eröffnet wird, bis zur Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden muß 1).
Führt das Strafverfahren zu einer Verurtheilung des Ange- schuldigten, so bleibt in denjenigen Fällen für ein nachfolgendes Disciplinar-Verfahren kein Raum, in welchen die Verurtheilung den Verlust des Amtes nach sich zieht (Strafgesetzb. §. 33. 35.) oder direkt den Verlust des Amtes ausspricht. Hat die Verur- theilung dagegen den Verlust des Amtes nicht zur Folge gehabt, so bleibt es dem freien Ermessen der zuständigen Behörde über- lassen, ob außerdem noch das Disciplinarverfahren einzuleiten oder fortzusetzen sei (§. 78 Abs. 2). Es besteht durchaus kein Hinder- niß, daß der Beamte nicht neben der kriminellen Bestrafung noch disciplinarisch wegen derselben Handlung oder Unterlassung be- straft wird.
Führt das Strafverfahren zu einer Freisprechung, so besteht ebenfalls kein Hinderniß, ein Disciplinarverfahren einzuleiten. Nur würde es dem oben angeführten Wesen desselben völlig wider- sprechen, wenn es dazu verwendet werden sollte, um eine kriminelle Strafe nachzuholen oder zu ersetzen, welche der Strafrichter zu ver- hängen abgelehnt hat. Niemals kann daher das Disciplinarver- fahren eine nochmalige Feststellung und Prüfung der Frage be- zwecken, ob die Handlung des Beamten dem gesetzlichen Thatbe- stande eines Verbrechens oder Vergehens entspricht und deshalb strafbar sei. Das Disciplinar-Verfahren kann vielmehr nur da- rauf gerichtet sein, ob die Handlungsweise des Beamten -- gleich- viel, wie sie dem Strafrecht gegenüber zu beurtheilen ist -- eine Verletzung seiner Dienstpflicht sei (§. 78 Abs. 1). Trotz Frei- sprechung vor dem Strafrichter kann der Beamte wegen derselben Handlung mit der schwersten Disciplinar-Strafe, der Dienstent- lassung, belegt werden 2).
6) Das Verhältniß der Disciplinar-Bestrafung zu der privatrechtlichen Ersatzpflicht ergiebt sich aus den oben entwickelten Grundsätzen. Die Disciplinargewalt schließt jede
1) Vgl. Motive S. 43.
2) Wenn z. B. ein Beamter im Amtslokale oder auf öffentlicher Straße in vollständiger Trunkenheit ein Vergehen verübt, aber wegen mangelnder Zu- rechnungsfähigkeit freigesprochen worden ist.
§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
eröffnet wird, bis zur Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ausgeſetzt werden muß 1).
Führt das Strafverfahren zu einer Verurtheilung des Ange- ſchuldigten, ſo bleibt in denjenigen Fällen für ein nachfolgendes Disciplinar-Verfahren kein Raum, in welchen die Verurtheilung den Verluſt des Amtes nach ſich zieht (Strafgeſetzb. §. 33. 35.) oder direkt den Verluſt des Amtes ausſpricht. Hat die Verur- theilung dagegen den Verluſt des Amtes nicht zur Folge gehabt, ſo bleibt es dem freien Ermeſſen der zuſtändigen Behörde über- laſſen, ob außerdem noch das Disciplinarverfahren einzuleiten oder fortzuſetzen ſei (§. 78 Abſ. 2). Es beſteht durchaus kein Hinder- niß, daß der Beamte nicht neben der kriminellen Beſtrafung noch disciplinariſch wegen derſelben Handlung oder Unterlaſſung be- ſtraft wird.
