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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 40. Die Pflichten u. Beschränkungen der Reichsbeamten.
und der Beamte verpflichtet sich nicht blos Arbeit zu leisten, son-
dern zu gehorchen.

Aber die Verpflichtung des Beamten ist beschränkt auf die
Erfüllung amtlicher Geschäfte; er dient nicht dem Vorgesetz-
ten
, sondern mit diesem gemeinsam dem Staate; er tritt in
den Staatsdienst ein, um ein staatliches Amt zu übernehmen;
welche Geschäfte aber einem Amte zufallen, normirt der Staat.
Der Beamte ist daher nicht verpflichtet, Geschäfte auszuführen,
welche entweder thatsächlich oder aus Rechtsgründen keine amtlichen
sind oder sein können 1). Der §. 10 des Reichsbeamten-Gesetzes
beschränkt demgemäß die Verpflichtung des Beamten dahin, daß er
das ihm übertragene Amt der Verfassung und den Gesetzen
entsprechend
gewissenhaft wahrnehme.

Geringe Schwierigkeiten macht die Einschränkung, daß der
Beamte solchen Anordnungen der vorgesetzten Behörde nicht nach-
zukommen braucht, welche thatsächlich nicht amtliche Geschäfte zum
Inhalte haben; z. B. Anforderungen eines höheren Beamten an
Unterbeamte zur Leistung von häuslichen Diensten, oder Anord-
nungen, die in das Privatleben des Beamten eingreifen, z. B.
eine gewisse Zeitung zu halten oder nicht zu halten oder die Kirche
zu besuchen u. dgl. Die Nichtbefolgung solcher Vorschriften ist
keine Verletzung der Dienstpflicht; ebenso wenig ist aber dem Be-
amten ihre freiwillige Befolgung verwehrt oder für ihn mit Rechts-
nachtheilen verbunden.

Bei weitem wichtiger und schwieriger ist die juristische Fixi-
rung der anderen Einschränkung, daß der Beamte Anordnungen
der vorgesetzten Behörde nicht zu befolgen verbunden ist, welche
zwar ihrem Inhalte nach Amtsgeschäfte betreffen, welche aber aus
Rechtsgründen ihm nicht aufgetragen werden dürfen. Geschäfte,
zu deren Vornahme eine Behörde nach den bestehenden Rechtsvor-
schriften nicht befugt ist oder die ihr ausdrücklich untersagt sind,
können keine Amtsgeschäfte sein, da das Amt seinem
Begriffe nach ein vom Staate zugewiesener und begränzter Inbe-
griff von Geschäften ist. Die Befolgung solcher Befehle ist daher
für den Beamten keine res merae facultatis. Denn wenn er die
mit seinem Amte verbundene Amtsgewalt zur Durchführung rechts-

1) Vgl. Pfeiffer Prakt. Ausf. III. S. 375 ff.

§. 40. Die Pflichten u. Beſchränkungen der Reichsbeamten.
und der Beamte verpflichtet ſich nicht blos Arbeit zu leiſten, ſon-
dern zu gehorchen.

Aber die Verpflichtung des Beamten iſt beſchränkt auf die
Erfüllung amtlicher Geſchäfte; er dient nicht dem Vorgeſetz-
ten
, ſondern mit dieſem gemeinſam dem Staate; er tritt in
den Staatsdienſt ein, um ein ſtaatliches Amt zu übernehmen;
welche Geſchäfte aber einem Amte zufallen, normirt der Staat.
Der Beamte iſt daher nicht verpflichtet, Geſchäfte auszuführen,
welche entweder thatſächlich oder aus Rechtsgründen keine amtlichen
ſind oder ſein können 1). Der §. 10 des Reichsbeamten-Geſetzes
beſchränkt demgemäß die Verpflichtung des Beamten dahin, daß er
das ihm übertragene Amt der Verfaſſung und den Geſetzen
entſprechend
gewiſſenhaft wahrnehme.

Geringe Schwierigkeiten macht die Einſchränkung, daß der
Beamte ſolchen Anordnungen der vorgeſetzten Behörde nicht nach-
zukommen braucht, welche thatſächlich nicht amtliche Geſchäfte zum
Inhalte haben; z. B. Anforderungen eines höheren Beamten an
Unterbeamte zur Leiſtung von häuslichen Dienſten, oder Anord-
nungen, die in das Privatleben des Beamten eingreifen, z. B.
eine gewiſſe Zeitung zu halten oder nicht zu halten oder die Kirche
zu beſuchen u. dgl. Die Nichtbefolgung ſolcher Vorſchriften iſt
keine Verletzung der Dienſtpflicht; ebenſo wenig iſt aber dem Be-
amten ihre freiwillige Befolgung verwehrt oder für ihn mit Rechts-
nachtheilen verbunden.

