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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
gen verantwortlich ist, und im §. 154 Vorschriften über die
Zuständigkeit der Gerichte und über das Verfahren in Rechtsstrei-
tigkeiten über Vermögensansprüche gegen Reichsbeamte.

a) Der im §. 13 ausgesprochene Satz schneidet dem Beamten
bei Ansprüchen, welche gegen ihn wegen gesetzwidriger Hand-
lungen und Unterlassungen erhoben werden, den Einwand ab,
daß er die Handlung oder Unterlassung auf Befehl des dienstlichen
Vorgesetzten begangen habe. Die Tragweite dieses Satzes ist bereits
oben S. 424 fg. erörtert worden. So weit die Gehorsamspflicht des
untergebenen Beamten reicht, ist er auch vor der civilrechtlichen
Verantwortlicheit für die ihm befohlenen Handlungen gedeckt; so-
weit er nicht zum Gehorsam verpflichtet ist, handelt er auf eigene
Verantwortlichkeit. Der Reichs-Beamte, welcher auf Grund eines
ihm ertheilten, dienstlichen Befehls eine amtliche Handlung vor-
nimmt oder unterläßt, haftet demnach, wie oben ausgeführt wor-
den ist, für die formelle Gesetzmäßigkeit seines Verhaltens.
Der dienstliche Befehl befreit ihn von dieser Haftung nicht.

Der §. 13 erkennt außerdem aber positiv an, ganz abgesehen
davon, ob der Beamte auf Grund eines Befehls oder aus eigener
Initiative gehandelt hat, daß eine Ungesetzmäßigkeit eines
Beamten stets von ihm vertreten werden muß, gleichviel ob der
Beamte mit dem Bewußtsein der Ungesetzmäßigkeit (dolo) gehan-
delt hat oder sich darüber im Irrthum befand. Ein Irrthum
über die Ungesetzmäßigkeit seines amtlichen Verhaltens ist stets
ein unentschuldbarer und gilt als ein von ihm zu vertretendes
Versehen.

Dies findet seine volle Bestätigung durch die Fassung des
§. 154, welcher die Erhebung von Vermögens-Ansprüchen gegen
Reichsbeamte "wegen Ueberschreitung ihrer amtlichen Befugnisse
oder pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen" als zu-
lässig voraussetzt.

b) Die Pflichtwidrigkeit des Beamten braucht aber nicht noth-
wendig eine Gesetzwidrigkeit zu sein; sie kann auch in einer Ver-
letzung der ihm obliegenden Sorgfalt bestehen, insbesondere in
einem technischen Fehler 1). In wie weit der Beamte für

1) z. B. Unachtsamkeit bei der Aufbewahrung von Urkunden oder Akten
oder bei dem Verschluß der Amtslokale, technische Fehler bei Bauten, beim
Betriebe der Eisenbahn, Post oder Telegraphie u. drgl.

§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
gen verantwortlich iſt, und im §. 154 Vorſchriften über die
Zuſtändigkeit der Gerichte und über das Verfahren in Rechtsſtrei-
tigkeiten über Vermögensanſprüche gegen Reichsbeamte.

a) Der im §. 13 ausgeſprochene Satz ſchneidet dem Beamten
bei Anſprüchen, welche gegen ihn wegen geſetzwidriger Hand-
lungen und Unterlaſſungen erhoben werden, den Einwand ab,
daß er die Handlung oder Unterlaſſung auf Befehl des dienſtlichen
Vorgeſetzten begangen habe. Die Tragweite dieſes Satzes iſt bereits
oben S. 424 fg. erörtert worden. So weit die Gehorſamspflicht des
untergebenen Beamten reicht, iſt er auch vor der civilrechtlichen
Verantwortlicheit für die ihm befohlenen Handlungen gedeckt; ſo-
weit er nicht zum Gehorſam verpflichtet iſt, handelt er auf eigene
Verantwortlichkeit. Der Reichs-Beamte, welcher auf Grund eines
ihm ertheilten, dienſtlichen Befehls eine amtliche Handlung vor-
nimmt oder unterläßt, haftet demnach, wie oben ausgeführt wor-
den iſt, für die formelle Geſetzmäßigkeit ſeines Verhaltens.
Der dienſtliche Befehl befreit ihn von dieſer Haftung nicht.

