§. 40. Die Pflichten u. Beschränkungen der Reichsbeamten.
verpflichtet, seinem unmittelbaren Vorgesetzten davon Anzeige zu machen.
II.Die Pflicht zur Treue und zum Gehorsam.
Da diese Pflicht einen vorzugsweise ethischen Charakter hat, so wird das eidliche Gelöbniß ihrer Erfüllung erfordert und da- durch eine moralische Garantie ihrer Erfüllung gesucht. Rechtlich läßt sich ihr Inhalt nicht erschöpfend darstellen und ihre volle Er- füllung nicht wirksam erzwingen; nur offenkundige Verletzungen derselben können eine Ahndung finden. Für die rechtliche Beur- theilung dieser Pflicht lassen sich folgende Sätze aufstellen.
1. In der Pflicht zur Treue ist die Pflicht zur Verschwie- genheit enthalten. §. 11 des Reichsgesetzes bestimmt: "Ueber die vermöge seines Amtes ihm bekannt gewordenen Angelegen- heiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder von seinem Vorgesetzten vorgeschrieben ist, hat der Beamte Ver- schwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältniß aufgelöst ist." Im Zusammenhange hiemit stehen die im §. 12 a. a. O. enthaltenen Vorschriften, daß ein Reichsbeamter, bevor er als Sachverständiger ein außergerichtliches Gutachten abgiebt, dazu die Genehmigung seiner vorgesetzten Behörde einholen muß, und daß er, auch wenn er nicht mehr im Dienste ist, ein Zeugniß in Betreff derjenigen Thatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit sich bezieht, insoweit zu verweigern verpflichtet ist, als er nicht dieser Verpflichtung in dem einzelnen Falle durch die vorgesetzte oder zuletzt vorgesetzt gewesene Dienst-Behörde ent- bunden ist.
2. Die Pflicht zum Gehorsam findet in der oben entwickelten rechtlichen Natur des Staatsdienst-Vertrages ebensowohl ihre Be- gründung als ihre Beschränkung. Das systematische, oder wenn man den Ausdruck vorzieht, das organische Zusammenwirken der Behörden, die Einheit und Ordnung in der Verrichtung der staat- lichen Geschäfte, die Leitung der Regierung durch den Kaiser und den von ihm ernannten Reichskanzler und die anderen Chefs der Ressort-Verwaltungen könnten ohne die Pflicht aller Reichs- beamten, den vorgesetzten Behörden oder Beamten gehorsam zu sein, nicht bestehen. Durch den Staatsdienstvertrag wird für den Staat nicht ein Forderungsrecht, sondern eine Gewalt begründet
§. 40. Die Pflichten u. Beſchränkungen der Reichsbeamten.
verpflichtet, ſeinem unmittelbaren Vorgeſetzten davon Anzeige zu machen.
II.Die Pflicht zur Treue und zum Gehorſam.
Da dieſe Pflicht einen vorzugsweiſe ethiſchen Charakter hat, ſo wird das eidliche Gelöbniß ihrer Erfüllung erfordert und da- durch eine moraliſche Garantie ihrer Erfüllung geſucht. Rechtlich läßt ſich ihr Inhalt nicht erſchöpfend darſtellen und ihre volle Er- füllung nicht wirkſam erzwingen; nur offenkundige Verletzungen derſelben können eine Ahndung finden. Für die rechtliche Beur- theilung dieſer Pflicht laſſen ſich folgende Sätze aufſtellen.
1. In der Pflicht zur Treue iſt die Pflicht zur Verſchwie- genheit enthalten. §. 11 des Reichsgeſetzes beſtimmt: „Ueber die vermöge ſeines Amtes ihm bekannt gewordenen Angelegen- heiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder von ſeinem Vorgeſetzten vorgeſchrieben iſt, hat der Beamte Ver- ſchwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienſtverhältniß aufgelöſt iſt.“ Im Zuſammenhange hiemit ſtehen die im §. 12 a. a. O. enthaltenen Vorſchriften, daß ein Reichsbeamter, bevor er als Sachverſtändiger ein außergerichtliches Gutachten abgiebt, dazu die Genehmigung ſeiner vorgeſetzten Behörde einholen muß, und daß er, auch wenn er nicht mehr im Dienſte iſt, ein Zeugniß in Betreff derjenigen Thatſachen, auf welche die Verpflichtung zur Amtsverſchwiegenheit ſich bezieht, inſoweit zu verweigern verpflichtet iſt, als er nicht dieſer Verpflichtung in dem einzelnen Falle durch die vorgeſetzte oder zuletzt vorgeſetzt geweſene Dienſt-Behörde ent- bunden iſt.