Führt das Strafverfahren zu einer Freiſprechung, ſo beſteht ebenfalls kein Hinderniß, ein Disciplinarverfahren einzuleiten. Nur würde es dem oben angeführten Weſen deſſelben völlig wider- ſprechen, wenn es dazu verwendet werden ſollte, um eine kriminelle Strafe nachzuholen oder zu erſetzen, welche der Strafrichter zu ver- hängen abgelehnt hat. Niemals kann daher das Disciplinarver- fahren eine nochmalige Feſtſtellung und Prüfung der Frage be- zwecken, ob die Handlung des Beamten dem geſetzlichen Thatbe- ſtande eines Verbrechens oder Vergehens entſpricht und deshalb ſtrafbar ſei. Das Disciplinar-Verfahren kann vielmehr nur da- rauf gerichtet ſein, ob die Handlungsweiſe des Beamten — gleich- viel, wie ſie dem Strafrecht gegenüber zu beurtheilen iſt — eine Verletzung ſeiner Dienſtpflicht ſei (§. 78 Abſ. 1). Trotz Frei- ſprechung vor dem Strafrichter kann der Beamte wegen derſelben Handlung mit der ſchwerſten Disciplinar-Strafe, der Dienſtent- laſſung, belegt werden 2).
6) Das Verhältniß der Disciplinar-Beſtrafung zu der privatrechtlichen Erſatzpflicht ergiebt ſich aus den oben entwickelten Grundſätzen. Die Disciplinargewalt ſchließt jede
1) Vgl. Motive S. 43.
2) Wenn z. B. ein Beamter im Amtslokale oder auf öffentlicher Straße in vollſtändiger Trunkenheit ein Vergehen verübt, aber wegen mangelnder Zu- rechnungsfähigkeit freigeſprochen worden iſt.
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§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
eröffnet wird, bis zur Beendigung des gerichtlichen Verfahrens
ausgeſetzt werden muß 1).
Führt das Strafverfahren zu einer Verurtheilung des Ange-
ſchuldigten, ſo bleibt in denjenigen Fällen für ein nachfolgendes
Disciplinar-Verfahren kein Raum, in welchen die Verurtheilung
den Verluſt des Amtes nach ſich zieht (Strafgeſetzb. §. 33. 35.)
oder direkt den Verluſt des Amtes ausſpricht. Hat die Verur-
theilung dagegen den Verluſt des Amtes nicht zur Folge gehabt,
ſo bleibt es dem freien Ermeſſen der zuſtändigen Behörde über-
laſſen, ob außerdem noch das Disciplinarverfahren einzuleiten oder
fortzuſetzen ſei (§. 78 Abſ. 2). Es beſteht durchaus kein Hinder-
niß, daß der Beamte nicht neben der kriminellen Beſtrafung noch
disciplinariſch wegen derſelben Handlung oder Unterlaſſung be-
ſtraft wird.
Führt das Strafverfahren zu einer Freiſprechung, ſo beſteht
ebenfalls kein Hinderniß, ein Disciplinarverfahren einzuleiten. Nur
würde es dem oben angeführten Weſen deſſelben völlig wider-
ſprechen, wenn es dazu verwendet werden ſollte, um eine kriminelle
Strafe nachzuholen oder zu erſetzen, welche der Strafrichter zu ver-
hängen abgelehnt hat. Niemals kann daher das Disciplinarver-
fahren eine nochmalige Feſtſtellung und Prüfung der Frage be-
zwecken, ob die Handlung des Beamten dem geſetzlichen Thatbe-
ſtande eines Verbrechens oder Vergehens entſpricht und deshalb
ſtrafbar ſei. Das Disciplinar-Verfahren kann vielmehr nur da-
rauf gerichtet ſein, ob die Handlungsweiſe des Beamten — gleich-
viel, wie ſie dem Strafrecht gegenüber zu beurtheilen iſt — eine
Verletzung ſeiner Dienſtpflicht ſei (§. 78 Abſ. 1). Trotz Frei-
ſprechung vor dem Strafrichter kann der Beamte wegen derſelben
Handlung mit der ſchwerſten Disciplinar-Strafe, der Dienſtent-
laſſung, belegt werden 2).
6) Das Verhältniß der Disciplinar-Beſtrafung
zu der privatrechtlichen Erſatzpflicht ergiebt ſich aus den
oben entwickelten Grundſätzen. Die Disciplinargewalt ſchließt jede
1) Vgl. Motive S. 43.
2) Wenn z. B. ein Beamter im Amtslokale oder auf öffentlicher Straße
in vollſtändiger Trunkenheit ein Vergehen verübt, aber wegen mangelnder Zu-
rechnungsfähigkeit freigeſprochen worden iſt.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/476>, abgerufen am 24.11.2024.
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