Bei weitem wichtiger und ſchwieriger iſt die juriſtiſche Fixi-
rung der anderen Einſchränkung, daß der Beamte Anordnungen
der vorgeſetzten Behörde nicht zu befolgen verbunden iſt, welche
zwar ihrem Inhalte nach Amtsgeſchäfte betreffen, welche aber aus
Rechtsgründen ihm nicht aufgetragen werden dürfen. Geſchäfte,
zu deren Vornahme eine Behörde nach den beſtehenden Rechtsvor-
ſchriften nicht befugt iſt oder die ihr ausdrücklich unterſagt ſind,
können keine Amtsgeſchäfte ſein, da das Amt ſeinem
Begriffe nach ein vom Staate zugewieſener und begränzter Inbe-
griff von Geſchäften iſt. Die Befolgung ſolcher Befehle iſt daher
für den Beamten keine res merae facultatis. Denn wenn er die
mit ſeinem Amte verbundene Amtsgewalt zur Durchführung rechts-

1) Vgl. Pfeiffer Prakt. Ausf. III. S. 375 ff.
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[423/0443] §. 40. Die Pflichten u. Beſchränkungen der Reichsbeamten. und der Beamte verpflichtet ſich nicht blos Arbeit zu leiſten, ſon- dern zu gehorchen. Aber die Verpflichtung des Beamten iſt beſchränkt auf die Erfüllung amtlicher Geſchäfte; er dient nicht dem Vorgeſetz- ten, ſondern mit dieſem gemeinſam dem Staate; er tritt in den Staatsdienſt ein, um ein ſtaatliches Amt zu übernehmen; welche Geſchäfte aber einem Amte zufallen, normirt der Staat. Der Beamte iſt daher nicht verpflichtet, Geſchäfte auszuführen, welche entweder thatſächlich oder aus Rechtsgründen keine amtlichen ſind oder ſein können 1). Der §. 10 des Reichsbeamten-Geſetzes beſchränkt demgemäß die Verpflichtung des Beamten dahin, daß er das ihm übertragene Amt der Verfaſſung und den Geſetzen entſprechend gewiſſenhaft wahrnehme. Geringe Schwierigkeiten macht die Einſchränkung, daß der Beamte ſolchen Anordnungen der vorgeſetzten Behörde nicht nach- zukommen braucht, welche thatſächlich nicht amtliche Geſchäfte zum Inhalte haben; z. B. Anforderungen eines höheren Beamten an Unterbeamte zur Leiſtung von häuslichen Dienſten, oder Anord- nungen, die in das Privatleben des Beamten eingreifen, z. B. eine gewiſſe Zeitung zu halten oder nicht zu halten oder die Kirche zu beſuchen u. dgl. Die Nichtbefolgung ſolcher Vorſchriften iſt keine Verletzung der Dienſtpflicht; ebenſo wenig iſt aber dem Be- amten ihre freiwillige Befolgung verwehrt oder für ihn mit Rechts- nachtheilen verbunden. Bei weitem wichtiger und ſchwieriger iſt die juriſtiſche Fixi- rung der anderen Einſchränkung, daß der Beamte Anordnungen der vorgeſetzten Behörde nicht zu befolgen verbunden iſt, welche zwar ihrem Inhalte nach Amtsgeſchäfte betreffen, welche aber aus Rechtsgründen ihm nicht aufgetragen werden dürfen. Geſchäfte, zu deren Vornahme eine Behörde nach den beſtehenden Rechtsvor- ſchriften nicht befugt iſt oder die ihr ausdrücklich unterſagt ſind, können keine Amtsgeſchäfte ſein, da das Amt ſeinem Begriffe nach ein vom Staate zugewieſener und begränzter Inbe- griff von Geſchäften iſt. Die Befolgung ſolcher Befehle iſt daher für den Beamten keine res merae facultatis. Denn wenn er die mit ſeinem Amte verbundene Amtsgewalt zur Durchführung rechts- 1) Vgl. Pfeiffer Prakt. Ausf. III. S. 375 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/443>, abgerufen am 25.11.2024.