Entlaſſung der Reichs-
beamten verfügt der Kaiſer, beziehentl. die von ihm dazu ermächtigte
Reichsbehörde 3). Hinſichtlich der mittelbaren Reichsbeamten kann es
aber keinem Zweifel unterliegen, daß ſie ihre Entlaſſung von dem
Staate (Landesherrn) zu erhalten haben, der ſie angeſtellt hat.
1) Vgl. Pözl im Staatswörterb. Bd. IX. S. 713. Zachariä II
§. 142 S. 63 ff. Schulze I. S. 346 fg.
2) Nur diejenigen Juriſten, welche in der Uebernahme eines Staatsamtes
lediglich die Erfüllung einer Unterthanenpflicht finden, erklären die Niederle-
gung des Amtes für unſtatthaft, z. B. Gönner S. 258. Auch in dieſem
Punkte zeigt ſich aber der Gegenſatz zwiſchen der Erfüllung von Unter-
thanenpflichten durch Uebernahme eines Amtes und dem freiwilligen Eintritt
in das Staatsdiener-Verhältniß.
3) Reichsverf. Art. 18 Abſ. 1.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/508>, abgerufen am 16.02.2025.
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