2. Die Pflicht zum Gehorſam findet in der oben entwickelten rechtlichen Natur des Staatsdienſt-Vertrages ebenſowohl ihre Be- gründung als ihre Beſchränkung. Das ſyſtematiſche, oder wenn man den Ausdruck vorzieht, das organiſche Zuſammenwirken der Behörden, die Einheit und Ordnung in der Verrichtung der ſtaat- lichen Geſchäfte, die Leitung der Regierung durch den Kaiſer und den von ihm ernannten Reichskanzler und die anderen Chefs der Reſſort-Verwaltungen könnten ohne die Pflicht aller Reichs- beamten, den vorgeſetzten Behörden oder Beamten gehorſam zu ſein, nicht beſtehen. Durch den Staatsdienſtvertrag wird für den Staat nicht ein Forderungsrecht, ſondern eine Gewalt begründet
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§. 40. Die Pflichten u. Beſchränkungen der Reichsbeamten.
verpflichtet, ſeinem unmittelbaren Vorgeſetzten davon Anzeige zu
machen.
II. Die Pflicht zur Treue und zum Gehorſam.
Da dieſe Pflicht einen vorzugsweiſe ethiſchen Charakter hat,
ſo wird das eidliche Gelöbniß ihrer Erfüllung erfordert und da-
durch eine moraliſche Garantie ihrer Erfüllung geſucht. Rechtlich
läßt ſich ihr Inhalt nicht erſchöpfend darſtellen und ihre volle Er-
füllung nicht wirkſam erzwingen; nur offenkundige Verletzungen
derſelben können eine Ahndung finden. Für die rechtliche Beur-
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1. In der Pflicht zur Treue iſt die Pflicht zur Verſchwie-
genheit enthalten. §. 11 des Reichsgeſetzes beſtimmt: „Ueber
die vermöge ſeines Amtes ihm bekannt gewordenen Angelegen-
heiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder
von ſeinem Vorgeſetzten vorgeſchrieben iſt, hat der Beamte Ver-
ſchwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienſtverhältniß
aufgelöſt iſt.“ Im Zuſammenhange hiemit ſtehen die im §. 12
a. a. O. enthaltenen Vorſchriften, daß ein Reichsbeamter, bevor
er als Sachverſtändiger ein außergerichtliches Gutachten abgiebt,
dazu die Genehmigung ſeiner vorgeſetzten Behörde einholen muß,
und daß er, auch wenn er nicht mehr im Dienſte iſt, ein Zeugniß
in Betreff derjenigen Thatſachen, auf welche die Verpflichtung zur
Amtsverſchwiegenheit ſich bezieht, inſoweit zu verweigern verpflichtet
iſt, als er nicht dieſer Verpflichtung in dem einzelnen Falle durch
die vorgeſetzte oder zuletzt vorgeſetzt geweſene Dienſt-Behörde ent-
bunden iſt.
2. Die Pflicht zum Gehorſam findet in der oben entwickelten
rechtlichen Natur des Staatsdienſt-Vertrages ebenſowohl ihre Be-
gründung als ihre Beſchränkung. Das ſyſtematiſche, oder wenn
man den Ausdruck vorzieht, das organiſche Zuſammenwirken der
Behörden, die Einheit und Ordnung in der Verrichtung der ſtaat-
lichen Geſchäfte, die Leitung der Regierung durch den Kaiſer und
den von ihm ernannten Reichskanzler und die anderen Chefs
der Reſſort-Verwaltungen könnten ohne die Pflicht aller Reichs-
beamten, den vorgeſetzten Behörden oder Beamten gehorſam zu
ſein, nicht beſtehen. Durch den Staatsdienſtvertrag wird für den
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/442>, abgerufen am 25.11.2024.
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