Der §. 13 erkennt außerdem aber poſitiv an, ganz abgeſehen
davon, ob der Beamte auf Grund eines Befehls oder aus eigener
Initiative gehandelt hat, daß eine Ungeſetzmäßigkeit eines
Beamten ſtets von ihm vertreten werden muß, gleichviel ob der
Beamte mit dem Bewußtſein der Ungeſetzmäßigkeit (dolo) gehan-
delt hat oder ſich darüber im Irrthum befand. Ein Irrthum
über die Ungeſetzmäßigkeit ſeines amtlichen Verhaltens iſt ſtets
ein unentſchuldbarer und gilt als ein von ihm zu vertretendes
Verſehen.

Dies findet ſeine volle Beſtätigung durch die Faſſung des
§. 154, welcher die Erhebung von Vermögens-Anſprüchen gegen
Reichsbeamte „wegen Ueberſchreitung ihrer amtlichen Befugniſſe
oder pflichtwidriger Unterlaſſung von Amtshandlungen“ als zu-
läſſig vorausſetzt.

b) Die Pflichtwidrigkeit des Beamten braucht aber nicht noth-
wendig eine Geſetzwidrigkeit zu ſein; ſie kann auch in einer Ver-
letzung der ihm obliegenden Sorgfalt beſtehen, insbeſondere in
einem techniſchen Fehler 1). In wie weit der Beamte für

1) z. B. Unachtſamkeit bei der Aufbewahrung von Urkunden oder Akten
oder bei dem Verſchluß der Amtslokale, techniſche Fehler bei Bauten, beim
Betriebe der Eiſenbahn, Poſt oder Telegraphie u. drgl.
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[441/0461] §. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. gen verantwortlich iſt, und im §. 154 Vorſchriften über die Zuſtändigkeit der Gerichte und über das Verfahren in Rechtsſtrei- tigkeiten über Vermögensanſprüche gegen Reichsbeamte. a) Der im §. 13 ausgeſprochene Satz ſchneidet dem Beamten bei Anſprüchen, welche gegen ihn wegen geſetzwidriger Hand- lungen und Unterlaſſungen erhoben werden, den Einwand ab, daß er die Handlung oder Unterlaſſung auf Befehl des dienſtlichen Vorgeſetzten begangen habe. Die Tragweite dieſes Satzes iſt bereits oben S. 424 fg. erörtert worden. So weit die Gehorſamspflicht des untergebenen Beamten reicht, iſt er auch vor der civilrechtlichen Verantwortlicheit für die ihm befohlenen Handlungen gedeckt; ſo- weit er nicht zum Gehorſam verpflichtet iſt, handelt er auf eigene Verantwortlichkeit. Der Reichs-Beamte, welcher auf Grund eines ihm ertheilten, dienſtlichen Befehls eine amtliche Handlung vor- nimmt oder unterläßt, haftet demnach, wie oben ausgeführt wor- den iſt, für die formelle Geſetzmäßigkeit ſeines Verhaltens. Der dienſtliche Befehl befreit ihn von dieſer Haftung nicht. Der §. 13 erkennt außerdem aber poſitiv an, ganz abgeſehen davon, ob der Beamte auf Grund eines Befehls oder aus eigener Initiative gehandelt hat, daß eine Ungeſetzmäßigkeit eines Beamten ſtets von ihm vertreten werden muß, gleichviel ob der Beamte mit dem Bewußtſein der Ungeſetzmäßigkeit (dolo) gehan- delt hat oder ſich darüber im Irrthum befand. Ein Irrthum über die Ungeſetzmäßigkeit ſeines amtlichen Verhaltens iſt ſtets ein unentſchuldbarer und gilt als ein von ihm zu vertretendes Verſehen. Dies findet ſeine volle Beſtätigung durch die Faſſung des §. 154, welcher die Erhebung von Vermögens-Anſprüchen gegen Reichsbeamte „wegen Ueberſchreitung ihrer amtlichen Befugniſſe oder pflichtwidriger Unterlaſſung von Amtshandlungen“ als zu- läſſig vorausſetzt. b) Die Pflichtwidrigkeit des Beamten braucht aber nicht noth- wendig eine Geſetzwidrigkeit zu ſein; ſie kann auch in einer Ver- letzung der ihm obliegenden Sorgfalt beſtehen, insbeſondere in einem techniſchen Fehler 1). In wie weit der Beamte für 1) z. B. Unachtſamkeit bei der Aufbewahrung von Urkunden oder Akten oder bei dem Verſchluß der Amtslokale, techniſche Fehler bei Bauten, beim Betriebe der Eiſenbahn, Poſt oder Telegraphie u. drgl.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/461>, abgerufen am 24.07.2024.